Der 6. Banning’sche Familientag findet am 7./8. Mai 2016 im Westerwald statt.

Im Mittelpunkt steht Theodora Banning geb. Hülsken, geboren in Niedermörmter und gestorben vor dann 100 Jahren in Kleve.

Henning Lauterbach
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Henning Lauterbach

Banning – eine niederrheinische Familienchronik

Berlin/Bad Saarow, März 2008 2. Auflage © 2009 by Henning Lauterbach

Inhalt



I. Vorbemerkung


St. Vinzenz in Till-Moyland
Seit dem Tode meiner Großmutter Käthe Neumann, geborene Banning (1898 - 1970), älteste Tochter von Heinrich Banning (1866-1946) und Theodora Banning geb. Hülsken (1869-1916), beschäftige ich mich mit der Geschichte der Familie Banning aus Till- Moyland bzw. Riswick bei Kleve am Niederrhein, zwei Dörfer im Westen Deutschlands, die nicht weit von der deutsch-holländischen Grenze entfernt liegen.
Meine Großmutter, die neben meinen Eltern für mich der wichtigste Mensch in meiner Kindheit und Jugendzeit war, hat Zeit ihres Lebens wenig über ihre Familie und Kindheit bzw. ihre Jugend am Niederrhein erzählt, so dass ich begann, mich nach ihrem Tod, nun im Besitz ihrer Familiendokumente, der Geschichte ihrer Familie zu widmen.

Im März 1970 schrieb ich, vierzehnjährig, an verschiedene Pfarrämter am Niederrhein, um durch Tauf-, Heirats- und Sterbeurkunden einen Überblick über die Chronologie ihrer Familiengeschichte zu bekommen.


Pfarrer Verstege an Henning Böge 1971
Die erste Reaktion auf meine Anfrage erhielt ich von Herrn Verstege, dem Pfarrer von St. Vinzenz in Till-Moyland.

In einer anderen Antwort auf eine meiner Anfragen teilte mir Pfarrer Maags von St. Martin in Qualburg mit, dass in seiner Gemeinde eine Familie Banning wohnt, mit der ich mich daraufhin in Verbindung setzte. In einem Brief stellte sich Johannes Banning als ein Vetter meiner Großmutter vor und erklärte mir, dass er im Jahre 1950 das Erbe von Hermann Banning, Onkel meiner Großmutter, angenommen hatte und seitdem mit seiner Kusine Emma Hardering, die auch eine Kusine meiner Großmutter war, in dem Haus von Hermann Banning wohnt, nicht weit von dem 1952 abgebrannten Banning’schen Hof in Riswick. Mit „Jan“ Banning, wie wir den Vetter meiner Großmutter nannten, kam ich in den Jahren 1970- 75 (in Begleitung meines Vaters und einmal auch mit Paula und Irmgard Barthel) mehrere Male zusammen.


Johannes Banning (1903 – 1975)
Noch bevor er im Herbst 1974 nach Uedem in die Familie seiner Schwester Martha Poen geb. Banning (1905-1985) umzog, durfte ich mich auf dem Dachboden seines Hauses nach alten Unterlagen umsehen, stellte aber fest, dass die wirklich interessanten Dinge (Briefe, Urkunden) offenbar vernichtet worden waren.

Ich fand nur einige Bücher aus dem Nachlass des Dorfschullehrers Franz Hüsgen, der mit Albertine Banning (1873-1914), einer Tante meiner Großmutter, verheiratet gewesen ist. Durch den Tod von Johannes Banning im Januar 1975, an dessen Beerdigung mein Vater und ich teilgenommen haben, riss der Kontakt nach Uedem ab. Seine Witwe Emma Banning geb. Hardering soll in ein Seniorenheim nach Kellen bei Kleve gezogen sein.

Während der Jahre 1971/ 72 hatte ich durch Vermittlung von Johannes Banning einen intensiven Briefwechsel mit Inge van Look, deren Vater ein Vetter 3. Grades meiner Großmutter war, d.h. sie besaßen die gleichen Ur-Urgroßeltern. Inge van Look übermittelte mir ein fast lückenloses Bild über die Vorfahren von Katharina Banning geb. Paeßens (1837- 1920), der Großmutter meiner Großmutter, und wies nach, dass der über Kalkar hinaus bekannt gewesene Chirurg Heinrich Seegers (1726- 1796) ein Urgroßvater von Katharina Banning gewesen ist.


Heinrich Seegers (1726 – 1796)
Im Januar 1982 begann schließlich auf Anregung des Pfarrers von Kleve- Materborn der fruchtbare Briefwechsel mit Karl Hünnekes (1904-1983), einem weiteren Vetter meiner Großmutter. Hünnekes, durch eine Lähmung in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, ging bereitwillig und leidenschaftlich auf die Geschichte der Bannings ein. Er beantwortete ausführlich meine Fragen, die sich im Wesentlichen auf den Verlust des Hofes im Jahre 1915 konzentrierten. Hünnekes reicherte seine Berichte mit vielen Details an, beklagte sich hin und wieder, dass in der Geschichte der Bannings alles sehr verwickelt ist und stellte fest, dass nur derjenige darüber berichten kann, der alles miterlebt hat. An der Genauigkeit und Schlüssigkeit seiner Darstellung merkte ich, dass er vieles aus direkter Quelle erfahren haben muss.


Wappen der Familie Seegers
Wie sich später herausstellte war Heinrich Banning (1866-1946), Vater meiner Großmutter, seine hauptsächliche Quelle, da er sich während der 20er und 30er Jahre mehrmals wöchentlich auf dem Hof der Familie Hünnekes in Materborn aufgehalten hatte. Karl Hünnekes setzte alles daran, Heinrich Banning von dem Makel zu befreien, den Hof in Riswick durch alleiniges Verschulden verspielt zu haben.

Durch die Briefe Karl Hünnekes zogen sich immer wieder zwei Aussagen wie ein roter Faden:
1. Heinrich Banning hat „Riswick“ nicht „versoffen“.
2. Der Hauptschuldige an der Tragödie der Familie Heinrich Banning ist Hermann Banning (1864-1950), ältester Bruder von Heinrich Banning, gewesen.


Ahnenpass Käthe Neumann geb. Banning
Nach verschiedenen Phasen intensiver Beschäftigung mit der Geschichte der Bannings in den Jahren 1970/72, 1981/82 und 1998/99 habe ich im Vorfeld des 75. Geburtstags von Irmgard Barthel im Spätsommer 2007 die Familienunterlagen erneut durchgearbeitet. Das im Sommer 2008 stattgefundene Familientreffen hat nochmals zu einer Zunahme von familiengeschichtlichen Informationen geführt, so dass ich zu einem Ergebnis gekommen bin, das den Rahmen von "Abschied von Riswick" übersteigt. Aus diesem Grund habe ich mich zu einer Titeländerung entschlossen: „Banning - eine niederrheinische Familienchronik.“

Sie ist Irmgard Barthel gewidmet, eines der Enkelkinder von Heinrich und Theodora Banning, die im Januar 2009 einer schweren Krankheit erlag.


„Abschied von Riswick“
Aber über alledem steht für mich die Erinnerung an meine Großmutter, deren gespaltenes Verhältnis zu ihrer Familie mir schon in jungen Jahren aufgefallen ist. Es hat mich neugierig gemacht! Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich mich mit der Geschichte der Bannings schon seit fast 40 Jahren beschäftige.



Familie Karl Hünnekes 1961


II. Quellen zur Geschichte der Familie Banning

Über die Geschichte der Familie Banning sind uns folgende Dokumente überliefert:

Todesanzeige Hermann Joseph Banning
Ein besonderes Juwel ist das in Öl gemalte Selbstporträt von Hermann Joseph Banning (1819-1889), dem Großvater meiner Großmutter. Das Porträt von Hermann Joseph Banning, das vor 1889 entstanden sein muss, hing zuerst in „Rode Heert“, dann im „Stiershof“ in der „guten Stube“ des Hofes von Heinrich und Theodora Banning und dann im Riswicker Haus seines Bruders Hermann Banning. Es befand sich bis 1975 im Besitz von Johannes Banning und ist sicherlich an Familie Poen aus Uedem vererbt worden.

Teile des schriftlich überlieferten Nachlasses von Hermann Joseph und Katharina Banning sind offenbar von Johannes Banning (1903-1975) vernichtet worden. Johannes Banning zog im „Dritten Reich“ als

„Propagandaminister von Keppeln“ (Charakterisierung seines Vetters Karl Hünnekes)


alle Familienunterlagen an sich, um die arische Abstammung der Familie nachzuweisen.


Grabsteine Hermann (oben) und Hendrika Banning (unten) und wahrscheinlich das Grab von Katharina Banning geb. Paeßens (1837-1920) auf dem Friedhof von Qualburg 1974 (darunter)
Er behielt die zum Teil bis in das Jahr 1610 reichenden Dokumente und verbrannte sie wahrscheinlich ebenso wie die gesamte Korrespondenz von Hermann Banning (1864-1950), dessen Erbe in Riswick er mit der Verpflichtung übernahm, seine Kusine Emma Hardering zu heiraten.

Auch der Vertrag, mit dem Katharina Banning geb. Paeßens im Jahre 1861 „Rode Heert " in Till- Moyland pachtete, wird für immer verloren bleiben, da das Schlossarchiv der Barone van Steengracht, denen "Rode Heert" noch heute gehört, im 2. Weltkrieg völlig ausgebrannt ist.

Ebenfalls abgebrannt ist 1952 auch, der im Jahre 1889 von den Bannings gekaufte Riswicker Hof vor den Toren der Stadt Kleve, so dass man auch dort keine Relikte aus der Vergangenheit mehr finden kann.
Aber die Landschaft in Riswick ist nahezu unverändert. Sie hat einen melancholischen Charakter und übt insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten einen unbeschreiblichen Reiz aus.

Das Riswicker Wohnhaus von Hermann Banning, dem Bruder von Hein Banning, das nur rund 300 Meter vom Banning’schen Hof entfernt stand und

in dem bis 1974 Johannes und Emma Banning gewohnt haben, ist in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts abgerissen worden, um den Bau einer Umgehungsstraße zu ermöglichen.

Als 15jähriger Junge habe ich es genossen, dieses Haus zu betreten, denn es führte mich zurück in die Jugendjahre meiner Großmutter. Wenn mein Vater und ich dort zu Besuch waren, saßen wir mit Johannes und Emma Banning in der Küche und unterhielten uns über die Familiengeschichte.

Riswick: im Hintergrund die Kirche von Qualburg. Auf der abgelichteten Koppel stand nach Aussage von Johannes Banning der Hof von Heinrich Banning, der 1952 abgebrannt ist.
Es gab meistens am Samstagnachmittag Kaffee und Weißbrot mit Schweinebraten. Ich erinnere mich, dass wir einmal die „gute Stube“ besichtigen durften und dass dort ein gerahmtes Foto des Papstes Pius XII, der in den 40er und 50er Jahren das Pontifikat innehatte, hing.

Zu den besonderen Erinnerungsstücken zählen die Urkunden zur Erstkommunion, die sowohl für die Generation der Kinder von Hermann Joseph und Katharina Banning als auch für die Generation der Enkelkinder von Hermann Joseph und Katharina Banning vorhanden sind.

Heinrich Banning (1754-1823), Rheinfischer aus Grieth und Ur-Großvater meiner Großmutter, galt bisher als der letzte uns bekannte Vorfahre mit dem Namen Banning. Sein genaues Geburtsdatum und die Namen seiner Eltern kannten wir bislang nicht, da der Jahrgang 1754 im Kirchenbuch von Grieth fehlt. Mit dem Rheinfischer verlor sich die Spur der Bannings. Erst bei jüngsten Internet-Recherchen ist es mir gelungen, die Namen der Eltern des bis dahin letzten bekannten Trägers des Namen Banning herauszufinden.

Erinnerung an die erste hl. Firmung von Hermann Banning in St. Vinzenz in Till 1874
Es handelt sich um Eberhard Banning, Ur-Urgroßvater meiner Großmutter und verstorben 1781 in Alt-Calcar. Er war mit Katharina Noy (1730-1812) aus Niedermörmter verheiratet.
Darüber hinaus konnte ich feststellen, dass der „Rheinfischer“ Johann Heinrich Banning (1754-1823) einen Bruder namens Derck Wilhelm Banning (1761) und neben Hermann Joseph noch zwei Söhne hatte, die allerdings unverheiratet im Alter von 24 bzw. 27 Jahren in Wisselward bei Grieth verstorben sind: Eberhard Banning (1807-1831) und Theodor Banning (1810-1837).

„Die Lage am Rhein bestimmte über Jahrhunderte das Schicksal Grieths, sie entschied über Wohl und Wehe, über wirtschaftlichen Wohlstand und Niedergang der Fischer, Schiffer und Händler, die den Großteil der Bevölkerung stellten. Der Rhein riss einerseits beträchtliche Teile des Stadtgebiets weg, sorgte aber andererseits für einen Schadensausgleich, indem er durch Anlandungen größere Weideflächen schuf, die im 18. Jhd. eine einträgliche Rinderzucht ermöglichte.“ (www.grieth.eu)


Der „Rheinfischer“ war in erster Ehe mit Elisabeth Eikholdt verheiratet und heiratete nach deren Tod (1804) Anna Maria Haal, die Großmutter meiner Großmutter. Die zweite Frau des „Rheinfischers“ Anna Maria Banning geb. Haal (1784-1868) war nach seinem Tod nochmals verheiratet:

Die Heiratsurkunde Heinrich Banning 1805 in französischer Sprache: Das Rheinland war von napoleonischen Truppen besetzt.
mit Theodor van Eyl (1779-1839). Sie starb in Moyland, also in der Nähe von Till, wo ihr Sohn Hermann Joseph mit seiner Ehefrau Katharina Paeßens seit 1861 lebte und den Steengracht’schen Pachthof „Rode Heert“ bewirtschaftete.

Meine Großmutter, Jahrgang 1898, hat ihren Kinder und Enkelkindern gegenüber die Geschichte ihrer Familie, ihrer Jugend am Niederrhein, ausgesprochen selten erwähnt. Allerdings hat sie im Alter sehr gerne mehrmals jährlich Ausflüge in die „alte Heimat“ unternommen. Als sie einmal zu Weihnachten von meinem Vater einen sehr schönen Bildband über den Niederrhein geschenkt bekam, konnte sie ihre Rührung nicht verbergen. Daran konnte ich erkennen, wie stark doch ihre Bindung an den Niederrhein gewesen sein muss.
Über Till-Moyland, Riswick und Kleve sind mir persönlich aus den Erzählungen meiner Großmutter nur zwei Episoden in Erinnerung geblieben:


Originalhandschrift von Theodora Banning


Aber aus Gesprächen, die meine Großmutter mit ihrem Schwiegersohn Helmut Böge (1923-1984), meinem Vater, über ihre Jugend führte, erfuhr ich, dass sie einzig und allein ihrem Vater Heinrich die Schuld am Verkauf von Riswick gab. Sie sprach darüber, dass er jede Mark ins Wirtshaus trug und den Hof einschließlich der „Hygienischen Molkerei“ schlichtweg „versoffen“ hat.

„Dass Onkel Hein manche Mark ins Wirtshaus getragen hat, ist für mich nichts Neues: Denn jeden Samstag war in Kleve für die Bauern aus der Niederung (Bure uett et Leeg) ein Sonntag, und nicht einer fehlte bei dieser alten Tradition. Aber daran ist Onkel Hein nicht kaputt gegangen.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.04.1982)



Auszug aus dem Taufregister: Carola Banning 06.05.1913
Darüber hinaus verfüge ich über die Original-Fotografien von Heinrich und Theodora Banning und dem Riswicker Hof, die 1911 angefertigt wurden, zuerst in Riswick und Kleve hingen, später in den Besitz von Ötti Kersten gingen und nach deren Tod an Paula Barthel weitergereicht worden sind, die sie wiederum in den späten 70er Jahren mir überließ.
Die in dieser Familienchronik abgedruckten Briefe von Theodora Banning an ihre Töchter Käthe und Paula, die ich im Nachlass meiner Großmutter fand bzw. die ich aus dem Nachlass von Irmgard Barthel erst im Februar 2009 erhielt, sind eine wichtige Quelle zur Geschichte der Familie Banning.
Zu den wichtigsten Quellen zur Geschichte der Familie Banning gehören selbstverständlich die Zeitzeugen, die ich persönlich kennen lernen durfte. Insbesondere Paula Barthel, aber auch Nora Hiermes berichteten mir schriftlich und mündlich über ihre Erinnerungen an ihre früheste Jugendzeit. Paula schränkte ihre Berichte allerdings immer wieder ein. Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht alles erzählen wollte.


„Im Übrigen habe ich viel vergessen. Unsere Mutter starb damals, ihr Tod war bitter für sie selbst, sie wusste darum, und erst für mich- mit meinen gut 15 Jahren als Älteste zu Hause.“ (Paula Barthel in einem Brief vom 08.10.1982)


Zu der Quelle „Karl Hünnekes“ hat sie sich allerdings kritisch geäußert:

„Mein Vetter Karl ist manchmal falsch orientiert, ich habe die ganze Misere zu Hause ja erlebt, nur die Zusammenhänge kannte ich so nicht.“ (Paula Barthel 09.10.1982)


Andere wichtige Zeitzeugen aus der Geschwister-Generation meiner Großmutter wie Hermann, Mia oder Hein lernte ich nicht kennen, oder sie verstarben zu früh, um sie gezielt nach ihren Erinnerungen an die Riswicker und an die Klever Zeit zu fragen.

Karl Hünnekes an Henning Böge
In der Familie Hünnekes soll es noch einige wenige wertvolle Gegenstände aus dem Besitz der Großeltern Banning geben.

„Von Großmutter habe ich ein schönes Souvenir bekommen, es ist ein Perlen-Portemonnaie, es ist über 250 Jahre alt. Ich darf es nur an einen aus der Bannings-Familie vererben.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982)


Otto Banning an Henning Böge
Auch soll in diesem Familienzweig noch das Geschenk von Dora Banning an ihr Patenkind Karl Hünnekes erhalten sein.

„Tante Dora war meine Patin, habe zur ersten hl. Kommunion ein schönes Andenken bekommen, was ich heute noch besitze, sowie einen Anzug mit Gebetbuch und Rosenkranz.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982)


Nora Hiermes an Henning Böge

„Für meine Kommunion-Uhr, die ich von meiner Patentante Dora bekommen habe, suche ich noch einen Liebhaber, denn es ist ein kostbares Stück.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 19.01.1983)







Carl Banning an Henning Böge










Paula Barthel an Henning Böge






III. Till–Riswick-Kleve

Die Familie Heinrich Banning aus Till-Moyland (bis 1902), aus Riswick (bis 1915) bzw. Kleve (bis 1944), erlebte mitten im Ersten Weltkrieg eine dramatische Zeit. Nicht nur der Verlust des eigenen landwirtschaftlichen Betriebes und der Umzug nach Kleve, sondern auch der tragische Tod der Mutter Theodora Banning geb. Hülsken (1869-1916) führte dazu, dass die Großfamilie auseinanderbrach.

Es endete so tragisch, was eigentlich so hoffnungsvoll begann. Am 30. Juni 1896 heiratete Heinrich Banning Theodora Hülsken, die in der Familie „Dora“ genannt wurde, vor dem Standesamt in Appeldorn. Den kirchlichen Segen holte sich das junge Paar möglicherweise in dem spätgotischen Bau der Pfarrkirche St. Lambertus, von der seit 1945 heute nur noch der Chor erhalten ist. Das Eheversprechen könnten sich der Sohn eines Malermeisters und einer Großbäuerin aus Till-Moyland und die Tochter eines wohlhabenden Landwirts aus dem nahegelegenen Niedermörmter vor dem prächtigen „Antwerpener Altar“, der glücklicherweise das Inferno des Zweiten Weltkriegs überstanden hatte, gegeben haben.


Wappen von Till-Moyland
Dora wurde am 24. April 1869 im niederrheinischen Niedermörmter als einzige Tochter von Theodor und Henrica Hülsken geboren. Sie entstammt der seit 1813 in Niedermörmter nachweisbaren Familie Hülsken, die bis in die Gegenwart den weit über 500 Jahre alten Baumannshof zu Niedermörmter bewirtschaftete. (Rheinische Post vom 29. Juli 1967)

Nach dem Tod von Theodor Hülsken im Jahre 1893 übernahm Henrica Hülsken im „Deichreihendorf“ Niedermörmter den Hof „van den Bosch“ mit ihren drei Kindern Wilhelm, Heinrich und Theodora.
„Mutter van den Bosch“ kam oft zur Familie ihrer Tochter nach Riswick. Ihre ältesten Riswicker Enkelkinder verbrachten ihre Sommerferien öfters in Niedermörmter. „Mutter van Bosch“ starb im Jahre 1910, so dass sie das traurige Schicksal ihrer Tochter und deren Familie nicht mehr erleben musste.


Niedermörmter bei Kleve
Nach dem frühen Tod von Wilhelm Hülsken übernahm Heinrich Hülsken („Hannohme“), dessen Ehe mit Tante „Mik“ (Paula Barthel) kinderlos blieb, den Hof in Niedermörmter. Gerhard Hülsken, der Sohn von Wilhelm, fiel im August 1918 in Frankreich. Ursprünglich sollte Hein Banning jun. (1904-1963) den Hülsken-Hof in Niedermörmter übernehmen. Möglicherweise musste Dora Banning ihre Erbansprüche an die Familie ihres Vaters, der fünf Geschwister hatte, verkaufen, um den sich abzeichnenden Bankrott von Riswick hinauszuschieben. Sie litt sehr darunter, dass ihre Mitgift und ihr ererbtes Vermögen nicht vor dem Bankrott des landwirtschaftlichen Betriebes gerettet werden konnten und dass auch ihr Vermögen 1915 im Strudel um den Konkurs von Riswick verloren ging.

Hein, der zweitälteste Sohn von Hermann und Katharina Banning geb. Paeßens, wurde am 3. März 1866 in Till-Moyland geboren. Die Familie Banning war seit 1861 in Till-Moyland ansässig. Katharina Banning geb. Paeßens (1837-1920), Tochter eines wohlhabenden Großbauern aus dem nahegelegen Kalkar und Mutter von zehn Kindern, pachtete 1861 den Hof „Rode Heert“ von der Familie van Steengracht, denen das Schloss Moyland gehörte. Im Jahre 1896, nach der Heirat mit Dora, übernahm Hein den elterlichen Pachthof „Rode Heert“ in Till- Moyland.


Heinrich Banning um 1895

„Mein Großvater war von Beruf Maler und ein Freund von Baron van Steengracht, er musste das ganze Schloss von Innen in Ordnung halten, (er war) also kein Bauer, er hat sich nie um die Landwirtschaft gekümmert. Der Baron hatte den Hof an meine Großmutter verpachtet, die durch und durch Bäuerin war, weil sie von einem Großbauernhof herkam. (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.04.1982)


Dass der erstgeborene Sohn den Hof in Till-Moyland nicht übernahm, lag in erster Linie daran, dass er im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Heinrich zur Landwirtschaft keine Beziehung hatte.


"Rode Heert" in Till-Moyland / 1861-1902 Familie Banning / seit 1902 Familie Hünnekes (oben und unten)

„Hermann war immer ein Drückeberger auf dem Hofe in Till, und war auf eine Katstelle in Kellen-Riyswick eingeheiratet. Tante Maria und meine Mutter haben in Till alle Drecksarbeit getan, sowie Melken, Viehfüttern, Misten und die Feldarbeit. Onkel Hein hatte die Pferde mit Bestellung der Landwirtschaft unter sich, denn er galt in Till als tüchtiger Bauer.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 12.06.1982)



Im Jahre 1889, nach dem Tod von Hermann Banning, kaufte Katharina Banning einen landwirtschaftlichen Betrieb in Riswick bei Kleve, den Heinrich Banning 1902 übernahm und den er Ende 1915 verschuldet aufgeben muss.
Riswick

„Großvater und Großmutter hatten so viel Geld verdient, dass Großmutter einen großen Hof von über 100 Morgen in Riyswick gekauft hat.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.04.1982)


Riswick war ein bäuerliches Siedlungsgebiet vor den Toren der Stadt Kleve und gehört zur Gemeinde Qualburg, wohin die Sprösslinge von Heinrich und Theodora Banning den täglichen Weg zur Schule auf unbefestigten Wegen zurücklegen mussten. Der Pfarrer und der Lehrer waren die wichtigsten Autoritätspersonen, die ihren Lebensunterhalt zum Teil durch Zuwendungen der ansässigen Großbauern, zu denen Heinrich Banning gehörte, bestritten.

Qualburg: Die ehemalige Dorfschule

„Wenn die ersten Gänseeier da waren, da kriegten der Lehrer und der Pastor zwei Stück. (..) Wenn geschlachtet wurde, kriegten die auch was. Der Pastor kam nicht vorbei, aber der Lehrer schon. (..) Da musste Mutter auftischen!“ (Paula Barthel in einem Gespräch vom 09.04.1982)



Schulzeugnis von Käthe Banning
An den Dorfschullehrer Joosten hatten die ältesten Geschwister wenige gute Erinnerungen. Wenn der Weg vom Hof zur Kirche und Schule nass und eigentlich unbegehbar war, blieben die Kinder bis zum Nachmittagsunterricht im Schulgebäude, oder sie mussten über die Fahrstraße einen großen Umweg von der Schule nach Hause in Kauf nehmen.
In der katholischen Kirche St. Martin in Qualburg nahmen die Geschwister täglich an der heiligen katholischen Messe teil, und dort empfingen sie im Alter von 7 Jahren die erste hl. Firmung.

In den Jahren 1904-1912 wurden Hermann, Käthe, Paula, Mia und Hein gemeinsam in Qualburg in einer Dorfschule unterrichtet. Hermann und Käthe unterschieden sich allerdings von den anderen Geschwistern. Hermann hatte als einziger in Riswick ein eigenes Zimmer, und Käthe

„hat nie Streiche mitgemacht. Die Holländer (die Familie der Tante Anna Maria Mulder aus Lobith) haben immer gesagt: Fräulein Käthe.“ (Paula Barthel am 09.04.1982 in einer Tonbandaufnahme)



Landschaft bei Qualburg

„Wir sind nach der Mittagspause nicht nach Hause gegangen, weil die Wege so schlecht waren. Man konnte nur über die Landstraße nach Hause gehen. Das dauerte über eine Stunde. Die anderen Wege waren nicht befestigt. Unser Vater musste uns einmal aus dem Rübenfeld herausziehen, denn wir hatten Klumpen an und kamen ohne Hilfe nicht aus dem Schlamm.“ (Paula Barthel am 09.04.1982 in einer Tonbandaufnahme)


„Die Kirche in Qualburg habe ich noch gut in Erinnerung, mussten wir doch jeden Morgen bei Wind und Wetter zur heiligen Messe, und da wir ja nur Holzschuhe trugen, wurden diese unten abgestellt.“ (Nora Hiermes in einem Brief vom 09.02.1989)


„Ja, unser Lehrer (…) !!!! Wenn schlechtes Wetter war, konnten wir von der Schule nicht nach Hause. Wir hatten ja morgens und mittags Unterricht. Da blieben wir in der Schule. Ich weiß nur, dass Käthe, Mia und ich im kalten Schulflur warten mussten. (...) (Paula Barthel am 09.04.1982 in einer Tonbandaufzeichnung)



Selbstangefertigter Stempel von Hermann Banning (1897-1980) mit der Riswicker Adresse
In Riswick betrieb Heinrich Banning eine hygienische Molkerei, die die Stadt Kleve mit frischen Milchprodukten versorgte. Die hygienische Molkerei in Riswick bei Cleve No. 16 war Anfang des 20. Jahrhunderts eine moderne Einrichtung, und Heinrich Banning war ein Pionier auf diesem Gebiet.


Hygienische Molkerei Heinrich Banning, Riswick 1911

„Riswick: Der eine oder andere aus der älteren Generation kann sich heute noch an dieses im Jahre 1952 durch einen Brand zerstörte Gehöft Stiershof der Familie Banning- van de Kamp erinnern. Gelegen hat der alte, heute nicht mehr vorhandene Bauernhof mit der Hausnummer Riswick 16 etwa 400 Meter südlich von Haus Riswick. Mit dem Milchfuhrwerk, worauf zu lesen steht ‚H. Banning Hygienische Molkerei Riswick’ hat Hermann Banning (sic!) bis kurz vor der Jahrhundertwende einen Milchhandel betrieben. Letzter Besitzer des Bauernhofes ist Johann van de Kamp gewesen.“ (E. Hannen, Von Appeldorn bis Zyfflich. Die Vergangenheit vor dem Vergessen bewahren, Horb2000)



Zeitungsanzeige
Der Verfasser des Buches irrte sich in zwei Punkten: 1. Nicht Hermann, sondern Heinrich Banning betrieb die Molkerei 2. Er organisierte den Milchhandel nicht nur bis zur Jahrhundertwende, sondern exakt bis Ende 1915.

Aber trotz dieser beiden Abweichungen ist es bemerkenswert, dass die Familie Heinrich Banning in einem Bildband anlässlich des 200 jährigen Bestehens der Gemeinde Bedburg-Hau, zu der seit 1969 Till-Moyland und Qualburg mit Riswick gehören, gewürdigt worden ist. Die Fotografie von 1911, auf der neben der zwölfköpfigen Familie drei Mägde und drei Knechte abgebildet sind, ist in diesen Bildband ebenso aufgenommen worden wie eine von Heinrich Banning in einer Klever Zeitung aufgegebene Annonce zum Verkauf von „filtrirter und sterilisierter Vollmilch“.


Riswick "Gehöft Stiershof" 1889-1915 gehörte Riswick der Familie Banning. Der Hof ist 1950 abgebrannt.
Erich Gülcher, der „Riswick“ 1915 von Heinrich Banning übernahm, ist der Erbauer von „Haus Riswick“, das er 1908 als Villa errichten ließ. Heute ist das Landwirtschaftszentrum „Haus Riswick“ in Kleve eines der zwei Landwirtschaftszentren der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.
Es wurde 1920 als Melkerschule gegründet und dient der Aus- und Fortbildung von Landwirten sowie der Erprobung neuer Wirtschaftsformen.


St. Martin Qualburg
Hermann, der älteste Sohn von Heinrich und Theodora Banning, besuchte nach der Dorfschule das Gymnasium in Kleve und sollte –fern der Landwirtschaft- eine akademische Laufbahn einschlagen. Im September 1915 wurde Hermann als Soldat in den I. Weltkrieg eingezogen und lebte nicht mehr im Elternhaus, als der Riswicker Familienbesitz aufgegeben werden musste.

„Hermann war von Mutter verwöhnt“. (Paula Barthel in einer Tonbandaufzeichnung vom 09.04.1982)


Der Abschied von Hermann fiel Dora besonders schwer. Sie liebte den Ältesten.

Niederrheinische Kopfweide in Riswick

„Ich glaube, ich laufe fort, und ich darf doch nichts merken lassen, damit ihm der Abschied nicht zu nahe geht, Du weißt ja, wie weich er ist.“ (Brief von Dora Banning an Käthe vom 29.09.1915)


Hermann verließ Riswick am Sonntag, dem 26. September 1915, knapp drei Monate nach Käthes Weggang nach Zylpich. Käthe wollte sich von ihrem ältesten Bruder in Köln verabschieden, irrte sich aber im Datum und verpasste ihn um eine Woche

„Du meinst nur der nächste Sonntag! Das tut mir leid um Deinetwillen, aber Hermann ist schon vergangenen Sonntag abgefahren. Vater hat ihn bis Köln gebracht, dort übernachtet, und Montag halb elf sind sie, Hermann und der Hölzerne, nach Augsburg weitergefahren, während Vater mit dem halb fünf Schnellzug zurückfuhr.“ (Brief von Dora Banning an Käthe am 29.09.1915)



Albertine Hüsgen geb. Banning (1873-1914)
Interessanterweise trat einzig die älteste Tochter Käthe, die zu ihrem Vater ein sehr distanziertes Verhältnis hatte, in seine Fußstapfen. Sie besuchte von Ostern 1910 bis 1914 das katholische Lyzeum in Köln, erhielt von der Direktorin Frau Neyland ein erstklassiges Abgangszeugnis und ging anschließend auf die Molkereifachschule in Kleve. Am 1. Juli 1915 nahm Käthe Banning gegen den Willen des Vaters, aber mit Einwilligung und Unterstützung der Mutter in Zülpich bei Aachen eine Stelle als Kontoristin in der dortigen Molkerei an.
Selbstverständlich begleitete Dora Banning ihre älteste Tochter nach Zylpich, um sich zu vergewissern, dass Käthe dort gut untergebracht war.

„Sei übrigens froh, dass Du aus dem Wirrwarr hier heraus bist. Vater macht noch keine Anstalten für ein neues Unterkommen. Was das noch geben muss. Ich weiß es nicht, und es könnte so schön anders sein!“ (Brief von Dora Banning an Käthe am 25.07.1915)


Die Situation wurde im Herbst 1915 immer schwieriger. Der „Abschied von Riswick“ rückte immer näher, Dora Banning schien immer mehr zu verzweifeln.

Kleve Gruftstraße

„Ach Käthe, wie schwer ist mir ums Herz! Dass Vater mir das antun musste, hier in der Nähe und in der Stadt. Und es hätte so gut anderssein können, wenn er nur wollte, doch was nützen alle Klagen. Nur durchhalten und die dicken Köpfe auch hochhalten. Wie ist es gut, dass Du so weit fort bist, wo Du hier jeden Tag Deinen Mitschülerinnen begegnen konntest!“ (Dora Banning an Käthe am 28.10.1915)


Dora Banning hatte ihre beiden ältesten Kinder besonders ins Herz geschlossen. Mit Hermann und Käthe konnte sie viele persönliche Probleme besprechen, die die Umstände um den Verlust von Riswick mit sich brachten.

Paula, die Drittgeborene, fühlte sich zurückgesetzt, obwohl Dora Banning, die die Briefe an Käthe mit „Mutter“, aber die Brief an Paula liebevoll mit „Mama“ unterschrieb, sich in der schlimmen Umbruchzeit sehr an Paula klammerte.

„...habe übrigens an Paula in diesen Tagen eine kräftige Stütze gehabt, wäre sonst wohl verrückt geworden. (Dora Banning in einem Brief an Käthe vom 21.11.1915)


Paula ging 1913/1914 nach Kempen auf das Lyzeum. Dort, nicht weit von Riswick entfernt, lebte Albertine, eine Schwester ihres Vaters, deren Ehemann Franz Hüsgen im März 1913 plötzlich starb.

„Ich war ja in dem Jahr noch auf dem Schwester-Lyzeum in Kempen; ein ganzes Jahr, hatte gute Zeugnisse, aber ich wollte dort nicht länger bleiben. Ich wollte wieder nach Hause. Mir lag das ‚Puzzeln’ mehr als das Lernen! Wofür sollte ich lernen? Ich konnte auf dem Hof doch viel mehr lernen!!“ (Paula Barthel am 09.04.1982 in einer Tonbandaufnahme)


Albertine Banning, die von der Familie „Tante Tina“ genannt wurde, erkrankte nach dem frühen Tod ihres Ehemanns sehr schwer, und ist in Kleve am 4. Juli 1914 einer schweren Krebskrankheit erlegen.

Ihre beiden Kinder Maria und Joseph, die nun Vollwaisen waren, kamen zunächst in die Obhut von Dora Banning nach Riswick.

„Mit unserer Mutter hat sie sich gut verstanden. Als ich in Kempen war, hatte sie (aus Riswick) Kartoffeln, Obst und Äpfel bekommen. Ihr Mann war Dorfschullehrer. Die hatten hinten auch einen Stall mit Schweinen und Hühnern.“ (Paula Barthel am 09.04.1982 in einer Tonbandaufnahme)



Kleve zur Kaiserzeit
Nach dem Tod von Tante Tina kehrte Paula nach Riswick ins Elternhaus zurück und erlebte den Verkauf von Riswick von allen Kindern am intensivsten. Am 1. November 1915 zog die Familie Banning von Riswick in die Gruftstraße ins wohlhabende Kurviertel am Tiergarten von Kleve um. Der Umzug von der ländlichen Abgeschiedenheit in die Stadt fiel sicherlich allen sehr schwer, besonders Dora Banning, die in einem Brief schrieb:

„Heute heißt es noch Riswik, nächstens wird es heißen: Cleve, Lindenallee, oder so was. Vater hat nämlich ein Haus dort gemietet, ich habe aber noch nichts davon gesehen. Paula, Vaters Junge, ist mit gewesen, sagt, es wäre ein geräumiges Haus; na, alles gut und wohl, bringt aber nichts ein, 850 Mark Miete, ist auch allerhand, dazu kein bestimmtes Einkommen, na, das kann gut werden.“ (Dora Banning in einem Brief an Käthe vom 28.10.1915)


Dora Banning, Mutter von 11 Kindern und in Erwartung des 12. Kindes, litt unter den Verhältnissen, die zum Abschied von Riswick führten. In ihren Briefen an Käthe zeigte sie ihren ganzen Schmerz.

„Heute habe ich geweint, und wenn ich Dir sage, warum, dann lachst Du, oder kannst Du es verstehen? Es fiel mir nämlich Dein Aufsatzheft in die Hand, wo die Aufsätze verzeichnet sind, die wir zusammen gearbeitet haben, und da gedachte ich der schönen Zeit und der Hoffnungen, die wir hegten. Du weißt ja, wie hart ich bin, aber es stieg mir so heiß in die Augen.“ (Dora Banning in einem Brief an Käthe vom 29.09.1915)


An Weihnachten 1915 kam es nicht, wie geplant, ein letztes Mal zu einem Zusammentreffen der gesamten Familie. Hermann und Käthe kehrten nicht nach Kleve in den Kreis ihrer Eltern und Geschwister zurück. Die Vorfreude auf dieses Zusammensein war besonders bei Dora Banning sehr groß:

„Also Hermann wird Weihnachten kommen, so lange muss Du auch Dein Heimweh bezwingen, dann seid Ihr alle mal so schön zusammen, das ist etwas, was wert ist, sich darauf zu freuen.“ (Dora Banning in einem Brief an Käthe vom 21.11.1915)


Käthe war bis zum plötzlichen Tod ihrer Mutter wahrscheinlich nicht mehr im Elternhaus. Aber es gibt einen kleinen Hinweis in den Briefen, dass sich die gesamte Familie im August bzw. September 1915 noch einmal in Riswick getroffen haben könnte. Dora schreibt an Käthe von einem letzten gemeinsamen Familienfoto, das der 11jährige Heini von der Familie gemacht haben soll.

„Heini hat Sonntag auch neue Aufnahmen von Willi machen müssen, die Beine waren schon gut getroffen, aber die übrige Gestalt wie eine Sonnenfinsternis. Auch die Aufnahme von den „elf“. Gerade auf der Stelle, wo Du stehst, ist ein runder Fleck. Schade. Gott weiß, ob ich noch alle zusammen sehe!“ (Dora Banning in einem Brief an Käthe vom 29.09.1915)



Käthe Banning 1918
Es muss für Dora einerseits bitter gewesen sein, dass die beiden Ältesten nicht mehr zurückkehrten, aber andererseits war sie froh darüber, dass sie das Familiendrama nicht mit erleben mussten.

„Es ist hier die reinste Gastwirtschaft. Vater bringt alle Fingerling einen anderen Bekannten mit und dann kann ich springen und komm’ mit meiner Zeit und meinen Vorräten zu kurz.“ (Dora Banning in einem Brief an Käthe vom 21.11.1915)


Dora Banning wurde zunehmend verzweifelter.

„Und dann, jeder kleine Mann hat sein eigenes Dach über dem Kopfe, nur ich nicht! Wozu habe ich nun mein schönes Vermögen gehabt? Letzte Zeit werde ich manchmal fast verrückt. Ich fürchte mich, abends zu Bett zu gehen, kann vor lauter Sorgen nicht schlafen. Wie muss das alles noch enden!“ (Dora Banning in einem Brief an Käthe vom 17.01.1916)


Und am Ende machte sie einen fatalistischen Eindruck und schien ihr Schicksal angenommen zu haben.

„Hier ist sonst noch alles dasselbe, auch Vater! Bete doch nur recht fleißig, hier kann nur noch der liebe Gott helfen.“ (Brief von Dora Banning an Käthe vom 28.01.1916)



Niederrheinisches Motiv
Wenige Wochen später, am 5. März 1916, verstarb Theodora Banning nur drei Tage nach dem 50. Geburtstag von Heinrich Banning. Käthe kehrte, nachdem sie die Nachricht vom Tod der Mutter erhalten hatte, sofort nach Kleve zurück, um von der Mutter Abschied zu nehmen und um der Familie beizustehen. Aber dann musste sie wieder nach Zülpich, wo sie in einem festen Arbeitsverhältnis stand. Rückblickend mag man sich fragen, warum Käthe als älteste Tochter nach dem Tod der Mutter nicht dauerhaft ins Elternhaus zurückkehrte, um die Familie zu versorgen und damit zusammenzuhalten. Ein Grund lag sicherlich in dem zerrütteten Verhältnis zwischen Vater und Tochter. Käthe war

„immer hart und unnachgiebig gegen ihren Vater, aber sehr freundlich anderen Menschen gegenüber. Und für die Landwirtschaft hatte sie kein Interesse, sie war also ein Stadtmensch.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.11.1982)



Bahnhof Kleve zur Kaiserzeit
So kehrte Käthe mitten im Krieg nach Zülpich zurück, voller Trauer über den Tod der Mutter und in sorgenvollen Gedanken, ihre Geschwister beim Vater zurückgelassen zu haben. Nachdem Käthe 1918 in der Molkerei in Zülpich gekündigt hatte, hielt sie sich nur kurze Zeit in einer Molkerei in Gelsenkirchen-Buer auf.

„Da gab es wohl Unstimmigkeiten, und dann kam sie wieder nach Hause.“ (Paula Barthel am 09.04.1982 in einer Tonbandaufnahme)


Das durch den Tod der Mutter verursachte zerrüttete Verhältnis zwischen Käthe und ihrem Vater lässt sich daran erkennen, dass Käthe nicht wollte, dass ihr Vater über einen späteren und letzten Aufenthalt im Elternhaus Bescheid wusste.

„Käthe ist irgendwann zwischen 1918 und 1920 noch einmal vierzehn Tage zu Hause gewesen. Unser Vater hat das nicht wissen sollen. Der kam ja nur sonntags nach Hause, und sie ist dann nach oben gegangen und hat sich versteckt. Und anschließend ist sie dann nach Thüringen.“ (Paula Barthel am 09.04.1982 in einer Tonbandaufnahme)



Kleve, Gruftstraße, 2008. Das Haus liegt direkt am Kurpark in einer der schönsten Gegenden der Stadt Kleve
In Kleve galt Heinrich Banning als „bankrotter“ Bauer. Das Haus in der Gruftstraße konnte er nach dem Tode seiner Ehefrau wirtschaftlich nicht mehr halten. Die Familie zog in die Gärtnergasse, damals eine der ärmsten Gegenden der Stadt Kleve. Die Familie Banning zerfiel. Obwohl Käthe ihren Vater in den 30er und 40er Jahren regelmäßig finanziell unterstützte, schien sie ihn seit dieser Zeit gehasst zu haben, denn sie machte ihn persönlich für den Verlust des Hofes und des Betriebes, den Tod der Mutter und die sich daran anschließende leidvolle Zeit verantwortlich.

Käthe hätte, wie ihre Schwestern, in den guten Zeiten sicherlich auch Anspruch auf eine Mitgift gehabt, denn Bannings zählten zu den wohlhabenden niederrheinischen Großbauern. Daran war nun nicht mehr zu denken. Sie wäre auch gerne in Kleve geblieben, hätte als Kontoristin dort auch sicherlich eine Stelle gefunden, aber der Makel, Tochter eines bankrotten Landwirts zu sein, bewegte Käthe dazu, die niederrheinische Heimat zu verlassen. Käthe hat ihren Vater nicht mehr mit Vater oder Papa angeredet.

Der Niederrhein
Sie sprach von „Heinrich“ und verbot ihren Töchtern, den Opa in der ärmlichen Wohnung in der Gärtnergasse zu besuchen. Käthe hat es ihrem Vater sehr übel genommen, dass Riswick verloren ging und sie das Lyzeum, das sie sehr gerne besucht hatte, verlassen musste. Der Verlust von Riswick war auch ein Abschied von Kleve, einer Stadt, in der sich Hermann und Käthe sehr wohl gefühlt haben. Käthe hat das Grab ihres Vaters auf dem Klever Stadtfriedhof niemals besucht, an das Grab ihrer Mutter ist sie anlässlich ihrer Besuche in Kleve in den 20er, 30er und 40er Jahren jedoch nach Auskunft meiner Mutter regelmäßig gegangen.



IV. Der Tod der Mutter


Theodora Banning (1869-1916)
In den Kriegsjahren musste die Familie Heinrich Banning Abschied von Riswick nehmen. Der Hof war verschuldet. Die Ersparnisse und das Vermögen einschließlich der Mitgift von Dora Banning und ihr Vermögen aus dem Verkauf des elterlichen Hofes in Niedermörmter waren verbraucht. Hermann und Käthe mussten im Frühjahr 1914 das „Katholische Lyzeum“ in Kleve verlassen.

Hermann wurde eingezogen, und Käthe nahm in Zülpich bei Aachen, wohin Dora Banning ihre älteste Tochter Ende Juni 1915 begleitete, eine Kontoristenstelle in einer Molkerei an.

„Bin wohlbehalten hier wieder angekommen. Vater holte mich von der Bahn ab, hatte mich seit 4 Uhr erwartet, und ich kam erst gegen halb neun, er hatte also 5 Stunden herumkutschiert, das Weitere kannst du dir denken.“ (Dora Banning in einerm Brief vom 30.03.1914)




Heinrich Banning (1866-1946)
Paula, die 1913/1914 in Kempen bei Kleve bei ihrer Tante Albertine lebte und dort die höhere Schule besuchte, kehrte nach Riswick zurück. Paula hing gleichermaßen an Mutter und Vater. Bevor sie Allerheiligen 1913 auf Besuch nach Riswick zurückkehrte, ermahnte sie Dora mit den Worten:

“Wenn du recht lustig bist und keine Tränenbächlein vergießt, darfst Du Allerheiligen nach Hause zurück-kehren.“ (Dora Banning in einem Brief vom 20.10.1913)


Paula stand nach dem Weggang von Hermann und Käthe der Mutter zur Seite. Dora Banning trauerte zwar um ihre beiden Ältesten, war aber froh darüber, dass Hermann und Käthe das „Wirrwarr“, welches der „Verlust von Riswick“ mit sich brachte, nicht mit erleben mussten.

„Ich habe mich schon etwas daran gewöhnt, dass Hermann fort ist, aber die ersten Tage gingen meine Gedanken immer wie im Kreise, sie kamen immer wieder bei Hermann aus. Weshalb, ich könnte es nicht sagen, ich habe ihn nicht lieber wie die anderen, aber ich hatte an ihm einen gewissen Halt und Stütze, und dann war er auch so „anders“ wie die übrigen.“ (Dora Banning in einem Brief vom 30.03.1914)
Paula hat „vieles bewusst miterlebt- ich war sehr neugierig, meine Mutter hat mich oft getadelt.“ (Brief von Paula Barthel vom 24.01.1984)
Aber Paula war später sehr verärgert darüber, „dass meine Mutter in den Briefen an Käthe immer so abschätzig von mir spricht.“ (Tonbandaufnahme Paula Barthel vom 09.04.1982)



Familienfoto Banning 1911: v.l. Paula, Nora, Mutter Dora Banning mit Otto auf dem Schoß, Vater Hein Banning mit Carl, Theo, Heini, Käthe mit Ottilia. Oben: Mia und Hermann.

Paula Banning 1911
Aber auch in den Briefen von Dora Banning an Paula ist doch erkennbar, dass Paula im Gegensatz zu Hermann und Käthe einen schwereren Stand hatte. Paula hatte offensichtlich den Geburtstag ihres Vaters am 3. März 1914 vergessen, so dass ihre Mutter ihrer Tochter in einem Brief das Vergessen von Papas Geburtstag mit folgenden Sätzen vorwarf:

„Sa meinten wir, schon Wunders was geleistet zu haben, dass wir zu Tantes Geburtstag eine Karte mit ein paar Wörtern geschrieben hatten, zumal eine gewisse Paula nicht an Papas Geburtstag gedacht hat, und besagte Paula außerdem auch wohl mal zuerst hätte einen langen Brief schreiben können, die hat doch wohl etwas mehr Zeit wie Mama.“ (Brief von Dora Banning an Paula vom 30.03.1914)


Heinrich Banning wurde durch die Machenschaften seines Bruders aus der Bahn geworfen. Die Vorstellung, fortan unter dem Makel eines bankrotten Bauern leben zu müssen, nahm ihm jedes Vertrauen in die Zukunft. Aber die Familie versuchte dennoch nach dem Weggang von Hermann und Käthe zusammenzuhalten.

„Die beiden Kerlchen Hein und Titz tun schon ihr Bestes, seine Stelle zu vertreten, werden an gewisser Stelle auch gehörig angeranzt, na, Du kennst das.“ (Brief von Dora Banning an Käthe vom 29.09.1915)



Carl Banning (1875-1953)
Aber Dora Banning machte ihren Ehemann für den Verlust des Hofes und des Betriebs verantwortlich.

„Ich beginne bald zu verzweifeln, bete doch nur, nur der liebe Gott kann noch helfen.“ (Brief von Dora Banning an Käthe vom 04.07.1915)


Sie empfand den sozialen Abstieg besonders hart und ungerecht und bekam Furcht bei der Vorstellung, künftig in der Stadt leben zu müssen. Die Entwicklung ging offenbar über ihre Kräfte. Der Satz,

„dass mir das Vater antun musste!!“ (Brief von Dora Banning an Käthe vom 28.10.1915)


zog sich wie ein roter Faden durch die Briefe von Dora Banning an Käthe. Als Carl Banning (1875- 1953) aus Keppeln, jüngster Bruder von Heinrich Banning, sich am 3. März 1916, dem 50. Geburtstag seines Bruders Heinrich Banning, von Paula mit den sorgenvollen Worten in der Gruftstraße verabschiedete:

"Dern, pass gut auf Mutter auf" (Tonbandaufnahme Paula Barthel vom 09.04.1982)


lag Theodora Banning schon fest zu Bett. Den Kindern erklärte man ihre Krankheit mit einer "Influenza", aber in Wirklichkeit war sie an einer Unterleibsentzündung erkrankt, die deswegen zu Komplikationen führte, weil Dora Banning zu dieser Zeit ihre 12. Schwangerschaft austrug. Paula schlief in diesen Nächten bei der Mutter, die sich der Schwere ihres Zustandes bewusst war:

"Dern, wenn ich sterven muss, will ich nicht hier begroave werden." (Gespräch mit Paula Barthel am 21.12.1984)


Bei diesen Worten gingen ihre Gedanken zurück nach Niedermörmter, in die heile Welt, in das Paradies ihrer Jugend, und nach Riswick, dort, wo sie mit ihrer immer größer werdenden Familie auf dem eigenen Besitz glücklich lebte. Kleve war für Dora Banning Symbol des Niedergangs, der Verarmung und der Einsamkeit.

„Und dann, jeder kleine Mann hat sein eigenes Dach über dem Kopfe, nur ich nicht! Wozu habe ich nun mein schönes Vermögen gehabt?“ (Brief von Dora Banning an Käthe vom 17.01.1916)


In Niedermörmter oder in Riswick und nicht in Kleve wollte sie ihre letzte Ruhe finden. Als es Dora Banning in den Morgenstunden des 5. März 1916, einem Sonntag, immer elender ging, wurden ein Arzt, ein Pater und eine Hebamme in die Gruftstraße gerufen. Der Arzt war gerade in der hl. Sonntagsmesse, und es dauerte, bis er eintraf. Dora Banning war eine gute und gläubige Katholikin.

„Bete doch nur recht fleißig, hier kann nur noch der liebe Gott helfen!“ (Brief von Dora Banning an Käthe vom 17.01.1916)


Sie bekam noch rechtzeitig die heiligen Sterbesakramente. Nachdem der Pfarrer bei ihr gewesen war, schickte man Paula gegen den Wunsch der im Sterben liegenden Mutter in die Küche, mit dem Auftrag, einen starken Kaffee aufzubrühen. Wahrscheinlich rechnete man jeden Augenblick mit dem Schlimmsten. Nach kurzer Zeit kamen der Vater, der Arzt, der Pater und die Hebamme die Treppe hinunter, und Paula stürzte in das Zimmer der Mutter und war erschüttert, als sie die vor wenigen Minuten verstorbene Mutter noch mit geöffneten Augen auf dem Sterbebett liegen sah. Keiner der bei ihrem Tod Anwesenden hatte ihr die Augen und den Mund geschlossen. Diesen letzten Dienst an der Mutter musste die noch nicht einmal 16jährige Paula vollziehen. Theodora Banning starb infolge von Komplikationen bei ihrer 12. Schwangerschaft. Das Kind, das sie unter dem Herzen trug, war sechs Monate alt, wurde tot geboren und mit der Mutter im Sarg im Sterbezimmer aufgebahrt.
Nachbarn und Familienangehörige erwiesen ihr im Laufe des Tages mit einem stillen Gebet die letzte Ehre. Käthe kehrte noch am gleichen Tag mit dem Zug aus Zülpich nach Kleve zurück. Hermann blieb zunächst unerreichbar. Erst im Sommer 1916, drei Monate später, kam Hermann, „Mutters Kind“, wieder nach Kleve. Durch Kriegserlebnisse war er inzwischen offenbar so an das Sterben und den Tod gewöhnt, dass er nach Aussagen seiner Schwester Paula den Tod der Mutter wider Erwarten sehr gefasst aufnahm. Die dreijährige Karola begriff selbstverständlich noch nicht, dass die Mutter tot war. Man fand sie am Tag nach dem Ableben der Mutter an deren offenen Sarg. „Lola“ sprach mit ihr und berührte ihren leblosen Körper. (Käthe Neumann im September 1969 in einem Gespräch mit ihrer Schwester Karola Krauß in Berlin)

Es gibt von Käthe eine Version über das Sterben und den Tod der Mutter, die unbewiesen ist, die aber erklärt, warum das Verhältnis zwischen Heinrich Banning und seiner ältesten Tochter zeitlebens gestört war.

„Du hast sicherlich recht, wenn Du bemerkst, was für ein Schicksal diese Frau erlitten hat. Ich habe durch Tante Karola vor einigen Jahren einmal eine Version über ihr Ende gehört, die aber so traurig ist, dass ich mich niemals gewagt hätte, sie bei Deiner Mutter (auf) ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen. Tante Karola berief sich als Quelle auf meine Großmutter, die ihr einmal gebeichtet hat, dass Heinrich Banning seine schwangere Frau wenige Tage vor ihrem Tode sehr schlecht behandelt haben soll.“ (Henning Lauterbach in einem Brief an Irmgard Barthel vom 10.02.1981)



Nach dem Tod von Dora Banning sollen die Geschwister des Vaters in der Gruftstraße „alles ausgeräumt“ (Paula Barthel) haben. Sie nahmen offenbar gute Wäsche, wertvolles Porzellan, Möbel und andere Dinge von Wert als Gegenleistung für Schulden, die Heinrich Banning ihnen gegenüber hatte.
Allerdings hatten die vier Geschwister Maria Mulder, Cornelia Hünnekes, Cäcilia Hardering und Eleonora Schmitz durch den Konkurs von Riswick, für den sie Hermann und Heinrich Banning verantwortlich machten, auch viel Geld eingebüßt.

„Durch diese hohen Schulden gingen die vier Geschwister leer aus und waren damit enterbt. Meine Mutter hat das so schwer mitgenommen, dass sie davon krank wurde und hat es mit ins Grab genommen.“ (Brief von Karl Hünnekes vom 25.03.1982)



Todesanzeige von Theodora Banning geb. Hülsken (1869-1916)
Die Not, in der sich die Bannings seit knapp zwei Jahren befanden, verschlimmerte sich durch den Tod der Mutter, die am 9. März 1916 auf dem Friedhof in Kleve zu Grabe getragen wurde.




Niederrheinische Beerdigung



V. Zerfall der Familie

Heinrich Banning wollte nach dem Tod seiner Frau die Riswicker Magd Marie („Mariechen“) heiraten, damit die Familie zusammenbleiben konnte, nahm aber von diesem Plan wieder Abstand. (Nora Hiermes am 26.12.1987 in einem Telefongespräch)

Das herrschaftliche Haus in der Gruftstraße musste nach zwei Jahren aufgegeben werden, und Heinrich Banning zog mit seinen Töchtern Paula und Maria und mit den Söhnen Heinrich und Theodor in die Gärtnergasse.


Heinrich Banning

„Wir waren arme Söcks, wir übriggebliebenen, wo Mutter gestorben ist.“ (Tonbandaufnahme Paula Barthel vom 09.04.1982)


Die anderen Geschwister wurden von der Familie getrennt und von verwandten bzw. befreundeten Familien für einige Jahre aufgenommen. Frau Luibs aus Niedermörmter, die beste Freundin von Dora Banning, nahm die erst dreijährige Carola auf. Die knapp sechsjährigen Zwillinge Otto und Ötti kamen zu Familie Hardering nach Obermörmter, und Carl fand Aufnahme bei Familie Hünnekes in Materbrorn. Nora kam zu Familie Schmitz nach Kranenburg und wechselte nach eigenen Angaben insgesamt siebenmal die Schule, hielt sich einmal in Kleve und dann wieder auf dem Lande auf. (Telefongespräch mit Nora Hiermes am 26.12.1987)
Hermann kehrte nach dem Krieg nicht nach Kleve zurück, sondern wurde in Köln sesshaft, und Käthe ging Ende 1918 als Molkereibuchhalterin nach Gebstedt bei Weimar. Die „mittleren Geschwister", d.h. Paula, Mia, Heini, Theo („Titz“) trugen während des Zusammenlebens mit dem Vater, der in den Jahren nach dem Verlust des Hofes als Arbeiter auf einer Zeche im nahegelegenen Ruhrgebiet Geld zum Unterhalt der Familie verdiente, die schwerste Last. Paula, die schon während. der Umbruchzeit 1914/16 die wichtigste Hilfe der Mutter war, und Mia wuchsen neue Aufgaben zu. Die vier Geschwister blieben beim Vater und erlebten die Aufgabe des Hauses in der Gruftstraße und den weiteren sozialen und wirtschaftlichen Abstieg in die Gärtnergasse mit.


Theo ("Titz") um 1919 (links)
Die Abneigung der beiden ältesten Kinder, Hermann und Käthe, dem Vater gegenüber, ja sogar der Hass von Käthe auf ihren Vater, war sehr groß, zumal auch das Gerücht innerhalb der Familie aufkam, dass Heinrich Banning im März 1916 für die Schwangerschafts-komplikationen seiner Ehefrau, die schließlich zu ihrem Tod führten, nicht nur indirekt, sondern auch direkt verantwortlich gewesen sein soll.

Paula und Mia blieben auch später, nachdem sie Mitte der zwanziger Jahre geheiratet hatten, die verlässlichsten Stützen der Familie. Paula heiratete 1925 nach Dinslaken und nahm Hein und Karola zu sich. Später holte Käthe ihre jüngste Schwester Karola zu sich nach Mitteldeutschland. Mia blieb in Kleve und brachte in dem Familienbetrieb

Carl und Nora Banning 1920
ihres Mannes Emil Merges ihre drei Brüder Titz, Carl unter Otto unter. Auch um ihre Schwestern Nora und Ötti hat sich Mia gekümmert, beide führten nach Paulas und Mias Verheiratung den Haushalt des Vaters in der Gärtnergasse. Das Verhältnis von Nora zu ihrem Vater war offensichtlich auch sehr gut.

„Meine erste hl. Kommunion werde ich nie vergessen, das war in Kranenburg 1917. Ich war sehr glücklich an diesem Tag, mein Vater kam zu Besuch, es war schon eine schöne Zeit trotz Krieg.“ (Nora Hiermes in einem Brief vom 09.02.1983)


Hendrika Banning geb. Meurs
Mia Merges kümmerte sich besonders intensiv um ihren Vater, den Großvater ihres einzigen Sohnes. Opa Banning kam


„morgens zum zweiten Frühstück und ging erst nach dem Abendbrot. Im Sommer half er in Materborn auf dem Hof bei der Ernte. Ich war ein oder zweimal mit ihm bei Hermann Banning. Opa war für mich ein Teil meines Lebens in meiner Kindheit. Ich weiß noch, dass er sonntags nach dem Hochamt in Kleve in einer bestimmten Wirtschaft seinen Köm und sein Bier trank, bevor er zu uns zum Essen kam. Sonntags rauchte er nach dem Essen immer eine Zigarre, sonst war es sein Pfeifchen. Im Krieg rauchte er Tabak Feldmark.“ (Adolf Merges in einem Brief vom 04.06. 1986)




Hermann und Hendrika Banning 1927

„Er trocknete Kastanien und Nussblätter und dampfte sie aus seiner Pfeife. Opa Banning ist ein Stück meiner Kindheit. Er war für mich ein Mann, der an seinem Schicksal nie zweifelte. Er war für mich immer da. Mit Tante Ötti war ich öfter bei ihm in der Gärtnergasse. Er hatte ein Faible für alte Schuhe. Er konnte keine wegtun und bekam von Tante Nora immer wieder abgelegte Schuhe ihrer Herrschaft. Die standen dann in Reih und Glied an der Wand entlang. Er lebte ärmlich, aber zufrieden.“ (Adolf Merges in einem Brief vom 04.06. 1986)


„Zwischen den beiden Brüdern ist es nie zu einer Versöhnung gekommen, trotzdem es mein Vater immer versucht hat. Großmutter hat nie mehr den Hof betreten, denn sie wurde von Onkel Hermann ferngehalten. Ich habe meine Großmutter öfter besucht, und sie freute sich über meinen Besuch, Tante Treka war immer nett zu ihr, und Onkel Hermann zog sich immer zurück, habe ihn nie zu Gesicht bekommen.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982)



Katharina Banning geb. Paeßens (1837-1920)
Hermann und Henrika Banning hatten auch ein schweres Los zu tragen. Ihr im Juli 1893 geborener Sohn Gisbert lebte nur drei Monate, und danach blieb die Ehe kinderlos.

Die Großmutter zog 1902 mit der Familie ihres Sohnes Heinrich von Till nach Riswick. Als sich die großen Schwierigkeiten um den „Verlust von Riswick“ abzeichneten, wurde sie im Jahre 1915 von ihrem Sohn Hermann in dessen Haus, das sich ebenfalls in Riswick befand, geholt. Angeblich durfte die Großmutter keinen Kontakt mehr zu ihren Enkel haben. Heinrich und Dora, die mit der Mutter bzw. Schwiegermutter fast 20 Jahre in einem Haushalt lebten, litten unter der Trennung von „Groß“.

Todesanzeige von Katharina Banning geb. Paeßens (1837-1920)

„Onkel und Tante wissen wohl noch nicht, dass wir verkauft haben, auch noch wohl nicht, wo Großmutter ist. Sie hätten wenigstens nichts davon verlautet, und Vater mochte nicht darüber anfangen, weil dort neutraler Boden, und er sich vielleicht zu Äußerungen hinreißen ließe, die er später bereute.“ (Brief von Dora Banning an Paula vom 30.03.1914)



Allerdings wurde „Groß“ im Haushalt ihres kinderlosen Sohnes Hermann besonders von ihrer Schwiegertochter Hendrica Banning geb. Meurs gut versorgt.

Johann Hardering und Cäcilia Banning 1894
Tante Treka, Hermanns Frau, war eine gutmütige Frau und zog Johannes und Martha Banning aus Keppeln und Maria und Joseph Hüsgen aus Kempen groß, deren Mütter (Hendrina Banning geb. van den Boom und Albertine Hüsgen geb. Banning) 1908 bzw. 1914 verstorben waren. Dort verlebte „Groß“ ihre letzten fünf Lebensjahre.

„Meine Großmutter war taub und ein wenig stumm.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982)


Im Jahre 1920 verstarb sie hoch betagt in Riswick. An ihrer Beisetzung auf dem Qualburger Friedhof nahm auch Heinrich Banning teil. Für ihn war es eine traurige Rückkehr nach Riswick, denn der landwirtschaftliche Betrieb und die hygienische Molkerei befanden sich seit fünf Jahren in den Händen eines anderen Großbauern. Im Jahre 1920 bei der Beerdigung der Großmutter Banning, an der auch Paula teilnahm, muss es in Riswick zu einer Zusammenkunft beider Brüder gekommen sein, aber auch später zog es Heinrich Banning hin und wieder aus Kleve ins nahe gelegene Riswick, aber zu einer klärenden Aussprache bzw. zu einem versöhnlichen Schlussstrich unter das Kapitel „Riswick“ ist es zwischen den beiden Brüdern Hermann und Heinrich Banning niemals gekommen.

Onkel Hermann hatte bei uns (bei Hünnekes in Materborn) Hausverbot, weil er seinen eigenen Bruder Heinrich und dessen Familie auf die Straße gesetzt hat, durch den Verkauf des Hofes.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 01.03.1982)



Johann und Cäcilia Hardering 1944

„Onkel Hein war, als er in Kleve wohnte, dreimal in der Woche bei uns auf dem Hofe in Materborn, mein Vater sorgte immer für eine Abwechslung, denn er war manchmal sehr traurig.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982))


„Ich war ein oder zweimal mit ihm bei Hermann Banning, ob das nun Riswyk oder Kellen war, weiß ich nicht mehr. Nach Materborn hat er mich auch mitgenommen, aber die Erinnerung daran war nicht bleibend. Ich weiß nur noch, dass er sich mit meiner Mutter abwertend darüber unterhalten hat.“ (Adolf Merges in einem Brief vom 04.06.1986)


Heinrich Banning unterhielt in den 20er, 30er und frühen 40er Jahren bis zu seinem Tod enge Beziehungen zur Familie seiner Schwester Cornelia Hünnekes und zu seinem früh verwitweten Bruder Carl Banning aus Keppeln.
An der Hochzeit seines Neffen Karl Hünnekes im Jahre 1936 nahm er ebenso teil wie an der „Goldenen Hochzeit“ seiner Schwester Cäcilia Hardering 1944 in Obermörmter.

Hochzeit Karl Hünnekes 1936: 3.R.v.l, Heinrich u. Carl Banning



Johann u. Cäcilia Hardering 1944, links neben Johann Hardering sitzt Heinrich Banning



Heinrich Banning um 1940 mit den Töchtern von Andre Merges
Um 1940 reiste er sogar für einige Zeit nach Boppard, wo seine Tochter Nora im Jahre 1939 Hans Hiermes, den sie auf einer ihren vielen „Kraft-durch-Freude-Reisen“ (KdF) kennen gelernt hatte, heiratete.
Nachdem seine Heimatstadt Kleve in den Nachmittagsstunden des 7. Oktobers gegen 13:40 Uhr von 335 englischen Flugzeugen mit 1728 t Spreng- und 90 Zentner Brandbomben, die den Stadtkern zerstört hatten, angegriffen worden war, holte ihn sein Sohn Heinrich nach Dinslaken, wo er das Kriegsende erlebte. Den nächtlichen Angriff vom 7. Februar 1945, auf den Tag ein Jahr vor seinem Tod, der die bis dahin im Wesentlichen verschont gebliebene Oberstadt verwüstete, überlebte Heinrich Banning. Zwei Angriffe genügten, um die 700jährige Stadt innerhalb von 30 Minuten bis zu 80 Prozent zu zerstören und etwa 800 bis 1000 Menschen zu töten.

Heinrich Banning, „Papa“, „Opa“ oder einfach nur Hein genannt, war in Dinslaken nahe bei seiner Lieblingstochter Paula, die zeit seines Lebens „Vaters Jung’“ blieb.

„Großvater war ein alter Mann- eine Respektperson- der, wenn er sonntags zur Kirche nach St. Vinzentius ging, vorher oft zu uns kam und sich hauptsächlich mit unserer Mutter unterhielt. Mutter hat ihn immer erwartet. Großvater, ein ruhiger, wohl freundlicher Mann, im Sonntagsanzug, war für mich unnahbar. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mich persönlich wahrgenommen hat. Wir haben ihn begrüßt und dann wollten die Erwachsenen unter sich bleiben.“ (Ulla Büttgen in einem Brief vom 12.02.2008)



Heinrich Banning, Dinslaken Herbst 1945
In seinem Todeskampf ging Heinrich Banning in Gedanken zurück nach Till-Moyland. Er dachte an den Tag im Juni 1896, als er vor dem Standesamt in Appeldorn Theodora Hülsken aus Niedermörmter zur Frau nahm und an die elf Kinder, die ihm seine Frau geboren hatte.

Er blickte zurück in die Zeit, als er in Till und Riswick als tüchtiger "Buur" geachtet wurde. Welche Betriebsamkeit herrschte um die Jahrhundertwende in dem rund fünfhundert Seelen zählenden Dorf Till-Moyland, als die Preußische Staatsbahn die Eisenbahnlinie zwischen Kleve und Duisburg legte. Die neue Linie verlief direkt durch Till- Moyland, wo auch eine Bahnstation (zwischen Kalkar und Kleve) eingerichtet wurde.

Seine Gedanken gingen weiter in jene Zeit, als er sich den Zorn des Qualburger Pastors zuzog, weil er Veranstaltungen der antikatholisch eingestellten Nationalliberalen Partei besucht hatte.


Gaststätte "Zum Erfken" zwischen Till-Moyland und Qualburg
Seine gute alte Laura erschien vor seinen Augen, und er schmunzelte bei dem Gedanken, wie sie ihn stets zuverlässig vom "Erfken", einer direkt am Rheindeich liegenden Schankstube, zum Hof nach Riswick gefahren hat, während er auf dem Kutscherbock ein Nickerchen hielt. In Gedanken hörte er noch einmal das Lachen der Kinder, von denen einige ihm später manche Verletzung bereiteten. Er dachte an seine Kinder, wenn sie in Riswick "Molkerei" oder "Rettender Engel" (Paula und Mia „ertranken" im Entenpool, „Fräulein“ Käthe war der "rettende Engel" und bewahrte sie vor dem „Ertrinken“ und Hermann "führte Regie“) spielten. Er hörte den Schreckensschrei von Käthe, die einmal beim Spielen einen schlafenden Landstreicher hinter einer Hecke entdeckte. Er dachte auch an seine vor 30 Jahren so plötzlich verstorbene Dora, die Mutter seiner 11 Kinder. Schmerzhaft gingen seine Gedanken zurück zur eigenen Mutter, die der Bruder Hermann, schon als sie hoch betagt war, 1915 von seinem Hof geholt hat und die fortan Riswick nicht mehr betreten durfte, obwohl "Oma", wie sie von den einen, oder "Groß", wie sie von den anderen Enkelkindern gerufen worden ist, so gern inmitten der großen Kinderschar auf Riswick gelebt hatte.

Wehmütig wird er sich überlegt haben, wie gut alles hätte werden können, wenn er nicht auf seinen Bruder Hermann, das „Schlitzohr" (so eine Charakterisierung Karl Hünnekes'), hereingefallen wäre. Was wäre geschehen, wenn Riswick Familienbesitz geblieben wäre?


Todesanzeige von Heinrich Banning (1866-1946)
Hermann und vor allem Käthe waren Stadtmenschen und hatten mit der Landwirtschaft nicht viel im Sinn. Paula wäre eine fleißige Bäuerin und Wirtschafterin geworden und hätte wie seine Mutter „Rode Heert“ in Till den Riswicker Hof erfolgreich weiterführen können. Sein zweitältester Sohn Heinrich sollte den Hof der Familie seiner Frau in Niedermörmter, der dann auch noch zum Familienbesitz gehört hätte, übernehmen.
Und so verbrachte er seine letzten Lebensmonate in Dinslaken bei seinem Sohn Heinrich, dessen Frau auch so früh verstorben war.

„Ein einziges Mal habe ich ihn in Alltagssachen, bei Onkel Hein auf dem Hof, wo er Holz hackte, gesehen. Da kam er mir ganz fremd vor. Das war kurz vor seinem Tod.“ (Ulla Büttgen in einem Brief vom 12.02.2008)



Grab Heinrich Banning in Kleve, aufgenommen 1971
Am 7. Februar 1946 verstarb Heinrich Banning aus Till-Moyland, später Riswick und Kleve in Dinslaken in der Wohnung seines Sohnes Hein in der Hünxer Straße 192 nach einem langen Todeskampf an einer Lungenentzündung. Seine letzten Worte galten seinem alten Weggenossen aus der guten Zeit: Er rief im Todeskampf immer wieder den Namen seines alten treuen Hofhundes aus Riswicker Zeiten. Heinrich Banning wurde in Kleve beigesetzt. Seine sterblichen Überreste wurden nur infolge der guten Kontakte seines Sohnes Heinrich Banning (1904-1963) zum damaligen britischen „Stadtkommandanten“ unter abenteuerlichen Umständen im Februar 1946 von Dinslaken nach Kleve überführt und dort in einem Reihengrab beigesetzt. An der Beerdigung in Kleve nahmen seine Töchter Mia Merges mit Ehemann Emil Merges, Nora Hiermes und Ötti Kersten sowie sein Sohn Heinrich teil.

„Die sind über Düsseldorf nach Kleve gefahren. Nora war mit Hein da, ich bin mit Klaus zu Hause geblieben, ich hatte ja meinen großen Haushalt.“ (Tonbandaufzeichnung mit Paula Barthel am 09.04.1982)


„Wir kamen leider zu spät, so dass wir nur zur Messe da waren, es war Hochwasser, und eine Behelfsbrücke über den Rhein (war) nur im Hin- und herverkehr zu befahren, es dauerte lange Zeit bis wir hinüber konnten. Marta (Poen geb. Banning) aus Keppeln war noch da. Sie war ja eine Bäuerin und hätte den armen Dinslakenern mal mit Kartoffeln helfen können, die hatten ja nur Rüben zu essen. Sie erzählte, dass sie 70 Zentner Kartoffeln einpflanzen, so ist die Bannings-Familie eben. Sie erwartete sogar noch einen Leichenschmaus, für Otto Normalverbraucher unmöglich.“ (Nora Hiermes in einem Brief vom 02.09.1982)


Heinrich Banning war

„ein tüchtiger Betriebswissenschaftler in Till sowie in Riyswick, er hatte eine große Stammbuch Herde, Viehzucht und eine hygienische Flaschenmilch-Abfüllung, also wie eine Molkerei, und nebenbei eine Käseabteilung“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.04.1982)


Hätte seine Mutter Katharina Banning im Jahre 1889 beim Kauf des Hofes in Riswick ihre sechs Kinder namentlich ins Grundbuch eintragen lassen,

“dann wäre all’ das Elend der Familie Heinrich Banning erspart geblieben.” (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.04.1982)





VI. Ursache für den Bankrott

Die Ursache der wirtschaftlichen Katastrophe, in die die Familie Heinrich Banning in den Jahren 1914/15 geraten ist, lässt sich bis ins Jahr 1861 zurückverfolgen. In diesem Jahr gingen die Großeltern meiner Großmutter Hermann Joseph Banning aus Grieth, Sohn eines Rheinfischers, und Katharina Paeßens aus Kalkar den Bund der Ehe ein und ließen sich in Till-Moyland nieder.


Hermann Joseph Banning (1819-1889), Selbstporträt
Katharina Banning, Tochter des Großbauern Paeßens aus Kalkar, pachtete von dem Baron van Steengracht einen 25 Hektar großen Hof und stand von Anbeginn bis zur Kündigung des Pachtvertrags an der Spitze von "Rode Heert", wie das Anwesen genannt wurde. Hermann Banning blieb in seinem Metier als Anstreichermeister tätig und war darüber hinaus auch für die Instandhaltung des Schlosses Moyland, Besitz der niederländischen Familie van Steengracht, zuständig.
Mit dem damaligen Schlossherren soll ihn eine enge Freundschaft verbunden haben. Moyland, ein Schloss aus dem 15. Jahrhundert, war seinerzeit über die Grenzen der damaligen preußischen Rheinprovinz bekannt. Das Innere des Schlosses beherbergte eine Gemäldegalerie mit niederländischen Werken des 17. Jahrhunderts. Das in seinen Ursprüngen mittelalterliche Wasserschloss wurde im ausgehenden 17. Jahrhundert im barocken Stil verändert und erweitert. 1740, als es im Besitz der preußischen Krone war, trafen sich dort Friedrich der Große und Voltaire zum ersten Mal. Im Jahre 1766 kaufte die Familie van Steengracht das Schloss, das Mitte des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil umgebaut wurde.

Schloss Moyland
Bis 1945 diente Schloss Moyland der Familie van Steengracht als ständiger Wohnsitz. Nach jahrzehntelangem Verfall begann man 1987 mit ersten Restaurierungen, bis schließlich 10 Jahre später dort ein über Nordrhein-Westfalen hinaus bekanntes Museum (u.a. mit Werken von Joseph Beuys) eröffnet wurde.

„Rode Heert" wurde von Katharina Banning (1837-1920) bewirtschaftet. Der Hof zählte zu den größten des Dorfes, das um 1875 aus 98 Häusern und 538 Einwohnern bestand. Die Wohn- und Wirtschaftsgebäude wurden Mitte des 18. Jahrhunderts gegenüber von St. Vincentius gebaut.


Taufbecken der kath. Kirche von Till-Moyland St. vinzenz
In "Rode Heert" wurden in den Jahren 1862 bis 1877 alle Nachkommen von Hermann und Katharina Banning und später die vier ältesten Kinder von Heinrich und Theodora Banning geboren: Hermann im März 1897, Käthe im Dezember 1898, Paula im September 1900 und Mia im April 1902. Sie wurden in St. Vincentius in Till zur Taufe getragen.
Die Acker- und Viehweideflächen schlossen sich nicht an die Wohn- und Wirtschaftsgebäude an, sondern lagen verstreut in der näheren Umgebung des Dorfes. "Rode Heert" war ein parzellierter landwirtschaftlicher Betrieb.

Die Familie Hermann Joseph und Katharina Banning wirtschaftete erfolgreich. Der jährliche Verdienst eines Handwerkermeisters lag in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei rund 1200,- Mark. Hermann Banning hat demnach als Anstreichermeister in den Jahren 1861- 1889 etwa 34.000,- Mark verdienen können.


Schloss Moyland um 1900
Das jährliche Einkommen, das Katharina Banning auf „Rode Heert“ erwirtschaften konnte, kann mit 1100,- Mark angesetzt werden, vorausgesetzt, dass von den 25 ha bebauten Landes etwa vier Fünftel als Weideland (Fleisch- und Milchwirtschaft) und nur ein Fünftel als Ackerland (Getreide) genutzt worden sind, denn zu dieser Zeit waren die Fleisch- und Milcherträge doppelt so hoch wie diejenigen für Getreide. Die Landwirtschaft brachte demnach in den Jahren 1861- 1889 einen Ertrag von rund 32.000,- Mark. Rechnet man den Verdienst von Hermann und Katharina Banning zusammen, kommt man auf einen Betrag von etwa 66.000,- Mark. Der Aufwand für Nahrungsmittel war gering, da fast alles selbst produziert wurde. Für Kleidung gab man seinerzeit auf dem „platten Land“ nicht viel Geld aus, und zahlreiches Gesindel brauchten die Bannings auch nicht zu beschäftigen, da die zehn Kinder mehr oder weniger stark in die Hof- und Feldarbeit eingespannt worden sind. Einzig die beiden Söhne Hermann und Balthasar, der nach dem Lyzeum die höhere Postlaufbahn einschlug, kümmerten sich nicht um die Landwirtschaft in Till-Moyland.
Jugendfoto Hermann Banning (1864-1950), 3. Reihe, dritter von rechts (mit schwarzem Punkt)


Bannings gehörten in dieser Zeit zu den wohlhabenden Bauern des Rheinlands. Nach meiner Einschätzung kam zu diesem Vermögen noch die beträchtliche Mitgift hinzu, die Katharina Banning aus dem Paeßen'schen Besitz in Kalkar zugefallen ist, so dass Hermann und Katharina Banning in den Jahren 1861 bis 1889 ein Vermögen von rund 100.000,- Mark gebildet haben könnten.


Hermann Banning (1864-1950)
Mit diesem Geld erwarb Katharina Banning einen 25 ha großen Hof von einem Holländer namens Rijswijk vor den Toren von Kleve. Dieser Kauf fiel in das Jahr, in dem Hermann Joseph Banning nach sehr schwerer Krankheit starb, so dass es ungeklärt bleiben wird, ob der Kauf auf Initiative der „alten“ Bannings getätigt worden ist, oder ob sich Katharina Banning erst nach dem Tod ihres Mannes zu diesem Schritt entschloss.
Der Mijnherr Rijswijk, von dem sie den Hof kaufte, gehörte in jenen Jahren zu den großen Grundherren am Niederrhein. Die bäuerlichen Siedlungen (1875: 18 Höfe und Katen mit rund 100 Einwohnern; 1889: 89 Einwohner) vor den Toren Kleves zwischen den Gemeinden Qualburg und Kellen nannten sich nach dem Mijnherrn Rijswijk: Riswick.

Im Jahre 1889 folgten Bannings aus Till-Moyland dem Holländer Rijswijk auf einem Hof in Riswick, aber sie gaben „Rode Heert“ noch nicht auf. Riswick blieb noch bis 1902 verpachtet. In das Grundbuch der Gemeinde wurde der Kauf des Hofes mit dem Vermerk „ Hermann Banning nebst fünf Geschwistern" eingetragen.


Cäcilia Hardering, geb. Banning (1863-1925)
Normalerweise hätte dieser Eintrag ausgereicht, um die Eigentumsverhältnisse klar zu beschreiben. Der Hof wurde damit den sechs ältesten Kindern übertragen. Nicht nur Hermann (1864-1950), sondern auch Maria (1862-1946), Cornelia (1863-1925), Heinrich (1866-1946), Cäcilia (1867-1948) und Nora 1869-1947) sollten von den Pachteinkünften von Riswick profitieren.
Hermann, der älteste Sohn von Hermann Joseph und Katharina Banning, war nicht, wie sein zwei Jahre jüngerer Bruder Heinrich, für die Landwirtschaft geboren. Zunächst war er Soldat beim „2. Westfälischen Husarenregiment“ in Düsseldorf, schlug später eine Verwaltungslaufbahn ein und übernahm dann den Posten eines „Deichgrafen“ und Bürgermeisters von Schneppenbaum. Da Hermann allerdings als einziger namentlich in das Grundbuch eingetragen war, konnte er auf ein besseres Besitzrecht gegenüber seinen Geschwistern verweisen. Er garantierte zwar für den Unterhalt der Mutter, der durch Eintragung ins Grundbuch ein lebenslanges Nießbrauchrecht, d.h. Nutzungsrecht an den Riswicker Einnahmen, eingeräumt worden war, ging aber sehr bald daran, aus seiner günstigen besitzrechtlichen Stellung Vorteile zu ziehen.


Rechnung der Ziegelei Banning
Zunächst verpachtete Hermann den Riswicker Hof für zwölf Jahre. Danach ließ er um die Jahrhundertwende einen kleinen Teil des Grundstückes auf den Namen seiner Ehefrau Hendrika Meurs (1870- 1936) übertragen und baute sich dort ein Wohnhaus mit einer kleinen Landwirtschaft.

Hermann Banning (1864-1950)
Allein durch die Abtrennung einer etwa drei Hektar großen Fläche, möglicherweise ohne Zustimmung der fünf Geschwister, verminderten sich die Pachteinnahmen. Ich vermute, dass letztlich nur noch Hermann einen finanziellen Vorteil aus der Verpachtung des Riswicker Hofes gezogen hat, und dass er dabei nur geringen familiären Widerstand zu bewältigen hatte, denn die am Besitz des Hofes mitbeteiligten Geschwister waren inzwischen gut versorgt: Maria hatte nach Lobith in Holland in die Schankwirtschaft Mulder eingeheiratet, Cornelia (Nelia) war seit 1895 Bäuerin auf dem Hünnekes’ Hof in Materborn, Cäcilia (Cilla) war seit 1894 mit dem Müller Hardering aus Obermörmter verheiratet und Hein, seit 1896 mit Dora Hülsken aus Niedermörmter verheiratet, bewirtschaftete "Rode Heert" in Till- Moyland.
Hermanns wirtschaftliche Aktivität erschöpfte sich jedoch nicht in dem Bemühen, die ihm zufallenden Pachteinnahmen gewinnbringend anzulegen. Dem Aufbau einer Ziegelei ("Sicheley") in Kellen wandte er ebenfalls großes Interesse zu. Zur Finanzierung dieses Kaufes benötigte er einen Kredit, für den er als Sicherheit den Hof in Riswick und eine Bürgschaft seines Bruders Heinrich einbrachte.


Anna Maria Mulder geb. Banning (1862-1946)

„Sie haben in dem Brief das schöne Wort Ziegelei angeschnitten, denn da liegt das Unheil, was über die Familie Heinrich Banning gekommen ist. Die Ziegelei lag aber nicht auf dem Gutshof, sondern in Kellen, und die hatte Onkel Hermann für sich gekauft, und Onkel Hein übernahm die Bürgschaft. Die Ziegelei ging Pleite, und der Konkurs stand vor der Tür und war nicht mehr zu stoppen. Onkel Hermann hatte seine Schäfchen in Sicherheit gebracht, denn was er in Kellen besaß, gehörte seiner Frau, denn da war nichts zu holen. Und nun musste der Hof zwangsweise verkauft werden, nebst dem Hof von Tante Dora in Niedermörmter.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.04.1982)


Hermann Banning führte offensichtlich neben der Bürgschaft seines Bruders auch den Riswicker Hof als Sicherheit an, obwohl er nach dem Grundbucheintrag nicht der alleinige Eigentümer des Hofes war. Rein rechtlich verhielt sich Hermann offenbar korrekt, denn die beim Kauf des Riswicker Hofes gewählte Grundbucheintragung

„Hermann Banning nebst fünf Geschwistern“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982)


räumte ihm die Möglichkeit ein, allein über den Riswicker Besitz zu verfügen. Darüber hinaus gelang es ihm um 1900 seinen Bruder Heinrich zu einer Bürgschaft für einen Kredit zum Kauf der Kellener Ziegelei zu bewegen.


Karl Banning (1875-1953)
Heinrich, der von 1896 – 1902 alleinverantwortlicher Pächter von „Rode Heert“ in Till war und seit 1902 den Riswicker Hof bewirtschaftete, war zwar ein tatkräftiger und erfolgreicher Bauer, verstand aber nicht viel von Finanzgeschäften. Vielleicht ließ er sich schon durch die Zusicherung seines Bruders, ihn zum Kompagnon der Ziegelei zu machen, zu einer Beteiligung an diesem ihm im Grunde fremden Metier überreden. Im Sommer 1902, als Riswick nach zwölfjähriger Verpachtung frei wurde, ließ sich Heinrich Banning von seinem älteren Bruder Hermann auch dazu verleiten, den 25 Hektar großen Pachthof in Till aufzugeben und nach Riswick (100 Morgen) zu ziehen, obwohl „Rode Heert“ in Till wirtschaftlich gut lief.

„Onkel Hein konnte den Hof in Till nicht kaufen, weil die Barone am Niederrhein keine Höfe verkauft haben. Die Barone hier am Niederrhein besitzen alle Höfe, und dafür gibt es eine besondere Klausel. Der Schlitzohrige hat es verstanden, Onkel Hein nach Riswik zu locken, um dort die dunklen Geschäfte durchzuführen. Der Baron von Steengracht hat mir (..) einen Besuch abgestattet. In der Unterhaltung sprachen wir über meinen Onkel Hein, und er sagte, dass sein Vater meinen Onkel gewarnt hätte, nach Riyswik zu gehen, denn er hätte bei ihm den Hof gepachtet für Generationen.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.11.1982)


Die Familie van Steengracht, der auch heute noch das Anwesen "Rode Heert" in Till gehört, versuchte Heinrich Banning als Pächter zu halten, aber sein Entschluss stand fest: der Pachtvertrag zwischen den Bannings und den Steengrachts wurde gekündigt, und die Familie zog, nachdem die jüngsten Kinder von Hermann Joseph und Katharina Banning 1902 das Elternhaus verlassen hatten, nach Riswick auf den eigenen Besitz.

Eingang zur Gaststätte Koenen in Emmerich am Rhein: Emma Koenen und Heinrich Banning waren Geschwister.
Emma heiratete im Jahre 1902 Peter Koenen (1871-1927) aus Till. Die kirchliche Trauung fand im Kölner Dom statt. Trauzeugen waren Emmas Bruder Heinrich Banning und Heinrichs Schwager Wilhelm Hülsken, der 1861 geborene Bruder von Dora Banning. Von 1902-1929 betrieben Koenens eine Gastwirtschaft in Emmerich am Rhein. Die älteste Tochter Helene kam 1944 bei einem Luftangriff auf Emmerich ums Leben. Der jüngste Sohn Max stürzte 30jährig im April 1941 im österreichischen Leithagebirge mit einem Transportflugzeug ab. (Vgl.Wolfgang Lieske, Nachkommen von Everhard Banning)


Balthasar Banning (1871-1962), Gertrud Banning (1878-1962)
Heinrich Banning versprach sich sicherlich durch die Übernahme des Hofes höhere Erträge, ging auch sehr erfolgreich ans Werk, hielt einen beträchtlichen Viehbestand, richtete eine Flaschenmilch-Abfüllung ein, stellte Butter und Käse her und verkaufte seine Produkte in Kleve. Er war einer der Klever

„Bure uett Leeg“ aus der Niederung, die sich jeden Samstag einer alten Tradition folgend in Kleve trafen. Die Buren vaan et Hoog heven dat nitt meet gemaakt.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.04.1982)


Riswick blieb unter seiner Betriebsführung ein gutes Jahrzehnt ein gesunder und ertragreicher Landwirtschaftsbetrieb. Sieben Nachkommen wurden in Riswick geboren: Heini (1904), Titz (1905), Nora (1907), Carl (1908), Otto u. Ötti (1910) und Karola (1913). Riswick wurde zum Symbol einer heilen Welt. Später beklagte Dora:

“Ich habe manchmal schreckliche Sehnsucht nach Riswik.“ (Dora Banning an Käthe am 17.01.1916)



Eleonora Schmitz geb. Banning (1869-1947)
Sicherlich hat die Erinnerung später manches „vergoldet“, denn für die Kinder, die in der Regel Holzschuhe trugen, waren die allmorgendlichen Wege über die unbefestigten Feldwege vom Riswicker Hof nach Qualburg zum Schulbesuch, der mit der hl. Messe in St. Martin begann, beschwerlich. Die Ferien verbrachten die Ältesten oft bei Onkel Balthes und Tante Trautchen in Köln. Balthasar Hyazint Banning war in Köln, später in Bonn Postdirektor und später Postrat. Er schlug wie sein Bruder Hermann eine Verwaltungslaufbahn ein, war aber um ein Vielfaches erfolgreicher als sein älterer Bruder. Gertrud Banning, Tante Trautchen, kam aus „einfachen Verhältnissen“ (Paula Barthel) und war eine sehr energische Frau, die größten Wert auf Etikette legte. Käthe gefiel dies, und sie verstand sich blendend mit ihrer Tante, die sie sehr verwöhnte, aber Paula und Mia verbrachten die Ferien nicht gern in Köln bei Onkel und Tante.

Wenn Besucher kamen, durften die Riswicker Nichten nicht von „Onkel“ und „Tante“, sondern nur von Herrn und Frau Direktor sprechen. Paula und Mia verbrachten die Sommerferien lieber bei der Großmutter „Mutter van den Bosch“ in Niedermörmter. Vor „Onkel“ und „Tante“ hatte man in der Familie Respekt, aber Dora Banning konnte in einem Brief an Käthe ihren Ärger darüber nicht verhehlen, dass Trautchen Paula offenbar als „Hausmädchen“ nach Köln holen wollte.

„Du schreibst, Du hättest Paula erwartet, allerdings hatte die keine Zeit, da hatte Onkel was. Sie musste arbeiten bis dass sie noch gerade recht zum Zug kam, da ist sie nur schnell hierhin gefahren, damit sie nur los kam. Du kennst sie ja wohl: Tantes „Ausnutzungs-Politik“. Nach Ostern sollte sie ganz dorthin, aber ich pfeife denen etwas. Wenn es dann eine gut haben soll, ich oder Tante, so bin ich wohl zuerst an der Reihe. Paula kann nicht genug spotten.“ (Dora Banning an Käthe vom 28.08.1915)


Die Ehe von Onkel Balthes und Tante Trautchen blieb kinderlos, aber in Köln trafen sich in der Zeit vor dem I. Weltkrieg verschiedene Geschwister der „Banning-Generation 1860-1875“.

„Onkel Hyazint habe ich nie bei uns gesehen noch gekannt. Mein Vater hat ihn öfters besucht, wenn er auf der Durchreise durch Köln kam.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982 )



Cornelia Hünnekes geb. Banning
Balthasar war Akademiker und lebte in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen. Köln war der Anlaufpunkt für Familientreffen. Dorthin kam Käthe aus Zülpich, um Onkel und Tante zu besuchen, und Hein Banning begleitete seinen ältesten Sohn Hermann nach Köln, von wo er in den I. Weltkrieg zog. Beim „Ober“ und bei der Tante trafen sich Mitte Dezember 1915 auch Käthe und Paula und übernachteten im vornehmen Postdirektoren-Haushalt (mit Dienstboten). Balthasar und Gertrud Banning starben hoch betagt im Sommer 1962. Onkel Balthes soll das „Sechswochenamt“ für seine kurz vor ihm verstorbene Frau nicht mehr erlebt haben, aber auf ihrer Beisetzung soll er eine ergreifende Grabrede gehalten haben. Ihre Grabstätte befand sich noch in den 70er Jahren auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn.


Käthe Banning 1911

„Vom Nachlass haben wir nichts gehört noch gesehen, wie ich gehört habe, ist alles in fremde Hände gegangen.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 02.03.1982)



Als sich um 1914 der "Pleitegeier" auf Riswick niederließ, bekam Heinrich Banning die Folgen von zwei um die Jahrhundertwende getroffenen Entscheidungen zu spüren. Die Ziegelei, die de jure den beiden Brüdern Banning gehört hat, de facto allerdings nur von Hermann geführt worden ist, hatte keine goldene Zukunft. Möglicherweise war der Boden, auf dem sie errichtet war, an Lehm bzw. Ton nicht reichhaltig genug. Denkbar wäre auch kaufmännisches Unvermögen des Ziegeleibesitzers Hermann Banning, der in diesen Jahren auch verschiedene Ämter in der Gemeinde Schneppenbaum ehrenamtlich ausübte. Entscheidend für die Zukunft der Familie Heinrich Banning war jedoch Hermanns Absicht, die durch das Fiasko mit der Ziegelei entstandenen Lasten weitgehend auf den jüngeren Bruder Heinrich abzuwälzen.

Als Hermann die Raten des für den Auf- und Ausbau der Ziegelei aufgenommenen Kredites nicht mehr zahlen konnte und der Konkurs der Ziegelei unausweichlich wurde, lasteten die Schulden aus zwei Gründen ausschließlich auf den Schultern Heinrich Bannings. Der Konkursverwalter nahm sowohl Zugriff auf den Riswicker Hof, auf dem die Familie Heinrich Banning saß und den Hermann im Alleingang als Sicherheit für den Kredit angegeben hatte, als auch auf die finanziellen Rücklagen der Familie Heinrich Banning, denn als Bürge für seinen Bruder musste Heinrich die anfallenden Schulden übernehmen. Bis Oktober 1915 konnte Heinrich Banning den Riswicker Hof halten, aber dann stand er vor dem wirtschaftlichen Ruin. Dass die Schuldenlast das Leben der Familie Banning stark belastet hat, ist vor allen Dingen in den Briefen zu spüren, die Theodora Banning ihrer in Zülpich lebenden Tochter Käthe geschrieben hat. Die heranrückende Schuldenlawine erschütterte das Familienleben der Bannings. Dora Banning klagte darüber, dass

„Vater mir das antun musste, hier in der Nähe und in der Stadt. Und es hätte so gut anders sein können, wenn er nur wollte, doch was nützen alle (Klagen).“ (Dora Banning an Käthe am 04.07.1915)


Hermann und Käthe mussten im Juni 1914 das Lyzeum in Kleve verlassen, um, wie es auf dem Abgangszeugnis von Käthe verschleiernd hieß, sich im Elternhaus zu beschäftigen. Die Familie war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, das Schulgeld zu bezahlen. Schließlich musste Riswick versteigert werden und kam dadurch in den Besitz der am Niederrhein bekannten Familie Gülcher aus Kleve, die bereit gewesen sein soll, Heinrich Banning als Pächter auf Riswick weiterhin wirtschaften zu lassen. Die Familie Hünnekes, die „besten Familienfreunde" der Riswicker Bannings, unternahm einen letzten Versuch, um den Hof der Familie zu erhalten und bot Gülcher 95.000,- Reichsmark an. Gülcher lehnte das Angebot ab. Heinrich Banning war nicht bereit als Pächter zu wirtschaften und musste den Hof räumen. Die Familie Gülcher verpachtete den „Stiershof“ an einen Gerhard Banning, der mit den Bannings aus Till-Moyland bzw. Riswick aber in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung stand.


Hermann Banning 1911
Am Allerheiligentag 1915 verließ die Familie Heinrich Banning den Hof in Riswick und musste sich von dem Anwesen trennen, das ein Vierteljahrhundert im Besitz der Familie gewesen ist. Besonders Dora Banning litt unter dem wirtschaftlichen und sozialen Abstieg.

„Meine Tante lebte immer gern auf einem großen Fuß, sie trauerte um ihr verlorenes Vermögen und um ihr verlorenes Kind. Käthe hat doch das Lyzeum auf eigenem Wunsch verlassen, um auf dem elterlichen Hof mit zu arbeiten, und doch ist sie in die Fremde gegangen. Ich bin der Ansicht, dass dies den Eltern wehgetan hat. (..)Paula war immer sehr nett zu ihrem Vater, wenn die Großen alle so gewesen wären, dann hätten sie keine Dienstboten nötig gehabt. Tante Dora war ja anderer Meinung. Mein Kommentar: Mann und Frau müssen zusammenhalten, sonst läuft der Betrieb nicht.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 12.06.1082 )



Heinrich Banning bezahlte die „Schlitzohrigkeit“ seines Bruders, seine eigene finanzielle Kurzsichtigkeit und vielleicht auch seinen bäuerlichen Stolz bzw. die Weigerung, auf dem Hof als Pächter weiter zu wirtschaften, mit einem sehr hohen Preis. Vier Monate nach dem Verlust von Riswick musste er seine Frau zu Grabe tragen, er verlor seine bäuerliche Existenz, konnte das Auseinanderfallen seiner Familie nicht verhindern und wurde von seinen Geschwistern und seinen Kindern allein dafür verantwortlich gemacht, das Erbe der Bannings verspielt zu haben. Als einziger seiner Geschwister soll Hermann Banning aus Riswick an der Beerdigung seiner Schwägerin Dora nicht teilgenommen haben, was damals allgemein als Zeichen seines schlechten Gewissens gewertet wurde. Zu allem Unglück wandten sich Heinrichs älteste Kinder Hermann und Käthe von ihm ab und stellten die These auf, ihr Vater habe den Hof „versoffen“. Insbesondere Käthe war


Rechnung Ziegelei Banning

„immer hart und unnachgiebig gegen ihren Vater, aber sehr freundlich anderen Menschen gegenüber. Und für die Landwirtschaft hatte sie kein Interesse, sie war also ein Stadtmensch.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 28.11.1982)






VII. Briefe von Dora Banning an ihre Töchter Käthe u. Paula


Theodora Banning, geb. Hülsken (1869-1916)
Die zum Nachlass von Käthe Neumann geb. Banning (1898-1970) gehörenden Briefe von Theodora Banning wurden in der Zeit von Juli 1915 bis Januar 1916 in Riswick bzw. Kleve geschrieben. Käthe hat über die vielen Jahre und Umbrüche ihres Lebens hinweg diese Briefe gehütet und aufbewahrt. Als ich nach ihrem Tod in einem Lederetui diese Briefe gefunden habe, lagen drei Fotografien darauf: ein Bild ihres Vaters, ein Bild ihrer Mutter und das Familienbild mit den Eltern und ihren neun Geschwistern aus dem Jahre 1911. Bei diesen Dokumenten lag ein kleines Silberkreuz, das Käthe aus ihrer Jugend aufbewahrt hatte und das bedauerlicherweise in den 70er Jahren verloren ging.

Die Briefe von Dora Banning an ihren „Lieblingssohn“ Hermann („Feldpostbriefe“) sind wahrscheinlich nicht mehr erhalten. Im Januar 2009 erhielt ich aus dem Nachlass von Irmgard Barthel vier weitere Briefe aus der Feder von Dora Banning: ein Brief an Käthe vom 4. Juli 1915 und drei Briefe an Paula vom 29. Oktober 1913, Januar 1914 bzw. vom 30. März 1914. Ich habe mich entschlossen, die Briefe aus der Sütterlinschrift, die bis etwa 1940 an deutschen Schulen gelehrt wurde, in unsere heutige Schriftsprache zu übertragen, damit auch nachkommende Generationen diese Briefe lesen können. Darüber hinaus habe ich die Briefe zum besseren Verständnis mit Kommentaren versehen. Es ist möglich, dass meine Großmutter zu ihren Lebzeiten den ihr nahe stehenden Geschwistern Mia Merges, Hein Banning jun. und Karola Krauß diese Briefe zum Lesen überlassen hat, aber es spricht einiges dafür, dass sie die Briefe nicht weitergab. In den 70er und 80er Jahren machte ich Kopien von den Briefen und reichte sie an die noch lebenden Geschwister meiner Großmutter weiter. Paula, Nora, Carl, Otto und Karola erfuhren von der Existenz dieser Briefe erst Jahrzehnte nach dem Tod von Theodora Banning.

„..mit meinen Brüdern kann ich nicht darüber reden, die wissen gar nichts, und Tante Nora hat kein Interesse“. (Paula Barthel an Henning Böge am 01.10.1982)


„Du fragst, ob Onkel Hermann auch dem Vater die Schuld gegeben hat. Onkel Hermann hat eigentlich sehr wenig über Hof und Familie gesprochen. Die Beiden (Hermann und Maria Banning, der Verfasser) haben sich ja auch ziemlich abgesondert. Außerdem war uns bis vor kurzer Zeit nichts anderes bekannt, als dass der Vater durch Schulden und Bürgen den Hof verloren hat. Durch Deine Nachforschungen haben wir ja erst erfahren, wie es wirklich war. Jedenfalls ist es gut, dass der Vater nach all’ den Jahren von diesem Irrtum befreit wurde.“ (Carl Banning an Henning Böge am 27.10.1985)


„Über die Briefe meiner Mutter an Deine Großmutter habe ich entnommen, dass meinem Vater die Verhältnisse über den Kopf gewachsen waren, und (er) sich dann treiben ließ.“ (Otto Banning an Henning Böge am 13.11.1985)


„Nebenbei: meine Geschwister haben nicht viel Interesse an der Sippengeschichte - da sie alle von Riswik nichts mehr wissen. (Paula Barthel an Henning Böge am 06.07.1986)


„Das ist ja ein trauriger Bericht, davon haben wir jüngeren Kinder nichts gewusst, es hieß immer: Papa hat die Schulden gemacht. Klaus war erschüttert. Nun ist es vorbei. Wir sind auch ohne Bauernhof noch was geworden.“ (Nora Hiermes an Henning Böge am 27.04.1984)


Käthe Banning, Kleve 1920



Erster Brief

Riswik, den 20.10.1913

Liebe Paula!


Originalbrief
Du wirst wohl vergebens nach Papa ausgeschaut haben, es ging aber nicht.
Ob er nun diese Woche kommt, weiß ich auch noch nicht, so weit habe ich ihn nämlich, wenn er nach Kevelar fährt, Euch eben besucht, so wird er dann gegen Mittag da sein und bis halb 3 bleiben.
Seid Ihr auch nun die Kartoffeln verlegen? Sie stehen schon in den Säcken, ich kann sie aber selbst nicht abwiegen und versandfertig machen. Ihr müsst Euch in Gottes Namen noch so lange behelfen.
Von Materborn habe ich noch nichts gesehen, seit Tante A. hier in der Stadt bei uns war. Soll ich mich nun um die Äpfel bemühen, oder will Tante selbst noch einmal schreiben?
Einpacken will ich sie gerne, kann ja gleichzeitig mit den Kartoffeln geschehen. Willi von Tante Kornelia ist von der Leiter gefallen und hat eine Gehirnerschütterung davon getragen.
Wenn Du recht lustig bist und mir keine Tränenbächlein vergießt, darfst Du Allerheiligen nach Hause kommen, kannst Deinen Hut und Wintersachen mitbringen. Wenn ich dazu komme, will ich ein Töpfchen Apfelkraut von Onkel Heinrich besorgen, kannst du dann mitnehmen.
Gestern sind wir aber noch „d. Bosch“ gewesen.
Gerhard ist Dienstag nach Coblenz abgereist und hat auch schon geschrieben. Georg Anting ist von der Schule entlassen. Mia ist nun die erste in der Schule, die nichts kann. Mit dem Schulbau ist man auch angefangen.
Meine liebe Paula, lebe wohl gut, du kannst mir keine größere Freude machen, als wenn du gut lernst und recht lieb und brav gegen Tante bist und nur ja nicht mit den Nichten streitest.
Sei also Du und auch Tante und Kinder, viel, vielmals gegrüßt von

Mama.



Zweiter Brief

Januar 1914

Liebe Paula!


Originalbrief
Anbei das Kleidchen. Es geht uns allen noch recht gut, Euch auch? Wir haben es sehr druk im Heu und Rüben. Dienstag sind wir zur Niedermörmter Kirmes gewesen.
Hermann hat mit der Kaiserfeier eine Prämie bekommen. Trüg Arnting auch. Wenn Du hier gewesen wärest, hättest Du sie wohl bekommen. Ob zu Deinem Namenstage jemand nach dort kommt, müssen wir noch mal überlegen. Ich selbst kann noch schlecht abkommen, wenn ich aber kommen sollte, fahre ich am besten an einem Wochentage.
Tante Minna von Rensefeld (Lübeck) hat auch geschrieben, Maria soll irgendwo die Küche lernen, vielleicht weiß Tante irgendwo Bescheid. Tante Nora bekommt auch eine Stütze.
Das sind so ziemlich alle meine Neuigkeiten.
Grüße an Tante und die Kinder.

Deine Mama.



Dritter Brief

Riswik, den 30.3.1914

Liebe Paula,


St. Martin in Qualburg
da meinten wir, schon Wunders was geleistet zu haben, dass wir zu Tantes Geburtstag eine Karte mit ein paar Wörtern geschrieben hatten, zumal eine gewisse Paula nicht an Papas Geburtstag gedacht hat , und besagte Paula außerdem auch wohl mal zuerst hätte einen langen Brief schreiben können, die hat doch wohl etwas mehr Zeit wie Mama. Gestern wollte ich schon schreiben, war aber wieder eine Lauferei bis 10 Uhr, da hatte ich auch keinen Sinn mehr.
Wenn ich es nicht um Tantes Willen täte, würde ich jetzt auch nicht geschrieben haben, da wir ja doch bald alles mündlich erzählen können.
Aber Tante hört doch so gern von der Heimat, aber leider weiß ich wenig Neues. Von den Verwandten höre und sehe ich nichts. Tante Emma ist auch lange nicht hier gewesen.
Das Wetter ist hier wohl wie bei Euch, Regen, und zur Abwechslung mal wieder Regen, die Kinder mussten über die Landstraße nach der Schule. Drei Tage hatten sie schulfrei wegen dem Wasser.
Hier herum haben fast alle Leute Wasser im Keller, wir aber noch nicht. Bei trockenem Wetter hat unser Land schon immer nasse Füße, und bei dem nassen Wetter könnt Ihr wohl denken. Wir hatten immer einen Kessel voller nasser Strümpfe beim Ofen liegen.
Wie weit ist der Hausverkauf gediehen? Noch nichts Bestimmtes? Zu den Feiertagen seid Ihr alle herzlich eingeladen, hoffentlich macht Ihr auch Gebrauch davon! Da hat Maria noch keinen Unterricht!
Heini hat diese Woche Generalbeichte.
Nun, liebe Paula, bis Freitag, dann ist ja Schulschluss. Wenn du nun gern Freitag fährst, schreibe zeitig. Es holt dich dann jemand von der Bahn ab, dann musst du dein Gepäck bei Peter bringen, Samstagfrüh ist Papa mit dem Wagen in der Stadt. Und dann vergiss ja nicht, Tante viel, vielmals zu danken, für alle Mühe, die sie mit dir hatte und für alles Liebe und Gute, was sie dir erwiesen hat. Ich meinerseits hoffe meinen Dank mündlich mit Ostern abstatten zu können.
Bis dahin mit vielen Grüßen

Mutter und (für Tante) Schwägerin



Vierter Brief

Riswik, den 4. 7. 1915

Liebe Käte!


Käthe, Hein und Theo 1911
Bin wohlbehalten hier wieder angekommen. Vater holte mich von der Bahn ab, hatte mich schon seit 4 Uhr erwartet, und ich kam erst gegen halb neun, er hatte also 5 Stunden herumkutschiert, das Weitere kannst du dir denken, Freitag und Samstag das alte Leiden, von 7 Uhr früh bis spät halb zwölf! Ich beginne aber bald zu verzweifeln, bete doch nur; nur der liebe Gott kann noch helfen.
Nun mal wieder zu mir. In Düren hatte ich natürlich keinen rechten Anschluss, habe ist 4.38 dort warten müssen, aber die Ruhe hatte mir gut getan, auf der Fahrt dorthin war mir so schlecht geworden, bei der Tasse Kaffee habe ich mich erfrischt, so dass ich ohne weitere Unannehmlichkeiten weiterreisen konnte. Schirm habe ich allein weiterreisen lassen!
Wie geht es dir denn? Schon eingelebt? Schickst du dich? Sofie hat die Blusen schon abgeschickt, war heute morgen eben da, sie will das Kleid auch sofort machen.
Hast du die ……. schon gesucht?
Sonst nichts Neues? Karl B. wird dir dieser Tage die Zeitung bestellen. Als Mia Donnerstag in der …. fehlte, da zeigten die Blagen dem Herrn Pastor es an, und was fragte der ?!
Frau Banning ist mit Käte nach Zülpich gereist! Wir haben herzlich gelacht. Sonst nichts Neues. Wie ich Donnerstag nach Hause kam, hatten Paula und … alles tiptop in Ordnung; Küche, Schlafzimmer, alles fein, ein dickes Weißbrot fein gebacken, und was denkst du, wer hier gewesen war?
Hugo und Maria von Lobith!

Paula hat sie aber ein bisschen fortgegrault!
Will für heute schließen.
Mit vielen Grüßen von uns allen

Deine Mutter



Fünfter Brief

Riswik, den 25. Juli 1915

Liebe Käte!


Der fünfte Brief
Wirst inzwischen das Paket erhalten haben, bin mal neugierig, wie Du die Wäsche findest. Fine ist zwar recht fleißig, aber nicht so akkurat, und ich hatte so wenig Zeit, um selbst zu nähen. Hat Sophie Brendchen die Sachen schon geschickt?
Habe heute Dein Briefchen erhalten, besten Dank. Es geht Dir also noch gut. Sei übrigens froh, dass Du aus dem Wirrwarr hier heraus bist. Vater macht noch keine Anstalten für ein neues Unterkommen. Was das noch geben muss? Ich weiß es nicht, und es könnte so schön anders sein!
Tante Trautchen hat also auch geschrieben, das freut mich, ich dachte schon, der „Ober“ hätte die Karte wohl nicht abgeschickt. Zu der Einladung kann ich nur sagen: nimm’ nur an, wenn Du mal einen freien Sonntag hast, es bringt doch mal eine Abwechslung, d.h., wenn Du Urlaub erhalten kannst, ohne den Betrieb zu stören, vielleicht nach Monatsabschluss, wenn’s gerade nicht so sehr viel zu tun gibt. Dass Du Dir mal den Kopf frei machst, ist ja gut, und kann ja auch keiner was dagegen haben.
Wenn Du Tante Trautchen besuchst, sei vorsichtig mit Deinen Äußerungen, sollte Onkel über Heini anfangen, so sage nur, ich hätte ihn damals nicht verstanden. Jetzt wüsste ich, was er gemeint hätte. Er könne sich beruhigen. Unsere Kinder können, was Bravheit anbelangt, den Vergleich mit jedem, besonders den Verwandten, aushalten. Das Sprichwort von der Mücke und den Elefanten sei schon alt.
Aber ich finde es unfein, so einfach zu verlangen, als ob der Betrieb sich nur um mich drehe, statt umgekehrt. Du musst immer denken, es ist eine bessere Stellung, da muss man sich auch besser herausstreichen. Möchte hier auch bemerken: nimm’ keinen Vorschuss, ist auch „unfein“. Fehlt Dir was, helfe ich Dir aus.
Was nun Deine Urlaubsreise nach hier betrifft, so denke ich, die Reise ist so weit und kostspielig, dass du besser mal 2 x 6 Wochen wartest, Du bist doch auch kein Holländer, die müssen immer „laufen“, das weißt Du doch noch von unseren Dienstboten hier. Und dann sind zu der Reise auch immer 3 Tage kaputt. Ist das nicht ein bisschen viel verlangt?
Gewiss, wir würden Dich ja mal gerne wieder sehen, aber dann der Abschied!
Deshalb überlege es nur gut.
Du schreibst über M., der schimpft doch nicht über Dich? Du machst doch wohl Deine Sachen gut? Und mach’ Dich nicht über ihn lustig, wenn er gut ist, verdient er es doch nicht.

Um noch mal auf Deine Schürzen zurückzukommen: Hat das Zeit, bis Fine wiederkommt? Und soll ich Dir nicht eine schwarze Kontorschürze machen lassen?
Nun will ich nur aufhören, nächstens mehr, bete und arbeite fleißig und sei herzlichst gegrüßt von uns allen, besonders von Deiner Mutter.

Karola sagt jetzt: „Käte ist in Zülpich.“
Die Reise kostet über Köln 10,45. Kauf’ Dir lieber Kleider dafür.



Sechster Brief

Riswik, den 28. August 1915

Liebe Käte!
Sitze noch allein bei der Kerze im Dämmerschein und will Dir kurz das Allerneueste mitteilen. Also, Hermann ist bei einem Bayerischen Regiment angekommen, morgen muss er nach Geldern zum Bezirkskommando, zur ärztlichen Untersuchung, und wenn tauglich, was ja bestimmt der Fall ist, kommt er nach Augsburg (Feldartillerie) .
Der Hölzerne geht auch mit. Ende nächster Woche werden sie wohl abreisen. Du möchtest es dann also möglich machen und nach Köln fahren, wo Du dann von Hermann Abschied nehmen kannst. Der Herr Direktor wird wohl Einsehen haben und für einen Tag Urlaub gewähren. Es ist ja vorläufig das letzte Mal, das Ihr Euch seht. Ach, wäre alles schon überstanden!
Ich glaube, ich laufe fort, und ich darf doch nichts merken lassen, damit ihm der Abschied nicht zu nahe geht, Du weißt ja, wie weich er ist.

Dies für heute, genaueres folgt. Gruß Mutter



Siebter Brief


Balthasar Banning (1871-1962)
Riswik, den 29. September 1915

Die heutige Auflage umfasst sechs Seiten

Liebe Käte!

Wann hast du denn eigentlich meine Karte erhalten? Hatte sie zwar am Freitag abschicken können, ist aber mit dem halb sieben Zug noch fort gekommen. Hatte gleichzeitig die Karte nach Köln abgeschickt, die war auch erst Sonntagmorgen angekommen. Du meinst nun: der nächste Sonntag! Das tut mir nun leid um Deinetwillen, aber Hermann ist schon vergangenen Sonntag abgefahren; Vater hat ihn bis Köln gebracht, dort übernachtet, und Montag halb elf sind sie, Hermann und der Hölzerne, nach Augsburg weitergefahren, während Vater mit dem halb fünf Schnellzug zurückfuhr.
Sie sind in Köln sehr freundlich aufgenommen, auch Karl Nießen hat bei Onkel übernachten müssen.
Vater war so nett, wie er zurückkam, wenn es doch immer so wäre!
Onkel und Tante wissen wohl noch nicht, dass wir verkauft haben, auch noch wohl nicht, wo Großmutter ist. Sie hätten wenigstens nichts davon verlautet, und Vater mochte nicht darüber anfangen, weil dort neutraler Boden, und er sich vielleicht zu Äußerungen hinreißen ließe, die er später bereute.
Gleich Sonntag haben sie Hermann sein Zimmer ausgeräumt. Willi und Karl B. halfen getreulich, Karl stöberte nach Schmökern, Willi andere Antiquitäten (..) und dergleichen.
Heini hat Sonntag auch neue Aufnahmen von Willi machen müssen, die Beine waren schon gut getroffen, aber die übrige Gestalt wie eine Sonnenfinsternis. Auch die Aufnahme von den „elf“. Gerade auf der Stelle, wo Du stehst, ist ein runder Fleck. Schade, Gott weiß, ob ich noch alle zusammen sehe!
Heute habe ich geweint, und wenn ich Dir sage, warum, dann lachst Du, oder kannst Du es verstehen? Es fiel mir nämlich Dein Aufsatzheft in die Hand, wo die Aufsätze verzeichnet sind, die wir zusammen gearbeitet haben, und da gedachte ich der schönen Zeit und der Hoffnungen, die wir hegten. Du weißt ja, wie hart ich bin, aber es stieg mir so heiß in die Augen.

Hein und Titz 1911
Morgen ist hier Firmung, aber weiße Kleider dürfen nicht getragen werden.
Zum Entwickeln des Bildes hatte Heini kein Petroleum, musste mit Kerzenlicht, ging nicht gut.

Du fährst doch Sonntag auch nach Köln? Tante erwartet Dich wohl, hast ja auch schon geschrieben. Ich habe mich schon etwas daran gewöhnt, dass Hermann fort ist, aber die ersten Tage gingen meine Gedanken immer wie im Kreise, sie kamen immer wieder bei Hermann aus. Weshalb, ich könnte es nicht sagen, ich habe ihn nicht lieber wie die anderen, aber ich hatte an ihm einen gewissen Halt und Stütze, und dann war er auch so „anders“ wie die übrigen.
Die beiden Kerlchen Hein und Titz tun schon ihr Bestes, seine Stelle zu vertreten, werden an gewisser Stelle auch gehörig angeranzt, na, Du kennst das.
Karl Bl. ist so still, seit Hermann fort ist. Das war aber auch eine Freundschaft!
Du kannst sie ja aufklären, sei aber vorsichtig.
Dass Du nun so spät Nachricht bekommst, ist der Hölzerne in Schuld, der war auf dem Bummel, und wir warteten auf Bescheid, wann er mitfahren könnte, bleib aber aus, ich hatte aber schon noch Köln angesagt und musste mich aufrecht erhalten, hauptsächlich um Deinetwillen, damit Du kommen könntest. Sonst hätten wir noch einige Tage aufgeschoben, na, schließlich kam er doch, er hatte keine große Lust, aber Hermann ging einfach nicht ohne ihn; jetzt sind sie wohl schon in Augsburg, aber ich fürchte, sie sehen sich Augsburg erst noch mal an, ehe sie sich stellen. Die haben einfach zu viel Geld, sie hatten von Köln freie Fahrt, und Hermann hatte reichlich Reisegeld mit. Dann hatte ich ihm extra 20 M mitgegeben für Dich, für Schuhe und Schirm, na, wenn Du die nur wieder siehst.
Wenn Hermann auch nicht „so“ ist, dem Anderen traue ich nicht viel zu, ich bin so ärgerlich, dass alles so gekommen ist. Ich könnte selbst nachfahren und aufklären.
Wenn Du neue Schuhe noch nicht gekauft hast, ich kann bei (der Fabrik) noch feine Schuhe kaufen für 14,50 M, also sicher so billig wie anderswo, z.B. Köln. Schirm kaufst Du am besten in Köln, nimm’ aber nicht so teuren, sonst geht er wieder auf Reisen, allein.
Halte hierüber in Köln Deine Gedanken für dich, ich wollte Vater aus gewissen Gründen das Geld nicht mitgeben.
Vater hatte eine Menge Pfirsiche mit, er hat sie Tante gegeben.

Viele Grüße Deine Mutter



Achter Brief

Riswik, den 28.10.1915

Liebe Käte!


Alte Bauernkate in Riswick 1977
Heute heißt es noch Riswik, nächstens wird es heißen: Cleve, Lindenallee, oder so was. Vater hat nämlich ein Haus dort gemietet, ich habe aber noch nichts davon gesehen.
Paula, Vaters Junge, ist mit gewesen, sagt, es wäre ein geräumiges Haus; na, alles gut und wohl, bringt aber nichts ein, 850 Mark Miete, ist auch allerhand, dazu kein bestimmtes Einkommen, na, das kann gut werden.
Die ersten Tage habe ich mich krank geärgert, das hilft aber alles nichts, ich muss mich nur dreinschicken, und ist die Not am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten. Stehe unter Druck im Verpacken, Schlachten usw. und wirst also sobald keinen Brief von mir zu erwarten haben. Deshalb ist es wohl auch besser, wenn Du Deinen Besuch noch 14 Tage bis 3 Wochen aufschiebst, dann sind wir hoffentlich wieder Menschen. Kannst lachen, dass Du aus dem ganzen Wirrwarr heraus bist.
Paula wollte dich mal in Köln treffen, hätte vom Papa die Erlaubnis abgeschmeichelt, aber gerade jetzt auf Freitag geht’s unmöglich. Sie hat nicht schlecht auf den „riesen Kater“, der dies unmöglich gemacht, (geschimpft).

Freitag geht der erste Möbelwagen fort, na, „Villa Ohnesorgen“, ach Käthe, wie schwer ist mir ums Herz! Das Vater mir das antun musste, hier in der Nähe und in der Stadt. Und es hätte so gut anders sein können, wenn er nur wollte, doch was nützen alle (Klagen). Nur durchhalten und die dicken Köpfe auch hochhalten.


Hermann Banning, Aufsatz "Die Honigbiene"
Wie ist es gut, dass Du so weit fort bist, wo Du hier jeden Tag Deinen Mitschülerinnen begegnen konntest! Wie hat das alles so kommen können, doch genug hiervon. Es geht uns soweit noch gut. Vater hat den Fuchs verkauft, haben jetzt einen 1 ½ jährigen. Ein schönes Tier, ich fahre aber nicht damit, sondern Paula.

Hermann schreibt auch wenig, hat wohl viel zu tun, nun schadet ihm nicht, wenn er nur glücklich heimkommt! Betest Du auch für ihn? Bete auch für mich, ich kann es fast nicht mehr. Viele Grüße, bis auf nicht fernes Wiedersehen

Deine Mutter



Neunter Brief

Cleve, den 21.11.1915

Liebe Käte!

Endlich komme ich soweit, mal zu schreiben; das war ein Durcheinander diese Zeit, und noch, alles muss ich suchen. Wir haben sonst eine geräumige Wohnung, am Walde, und wenn man Geld genug hat, lebt sich’ s hier wohl ganz gut.
Nun, Du wirst ja alles ansehen, denn alles schreiben, was wir erlebt haben, führt mich zu weit, ich bin durchgedreht und tot müde, und habe da auch keine rechte Lust zu schreiben, sonst hätte ich wohl schon geschrieben.
Paula hätte aber mal schreiben können, aber einmal fehlte Papier, dann Tinte, dann Feder usw., habe übrigens an Paula in diesen Tagen eine kräftige Stütze gehabt, wäre sonst verrückt geworden. Auch Dora Nießen hat mir sehr treu beigestanden, sowohl was Arbeiten anbelangt, als auch sonst. Man hat nicht so das Gefühl des Alleinverantwortlichseins und Verlassenseins.
Also Hermann wird Weihnachten kommen, so lange muss Du auch Dein Heimweh bezwingen, dann seid Ihr alle mal so schön zusammen, das ist etwas, was wert ist, sich darauf zu freuen. Dieser Artikel ist fürwahr. Hierhin gehört auch, dass Karlchen Bl. auch so freiwillig geholfen hat.

Kriegsweihnachten I. Weltkrieg
Wenn Du inzwischen noch mal einen Sonntag nach Cöln fahren kannst, könnte Paula Dich dort mal treffen. Sie will so gern hin und hat auch eine kleine Abwechslung verdient, Dora Nießen ist auch da. Schreib’ mal schnell, wie es damit ist. Dann könnt Ihr alle Neuigkeiten auskramen.
Gestern Abend waren H. Sent, Hans Welbert, G. Kersges und Maria hier, haben hier zu Abend gegessen, na, und das auf Samstagabend! und blieben bis gegen 11.00 Uhr, und ich hatte noch zu bügeln, zu stopfen, Essgeschirr beseitigen, so war es schnell ½ 2 Uhr, ehe ich ins Bett kam. Und heute habe ich Kopfschmerzen.
Es ist hier die reinste Gastwirtschaft. Vater bringt alle Fingerlang einen anderen Bekannten mit, und dann kann ich springen und komm’ mit meiner Zeit und meinen Vorräten zu kurz. Das können wir Weihnachten nochmals plaudern.
Wie sind bei Euch die Butterpreise? Bekommst Du keine Vorzugspreise? Musst Tante Trautchen nur ein Pfund mitbringen. Kannst dann in Köln auch mit Paula die Kleiderfrage durchsprechen, denn ganz richtig gestanden, ist mein Kiosk nicht imstande, alles zu erörtern.
Denn ich möchte standesgemäß leben und dann nur mäßige. Musst nur sehr sparsam sein. Ich muss mir auch manches versagen.

Will nun schließen, nächstens mehr.
Mit vielen Grüßen von

Deiner Mutter

P.S. Werde nächstens Äpfel schicken, habe schon (..) Körbchen bestellt. Sonst hättest Du sie längst.



Zehnter Brief

Cleve, den 17.01.1916

Liebe Käte!

Da muss ich mich nun am helllichten Werktag hinsetzen, wenn ich Dir einige Zeilen schreiben soll, verschiebe das Schreiben sonst gern auf den Sonntag, aber dann komme ich gar nicht dazu. Kaum sind wir sonntags fertig, kommt gewöhnlich Karl Block, Paula zieht sich in ihre Gemächer zurück, Vater klimpert ein bisschen, Mia geht in die Kirche, da muss ich mich dann ein bisschen wundern, und wenn der dann fort ist, kommt Maria K. usw. bis der Sonntag herum ist.
Ich ginge oft mal gerne in die Kirche, komme aber nie dazu.
Du schreibst, Du hättest Paula erwartet, allerdings hatte die keine Zeit, da hatte Onkel was. Sie musste arbeiten bis dass sie noch gerade recht zum Zug kam, da ist sie nur schnell hierhin gefahren, damit sie nur los kam. Du kennst sie ja wohl: Tantes „Ausnutzungs-Politik“.
Nach Ostern sollte sie ganz dorthin, aber ich pfeife denen etwas. Wenn es dann eine gut haben soll, ich oder Tante, so bin ich wohl zuerst an der Reihe. Paula kann nicht genug spotten.
Von Hermann haben wir seit Freitag, dem 7., nichts mehr gehört, hat wohl seinen Truppenteil angegeben, aber keine Adresse. Karl Nießen hat auch schon hin und her geschrieben, der will gerne bei Hermann sein. Vater hat an den Batteriechef geschrieben, bin mal neugierig, ob er Erfolg hat.
Wie geht Dir’s denn mit dem Heimweh? Doch was soll denn Heimweh? Du hast doch die sichere Aussicht, nach ca. 12 Wochen einmal in die Heimat zu fahren, aber ich habe manchmal schreckliche Sehnsucht nach Riswik, zu denken, dass man nie mehr dahin kommen kann, es war trotz alledem doch schön dort in seiner Abgeschlossenheit!
Und dann, jeder kleine Mann hat sein eigenes Dach über dem Kopfe, nur ich nicht! Wozu habe ich nun mein schönes Vermögen gehabt?
Letzte Zeit werde ich manchmal fast verrückt, ich fürchte mich, abends zu Bette zu gehen, kann vor lauter Sorgen nicht schlafen. Wie muss das noch alles enden! Will nun aufhören mit meiner Epistel, es wird doch nicht anders!

Mit vielen Grüßen Mutter



Elfter Brief

Riswik, den 28.01.1916

Liebe Käte!

Wenn Du Dein Paketchen öffnest, wirst Du wohl denken, was sollen die Spielsachen. Aber Du klagtest, dass Du so allein und langweilig die Abende auf Deinem Zimmer verbringen müsstest. Da dachte ich, Du könntest Dir auf dem Maschinchen eine Tasse Kaffee, oder Cakao kochen, oder, die Eier werden billiger, mal ein Ei, denn es kommt ja vor, dass nach einer sonst guten Mahlzeit so ein Hungergefühl kommt, na, ich will ja Näschereien keinen Vorschub leisten, aber so ein singendes Kesselchen erhöht die Traulichkeit des Stübchens und vertreibt Langeweile und Heimweh. Was Dir nun praktischer dünkt, das Töpfchen oder Kesselchen, behalte, das nicht zutreffende schicke gelegentlich zurück.
Wollte noch meine Tasse beipacken, es ging aber nicht mehr, auch der Rock nächstens.
Morgen fährt Paula nach Kempen, um ihr Zeugnis (zu holen), sie will sich für die Güterabfertigung melden. Wenn’s nur „mitfällt“. Vorige Woche ist sie zu S. Brendchen gewesen, schneidern, nächste Woche geht sie wieder hin.
Von Hermann haben wir Dienstag einen Brief bekommen, ja, auf dem Transport konnte er auch nicht schreiben, er scheint aber noch guter Dinge zu sein.
Karl Nießen hat natürlich wieder Glück. Er ist im Lazarett, Vetter Paul ebenfalls, der hat ein Nierenleiden.
Karl Coenen ist in Lippstadt, Tante Emma konnte ihn wohl nicht bändigen. Karlchen Bl. ist noch immer hier. Heinrich Joosten muss morgen auch wieder fort, Paula hat noch nicht Abschied genommen!
Hier ist sonst noch alles dasselbe, auch Vater!
Bete doch nur recht fleißig, hier kann nur noch der liebe Gott helfen und auch für Hermann, es wäre doch schade um ihn, doch wie Gott will, seine Wege sind nicht unsere Wege. Nun mit vielen Grüßen Deine Mutter, auch „Lola“



Zwölfter und letzter Brief

Cleve, den 28.01.1916

Liebe Käte!

Habe doch rein vergessen, das Maß für die Strümpfe für Theodor beizulegen. Die ganze Länge ist das Bein, dann Schritt, der Fuß bis zur Zehe scheint mir selbst aber etwas groß. Siehe mal zu, ob Du etwas kürzen kannst.
Wenn das Garn nicht so teuer wäre, könntest Du noch viel stricken. Ich muss mal sehen, grau ist nicht so teuer, für Hermann und Vater.

Viele, viele Grüße Mutter




Hermann

Käthe

Paula

Mia

Hein

Theo

Nora

Ötti

Karola

Carl

Otto
 






VIII. Geschwisterzirkel

Nach dem wirtschaftlichen und sozialen Abstieg der Bannings, der mit der Metapher „Abschied von Riswick“ in die Familiengeschichte eingegangen ist, brach die Familie Heinrich Banning auseinander, aber es gab Geschwisterzirkel, die oftmals über Generationen hielten.


Hermann Banning um 1940
Trotz des Todes der Mutter, der für die Familie einen Einschnitt darstellte, und ungeachtet der Tatsache, dass die Familie Heinrich Banning auseinanderfiel, wurden aus den elf Kindern recht schaffende Menschen, die in den Jahrzehnten danach zusammenhielten und sich trotz alledem als Familie fühlten.
Hermann Banning, der 1897 geborene älteste Sohn, diente von September 1915 bis November 1918 beim Bayerischen Feldartillerie-Regiment „König“ in Augsburg. Er kehrte nach dem Tode der Mutter im März 1916 nicht dauerhaft nach Kleve zurück, ließ sich nach dem I. Weltkrieg in Köln nieder und heiratete am 13. Mai 1921 in Köln-Frechen Anna Maria Schorn, die die am 5. August 1920 geborene Tochter Amalia, die seinen Namen annahm, mit in die Ehe brachte. Seine einzige Tochter Christine wurde am 28. März 1923 ebenfalls in Frechen geboren. Hermann war von 1923 bis 1961 als Angestellter in einer Brikettfabrik tätig.

Er unterhielt nach dem I. Weltkrieg bis zu seinem Tod 1980 nur zu seinen Brüdern Hein, Carl, Theo und Otto Kontakte. Der brüderliche Kontakt zwischen Hermann zu seinem 11 Jahre jüngeren Bruder Carl hat dazu geführt, dass Carl sich nach dem II. Weltkrieg In Köln niederließ.

Isa-Karla Neumann Geburtsanzeige 1926
An den Beerdigungen seines Schwagers Emil Merges im November 1962 und seines Bruders Hein im September1963 nahm Hermann teil. Auf der Trauerfeier von Emil Merges sahen sich Hermann Banning und Käthe Neumann nach fast 50 Jahren noch einmal wieder. Was mögen die beiden ältesten Geschwister bei diesem Treffen gedacht und gesprochen haben? Meine Eltern lernten Hermann Banning auf Heins Beerdigung kennen. Käthe hielt sich seinerzeit in Berlin auf und konnte ihrem „Lieblingsbruder“ die letzte Ehre nicht erweisen.

Käthe Neumann geb. Banning 1924 mit Christa (oben und unten)
Nach Aussagen meines Vaters wurde er bei den Familientreffen von den jüngeren Geschwistern, allen voran von Paula, an seine „Jugendsünden“ erinnert, die er immer wieder mit den Worten abwiegelte: „Kinder, so war das doch gar nicht!“ Trotzdem soll er sich im Kreise seiner Geschwister sehr wohl gefühlt haben. Er hätte wohl gern einen intensiveren Kontakt zu einigen seiner Geschwister gepflegt, was offenbar von seiner Frau, die den Bannings nicht so sehr zugetan war, verhindert wurde.

Käthe verließ 1918/1919 das Rheinland und nahm eine Stelle als Kontoristin in einer Molkerei in Thüringen an. Sie wurde die beste Freundin der Ehefrau des Molkereiinspektors Bruno Neumann, Helene Neumann geb. Fritsche (1898-1924), und nahm deren Tochter Christa am Tag ihrer Geburt am 17. Dezember 1923 sofort in ihre Obhut, da die leibliche Mutter an Kindbettfieber erkrankte und vier Wochen nach der Geburt verstarb.


Paula Banning, die knapp zwei Jahre jüngere Schwester von Käthe, hielt sich an Weihnachten 1923 bei Käthe in Gebstedt auf und wohnte im nahegelegenen Buttstädt bei Käthes bester Freundin Lilly Kruse. Als sich die beiden Schwestern in einem Café auf „Klever Platt“ unterhielten, sagte jemand am Nachbartisch:

„Sieh’ mal die beiden Ausländerinnen!“ (Paula Barthel)


Im Juni 1925 heiratete Käthe Banning den Molkereiinspektor Bruno Neumann, im April 1926 kam Isa-Karla zur Welt, und Käthe wählte ihre Schwester Paula zur Taufpatin. Als Paula ihr erstes Kind, Bernd, erwartete,

„schenkte Käthe ihrer Schwester eine komplette Kinder-bzw. Säuglingsausrüstung.“ (Christa Böge 1980)
Ostern 1927 fuhr Käthe mit Christa nach Dinslaken, um ihre jüngste, 14jährige Schwester Karola, die seit 1925 mit Hein im Haushalt von Paula in Dinslaken lebte, nach Mitteldeutschland zu holen, wo sie als „ältere“ Schwester von Christa und Isa Neumann aufwuchs. Käthe lebte in guten wirtschaftlichen Verhältnissen als Ehefrau eines Molkereiinspektors und später Molkereidirektors und schließlich eines Molkereibesitzers.


Bruno und Käthe Neumann mit Christa und Isa 1926
Von 1918 bis 1932 betrieben Neumanns nacheinander Molkereien im thüringischen Gebstedt bei Weimar, in Naumburg und in Bad Kösen.
Von 1932 bis 1946 lebte die Familie Neumann in Halle an der Saale, wo sie von den Erträgen eines großen Mietshauses und eines gut angelegten Vermögens lebte. Die Beziehungen zwischen Käthe und Karola waren sehr eng. Am 27. Juli 1940 heiratete Karola Banning Willi Krauß in Halle.

„Karola war in Halle/ Saale, als ich 1939 dorthin kam. (…), sie hatte aber eine große Verbindung mit ihrer Schwester Käthe und Familie.“ (Willi Krauß in einem Brief vom 04.11.1987)



Karola und Willi Krauß mit Karin Anfang der 40er Jahre in Danzig
Die Hochzeitsfeier von Karola und Willi wurde von Käthe in der Meckelstraße ausgerichtet. Kraußens lebten dann in Danzig, wo es auch zu häufigeren Zusammenkünften zwischen Adolf Merges und der Familie seiner Tante Karola kam.

„Karin wird ja noch leise Erinnerungen an den Matrosen aus Danzig haben. Zur Taufe von Elke war ich auch da, hatte Urlaub von Bord.“ (Adolf Merges in einem Brief vom 02.09.1988)


Als am 10. April 1945 Käthes Tochter Christa in Halle an der Saale Helmut Böge heiratete, befand sich die Familie Krauß auch unter den wenigen Hochzeitsgästen, nachdem sie aus Danzig geflohen war.

Karola Krauß geb. Banning Ende der 30er Jahre
Die Familie bedrängte Willi seine Wehrmachtsuniform wenige Tage vor Kriegsende abzulegen und sich zu verstecken, aber Willi Krauß entschloss sich den Fahneneid einzuhalten, was ihm schließlich einen mehrjährigen Aufenthalt in sowjetischer Kriegsgefangenschaft einbrachte.

„Karola musste mit den beiden Kindern flüchten, und sie kamen nach Halle/ Saale, Meckelstraße 7, zu Käthe. (..) Hier wurde Karola ernstlich krank (..). Sie litt an einem Nierenleiden, das sich später auf das Herz legte; deswegen waren die Kinder bei (..) Käthe und einer befreundeten Familie in der Meckelstraße“. (Willi Krauß in einem Brief vom 04.11.1987).


Karola übernahm mit ihrer Familie die Neumann’sche Wohnung in der Meckelstraße in Halle an der Saale, wo sie bis 1981 lebte. Der Kontakt zu Käthe blieb trotz der Teilung unseres Landes bis zu Käthes Tod bestehen. Die beiden Schwestern sahen sich in den späten 60er Jahren mehrmals in Ost-Berlin.


Karin und Elke Krauß
Im Jahre 1960, noch vor dem Bau der Mauer, waren Karola und Willi in Dinslaken und sahen Käthe und ihre Familie nach 16jähriger Trennung wieder.
Beide Schwestern hingen aneinander, und als Käthe 1970 in Dinslaken starb, trauerte Karola sehr um ihre 15 Jahre ältere Schwester, zumal es ihr verwehrt war, sie auf ihrem letzten Weg zu begleiten.

Im Jahre 1946 kehrte Käthe mit ihrer Familie aus der „Sowjetischen Besatzungszone“ (SBZ) nach Dinslaken an den Niederrhein zurück und hatte die zweijährige Elke, die jüngste Tochter ihrer damals schwer erkrankten Schwester Karola, mit dabei.
Elke lebte einige Jahre in Dinslaken in der Familie Neumann, bevor sie zur Familie nach Halle zurückkehrte.

Bruno Neumann mit Enkel Michael und Elke Krauß
Käthe nahm für Elke eine Mutterstelle ein, und nur die große Ähnlichkeit zwischen Käthe und Karola ermöglichte es, dass Elke sich in Halle an der Saale wieder einleben konnte.

In den 50er, 60er und 70er Jahren blieb der Kontakt zu Karola, mit Ausnahme eines Besuches von Karola und Willi in Dinslaken um 1960, auf Briefe und Pakete beschränkt. Die „deutsche Teilung“ beeinflusste die Kontakte zwischen Karola und den „West“- Geschwistern, als Karin 1963 in eine Familie einheiratete, die zu den privilegierten Schichten der DDR gehörte und die als „Geheimnisträger“ galt. Fortan war Karin der Umgang mit den „Westverwandten“ untersagt, und auch Karola musste noch in den 70er Jahren kurzfristig eine Reise nach West-Deutschland aus Rücksicht auf Karin und ihren Schwiegersohn absagen. Aber trotzdem unternahm Karola alles, um den Kontakt in den Westen zu den Geschwistern aufrechtzuerhalten.
Heinrich Banning, Isa Neumann, Käthe Neumann geb. Banning, Klaus Banning, Christa Neumann und vorne links Ulla Banning 1938/1939
Regelmäßige Briefe und Stollenpakete an Weihnachten gehörten zu diesen Bemühungen.

Das Verhältnis zwischen Käthe und und ihrem fünf Jahre jüngeren Bruder Hein, dessen jüngste Tochter Henrike nach dem plötzlichen Tod von Auguste Banning geb. Voßkamp 1941 von Neumanns aufgenommen wurde,
war auch besonders eng. Als Heins Frau im Kindbett starb, wollte auch die damals zehnjährige Ulla bei Käthe in Halle bleiben, aber Hein wollte dies seiner Schwester nicht zumuten, Käthe aber übernahm die schwere Aufgabe, der elfjährigen Ulla die Nachricht vom plötzlichen Tod ihrer Mutter bei einem Aufenthalt in Halle zu überbringen.


Auguste Banning geb. Vosskamp mit Henrike 1940

„Ulla und Klaus waren verschickt. Sie wussten noch nichts vom Tod ihrer Mutter. Ulla sollte, bevor sie wieder nach Hause kam, zuerst nach Halle kommen, weil man ihr erzählt hat, dass ihre Mutter auch in Halle weilt. Sie kam ahnungslos und freudestrahlend nach Halle und wurde von mir am Bahnhof abgeholt. Als sie mich am Bahnhof fragte, ob ihre Mutter schon da ist, verneinte ich ihre Frage. In der Meckelstraße angekommen, sah sie an der Garderobe den Mantel ihrer Schwester Henrike und glaubte natürlich, dass ihre Mutter auch da ist. Sofort stürzte sie ins Wohnzimmer und rief: ‚Mutti, Mutti!!’ Jetzt erst erfuhr sie von meiner Mutter, die sich sehr gut mit Ulla verstand, vom tragischen Tod ihrer Mutter.“ (Christa Böge 1971)



Ulla klammerte sich tränenüberstürzt an ihre Tante und wollte nicht mehr nach Dinslaken zurückkehren. Meine Großeltern waren sofort bereit, neben Henrike auch Ulla und Klaus aufzunehmen, aber Hein war dagegen,

Henrike Banning mit Trixi
obwohl Ulla und Klaus bereits im Vorjahr mehrere Wochen bei Tante Käthe und Onkel Bruno in Halle verbracht hatten.

„Wir hatten Besuch bekommen, meine zehnjährige Base Ursula und mein sechsjähriger Vetter Klaus. Beide wollten einmal ausschlafen und sich erholen vom Fliegeralarm. Zwei Monate war ein Leben bei uns wie noch nie. Vor allen Dingen unser Klaus stellte alles auf den Kopf, bis Tante Käthe energisch wurde“. (Isa-Karla Neumann, Jugenderinnerungen, 1942)



So wurde Ulla in Dinslaken, wo sie mit Klaus beim Vater, der wenige Jahre später seinen betagten und in Kleve ausgebombten Vater Heinrich Banning aufnahm, leben musste, ausgesprochen rebellisch. Sie lehnte sich gegen die „Tantenwirtschaft“ auf, denn nach dem Tode von Guste Banning führten Ötti und Mia abwechselnd den Haushalt ihres Bruders.

Henrike Banning 1944
Der „Sonnenschein“ Henrike wuchs in Halle an der Saale bei Neumanns auf. Christa Neumann, die Mitte der 40er Jahre einen evangelischen Kindergarten in Halle-Nietleben leitete, nahm die kleine Henrike tagtäglich mit in den Kindergarten. Erst 1946 kehrte Henrike Banning nach Dinslaken in den väterlichen Haushalt in der Hünxerstraße 152 zurück.

Als Heinrich Banning im Jahre 1948 Hedwig Waldura, eine Lehrerin aus dem Saarland, zur zweiten Frau nahm, lehnte sich insbesondere Ulla auch gegen die neue Frau an der Seite ihres Vaters auf. Später in den 60er und 70er Jahren verstand sie sich mit Hedi von den drei Bannings-Kindern am besten, während Klaus und Henrike besonders nach dem Tode ihres Vaters 1963 immer nur finanzielle Ansprüche an Hedi Banning erhoben, die als „stille Teilhaberin“ bei Banning & Hutmacher hinter den Kulissen wirkte.

Hedi hatte es am Anfang, ähnlich wie ihre beiden Schwägerinnen Alwine und Marlene, nicht gerade leicht mit den Schwestern ihres Mannes.


Geburtstag Heinrich Banning Mitte der 50er Jahre
Das besondere Vertrauensverhältnis, das Käthe und Hein verband, zeigt sich auch darin, dass Käthe einen Teil des durch die Flucht aus Halle reduzierten Neumann’schen Familienvermögens in Heins Firma „Banning & Hutmacher“ in Dinslaken anlegte. Onkel Hein war für die Böge-Jungs eine Art „Ersatz-Großvater“. Man feierte zusammen viele Familienfeste und verbrachte in den 50er Jahren gemeinsame Urlaube an der holländischen Nordseeküste. Hein Banning wurde Pate von Peter Böge (1956), Henrike Banning übernahm die Patenschaft von Henning Böge (1956) und Hedi Banning wurde schließlich Patin von Frank Böge (1969).

Heinrich Banning (1904-1963)
Wenn Hein und Hedi zu Besuchen in die USA, wo Klaus lebte, fuhren, kamen die Banning’schen Hunde nach Dinslaken zu Neumann-Böges. Besonders lebhaft ging es zu, wenn sie zurückkamen, die Hunde abholten und den 3 Jungs „Mitbringsel“ aus den Vereinigten Staaten übergaben.

Hein, der nach dem Vater benannte Sohn von Heinrich und Theodora Banning, pflegte zu allen Geschwistern Kontakte, sowohl zum Dinslakener Kreis als auch zu den Brüdern in Köln, Mönchengladbach und Niederkrüchten. Er war indirekt auch an der geplanten Flucht der Familie seiner jüngsten Schwester Karola aus der DDR (noch vor dem Mauerbau) beteiligt.

Firmenschild "Banning und Hutmacher"
Sein Schwager Willi Krauß bekam ein festes Arbeitsverhältnis in der von ihm geführten VW-Vertretung „Banning & Hutmacher“ in der Dinslakener Bahnstraße zugesagt. Dort arbeitete bereits Gerhard Kersten, ein anderer Schwager von Hein Banning. Er hätte auch für eine Wohnung für die Familie Krauß in Dinslaken gesorgt, aber die Flucht aus Halle an der Saale in den „goldenen Westen“ wurde kurzfristig und für alle Eingeweihten überraschend abgesagt. Der Bau der Mauer am 13. August 1963 beendete schließlich alle

Familiengruft Banning in Dinslaken 2008: Ruhestätte von Heinrich Banning und Käthe Neumann geb. Banning
Spekulationen über die mögliche Übersiedlung der Familie Krauß von der Saale an den Niederrhein.

Mit einer gewissen Enttäuschung musste Hein relativ früh feststellen, dass sein Sohn Klaus nicht bereit war, den väterlichen Betrieb als Mitinhaber zu übernehmen. Heins relativ früher Tod im September 1963 führte dazu, dass außer Käthe, die sich in Berlin aufhielt, Karola, die in der DDR lebte, und Nora sich alle Geschwister an seinem Grab versammelten. Heinrich Banning starb noch nicht einmal 60jährig. Er wurde in der Familiengruft auf dem Dinslakener Kommunalfriedhof neben seiner ersten und früh verstorbenen Frau Auguste Voßkamp und seinem Enkelsohn Jens Heikamp beigesetzt. Ein gutes Jahr vor seinem Tod flog er noch zu Käthe nach Berlin,

Henrike Bludau gesch. Heikamp geb. Banning 1960
um seiner Schwester nach dem Tod von Isa beizustehen. Im Frühjahr 1963 war er Gast auf der Konfirmation von Michael Böge, an der auch Adolf und Else Merges teilnahmen.
Hein Banning, der in seiner Kindheit in der Familie nur „Heini“ genannt wurde und ein richtiger „Lausbub“ gewesen sein muss, war durch und durch ein echter Niederrheiner. Er liebte die Landschaft am Rhein, angelte stundenlang an einem der alten Rheinarme in Birten nahe Xanten, auf dem halben Weg zwischen dem rechtsrheinischen Dinslaken und dem linksrheinischen Kleve und war Mittelpunkt der Familie Banning.

Die Handwerkskammer Dinslaken hat seinen Namen für seine Verdienste um das Dinslakener Handwerk in die Fassade des „Haus des Handwerks“ eingemeißelt. In einem Nachruf der „Neuen Ruhr (Rhein)- Zeitung“ wurden die Verdienste des langjährigen Vorsitzenden der Dinslakener Automechaniker-Gilde und sein besonderer Sinn für Humor ausdrücklich hervorgehoben. Meine beiden Brüder und ich haben ihn als einen liebevollen und herzlichen

Haus des Handwerks, Dinslaken, Friedrich-Erbert-Straße
Menschen in Erinnerung.

Neben Bannings in Dinslaken waren Merges in Kleve die besten Familienfreunde von Neumanns in den 30er und 40er Jahren. Mia war seit 1925 mit dem Fahrlehrer Emil Merges aus Kleve verheiratet.

„Mia kam mit der Merges-Familie nicht zurecht. Für die Geschwister Emils war sie ein armes Mädchen, das nicht in die wohlhabende Familie passte. Darunter hat sie in jungen Jahren sehr gelitten. Später hat sich das gelegt, nur zu den Schwiegereltern hatte sie ein gutes Verhältnis, schon deshalb, weil Adolf das erste Enkelkind war.“ (Else Merges in einem Brief vom 08.02.2008)



Heinrich Banning (1904-1963)
Dadurch, dass Mia in eine wohlhabende Familie hineingeheiratet hat, konnte sie sich nicht nur um ihren Vater, sondern auch um ihre Geschwister Theo, Nora und Carl, später auch um Otto und Ötti kümmern.
Die Kontakte zu Käthe waren sehr gut. Aus den Briefen, die Käthe an Mia schrieb, erkennt man, dass beide Schwestern sehr aneinander gehangen haben.

„Und so ist ein Tag nach dem anderen vergangen, und nur das eine Gute hat dies, dass es auch immer näher dein Wiedersehen bringt. Wie ich mich und wir alle uns darauf freuen. Darum darfst du keinen Rückzieher machen, denn dann wäre die Enttäuschung groß.“ (Käthe Neumann in einem Brief an Mia Merges vom 18.03.1931)



Mia und Emil Merges 1925
Mia hielt sich um 1930 mit Adolf drei Monate bei Käthe in Bad Kösen auf. Daran anschließend war Käthe mit ihrem kleinen Töchterchen Isa, das in der Familie damals „Karlchen“ genannt wurde, einige Wochen Gast in Kleve und wohnte bei Merges in der Lindenallee.

In den 30er Jahren unternahmen die Familien Neumann, Merges und Heinrich Banning jun. gemeinsame Urlaubsfahrten. Die Verbindung zwischen Kleve und Dinslaken am Niederrhein und Halle an der Saale war eng und wurde durch regelmäßige Besuche gepflegt.

Mia und Emil Merges 1930
Zu ihrem Bruder Hein und zu ihrer Schwester Mia hatte Käthe eine innige Beziehung, die bis zu deren Tod 1963 bzw. 1964 Bestand hatte. Allerdings unterschied die beiden Schwestern das Verhältnis zu ihrem Vater, das kaum gegensätzlicher hätte sein können. Während Käthe ihrem Vater zeitlebens vorwarf, er sei für den Verlust von Riswick allein verantwortlich, und „er habe alles verspielt“ bzw. „den Hof versoffen“ und ihn im Gespräch mit Dritten nur „Heinrich“ nannte, kümmerte sich Mia stets rührend um ihren Vater, den „Opa“ ihres Sohnes Adolf,

Picknick der Familien Neumann und Merges in den 30er Jahren
der sich in den 30er und 40er Jahren nahezu täglich in ihrem Haus in der Lindenallee aufhielt.

Die Familien Neumann (Halle) und Merges (Kleve) waren in der Zwischenkriegszeit wirtschaftlich auf einer Ebene. Man besuchte sich abwechselnd in Halle und in Kleve und unternahm gemeinsame Urlaubsreisen mit dem Wagen und dem Wohnwagen in die Eifel.



Mia Merges mit Adolf und Bruno Neumann mit Isa vor der Molkerei in Bad Kösen 1930

„1939 fuhren wir wieder in die Ferien und diesmal etwas weiter, nach Kleve, dem Heimatort meiner Mutter. (..) Morgens um 11 Uhr ging es von hier ab. Immer dachte ich, es kommt bestimmt etwas dazwischen. (..) Wunderbares Wetter hatten wir. Vom Fenster kam ich gar nicht mehr weg. Es gab doch immer etwas zu sehen. ‚Porta Westfalica’ konnten wir gut, aber leider nur flüchtig vom Zuge aus sehen. Überall arbeiteten die Bauern auf dem Felde. Schade war es, dass vieles so schnell vorüberflog. Hannover hatten wir hinter uns. Je weiter wir fuhren, desto mehr änderte sich die Farbe der Kleidung der Bauersleute. Die Farben waren viel lebhafter, und die Frauen trugen mächtig weite Röcke in meist grüner oder roter Farbe. Wir waren in der Nähe von Bückeburg. Unermüdlich brachte uns der D-Zug unserem Ziele näher. Das mächtige Industriegebiet Dortmund und Essen und Duisburg breitete sich vor uns aus. In Duisburg mussten wir umsteigen. Wir gingen gerade auf den Zug nach Kleve zu, als unser Onkel (Heinrich Banning) uns entdeckte und uns mit seinem Wagen nach Dinslaken brachte. Am Abend dieses Tages machte ich eine wunderbare Autofahrt von Dinslaken nach Kleve über Kalkar, Seydlitz’ Geburtsort, Wesel und Xanten. (..) Von der Umgebung war ich sehr begeistert. Und in der Dämmerung erschien mir die Landschaft besonders schön. Hier eine Baumgruppe, dort ein einsamer Bauernhof und ringsherum Felder, Wald und Wasser. Nach mehrstündiger Fahrt kamen wir dann in Kleve an. Leider durfte ich mir am Abend den schönen Garten nicht mehr ansehen“ (Isa-Karla Neumann, Jugenderinnerungen, 1942)



Kleve Lindenallee
Im Jahre 1939, wenige Wochen vor Ausbruch des II. Weltkriegs, unternahmen Merges´ und Neumanns von Kleve aus eine Campingreise zum Nürburgring. Hein mit seiner Familie und Ötti, die seit 1933 mit Gerhard Kersten verheiratet war, gehörten auch zu der Familiengruppe.



1.R.v.l.: Gerhard Kersten, Klaus Banning, Christa, Käthe u. Isa Neumann, Heinrich Banning, Mia Merges, Ötti Kersten, Adolf Merges, Ulla Banning

„Nach all diesen schönen Tagen hatte unser Onkel sich noch etwas besonders Schönes ausgedacht, nämlich mit dem Wohnwagen eine Fahrt am Rhein entlang bis Koblenz, dann die Mosel abwärts bis zur Eifel zum Nürburgring. Nun wurde wieder feste gepackt. Nur das Nötigste wurde mitgenommen, natürlich durfte es auch nicht unbequem sein. Und so starteten wir am 16. Juli. Nach einer langen und sehr schönen Tagesfahrt erreichten wir unser erstes Ziel, welches kurz vor Koblenz lag. Direkt am Rhein, gegenüber Schloss Rheineck, wurde unser Wohnwagen aufgebockt.“ (Isa-Karla Neumann, Jugenderinnerungen, 1942)


Mia Merges, Käthe Neumann mit Peter Böge, Paula Barthel 1957

Das herzliche und innige Verhältnis zwischen Käthe und Mia bestand in den Jahren vor und auch nach dem II. Weltkrieg, als Neumanns mit Hilfe von Hein Banning aus der „Ostzone“ an den Niederrhein übersiedelten. Vor dem Krieg waren es die gemeinsamen Urlaube und die Aufenthalte in Kleve in der Lindenallee, die die beiden Familien verbanden. Nach dem Krieg waren es die wöchentlichen Kaffeetafeln in der Duisburger Straße, die die Schwestern abhielten. Mitunter war auch Paula dabei,

Dinslaken in den 1920er Jahren
die sich ebenfalls eng mit Mia verbunden fühlte, denn die beiden Schwestern führten bis in die Mitte der 20er Jahre ihrem Vater den Haushalt, zunächst in der wohlhabenden Gruftstraße, später in der ärmlichen Gärtnergasse.

„Der wöchentliche Freitagsbesuch bei Tante Mia war fast schon Tradition. Wir begleiteten unsere Großmutter sehr gern zu Tante Mia, denn sie besaß schon damals einen Fernseher, was für uns eine große Attraktion war.“ (Henning Lauterbach-Böge 1971)



Emil und Mia um 1960
In den 50er und 60er Jahren wohnten die fünf Geschwister Käthe, Paula, Mia, Hein und Ötti in einem Umkreis von 3-5 Kilometern, aber die gemeinsamen Treffen der vier Schwestern waren eher selten. Ich denke, es gab insbesondere zwischen Käthe und Paula, die ja eigentlich gemeinsam aufgewachsen sind, große Gegensätze, die sich möglicherweise darauf zurückführen lassen, dass

Mia 1960
Paula „Vaters Kind“ war, und Käthe den Vater allein für den Verlust von Riswick und den Tod der Mutter verantwortlich gemacht hatte. Man kann die Nähe von Paula zu ihrem Vater auch daran erkennen, dass ihr Zweitgeborener (Jahrgang 1928) nach dem Vater genannt worden ist. Paula erwähnte über ihre nur gut ein Jahr ältere Schwester öfters, dass sie in der Verwandtschaft nur „Fräulein Käthe“ genannt wurde, woraus man schließen kann, dass Käthe sich in der Landwirtschaft nicht wohl fühlte und nach „Höherem“ strebte.

Käthe besuchte Mia regelmäßig und häufig in der Duisburger Straße, dort, wo sich die Fahrschule Merges befand. Nachdem Käthes Tochter Isa in Berlin den Urologen Konrad Voigt geheiratet hatte, hielt sich Käthe häufiger dort auf, so dass die Zusammenkünfte der beiden Schwestern seltener wurden.

Käthe 1963

„Tante Käthe war damals 1963/64 mit der kleinen Katrin öfter in Friedrichsfelde, um ihre Schwester zu besuchen.“ (Else Merges in einem Brief vom 04.05.2009)


Als dann Isa, die sich in den 50er Jahren als Krankenschwester in der stadtbekannten Frauenarztpraxis Dr. Bernhard Wagner eine Hepatitis zuzog und trotz der Schwere ihrer Krankheit weiter arbeitete, zwei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter Katrin verstarb, blieb den Schwestern nicht mehr viel Zeit. Ende 1962, als Käthe den schmerzlichen Verlust ihrer erst 36jährigen Tochter Isa zu beklagen hatte, und Mia nach dem Tode ihres Mannes schwer erkrankte, gibt ein Kartengruß von Mia an Käthe Aufschluss über das enge Verhältnis der beiden Schwestern. Nach Emils Tod zog Mia zu ihrem Sohn nach Friedrichsfelde, wo sie bald einem schweren Krebsleiden erlag.

Kartengruß von mia Merges an ihre Schwester Käthe Neumann (Dezember 1962)

„Bei der Beerdigung von Mia waren ihre Schwestern, Paula, Ötti und auch Käthe, so wie Hedi und die Barthel-Mädchen dabei. Ganz so still war die Beerdigung nicht, denn wir haben uns alle anschließend bei uns in Friedrichsfeld zum Kaffeetrinken getroffen. (Mia) hat zwei Jahre bei uns im Haushalt gelebt und ist auch bei uns verstorben.“ (Else Merges in einem Brief vom 04.05.2009)



Ötti Kersten geb. Banning und Mia Merges geb. Banning



Käthe und Nora 1936 mit Christa und Isa



Hans Hiermes und Nora Hiermes geb. Banning (Hochzeitsfoto), 05.11.1939


Käthes Kontakte zu Paula, Nora und Ötti waren weniger intensiv. Ihre Schwester Nora sah Käthe wohl im Jahre 1936 das letzte Mal, als beide Schwestern im Spreewald Urlaub machten.

Nora unternahm in den 30er Jahren viele Reisen mit „Kraft durch Freude“ und landete im Jahr der Olympiade in Berlin in Burg im Spreewald. Von dort schrieb sie eine Urlaubskarte an Käthe in Halle, die sich zur gleichen Zeit im Spreewald aufhielt. Die Post aus Halle wurde in den Spreewald nachgeschickt, so dass es zu einem Wiedersehen der beiden Schwestern kam.

Nora hatte eine engere Bindung zu ihrem ein Jahr älteren Bruder Carl, was ein sehr seltenes Foto beider Geschwister aus dem Jahr 1920 (S. 31) zeigt. Nora wurde nach dem Tod der Mutter von Nora Schmitz geb. Banning (1869-1947) in Kranenburg aufgenommen. Carl kam knapp achtjährig zur Familie Hünnekes nach Kleve-Materborn. Nora musste schon sehr früh schwer in einer Bäckerei in Kleve arbeiten, ging um 1925 mit Paula, Hein und Karola nach Dinslaken und heiratete 1939 Hans Hiermes in Boppard am oberen Mittelrhein.

Paula hatte zu Mia ein enges Verhältnis, da diese beiden Schwestern den Verlust von Riswick, den Umzug in die Gruftstraße, den Tod der Mutter und dann den sozialen Abstieg in die Gärtnergasse bewusst miterlebten. Die beiden Ältesten lebten in diesen dramatischen Monaten und Jahren bekanntlich nicht mehr im Kleve.


Nora Banning, 30er Jahre
In der Zeit vor dem II. Weltkrieg standen sich auch Mia und Ötti, die am 9. Mai 1933 in der Oberstadtkirche in Kleve Gerhard Kersten heiratete, sehr nahe. Beide Schwestern verband ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater. Paula, Mia, Nora und Ötti waren die einzigen Geschwister, die ihrem Vater nicht vorhielten, er habe Riswick „verspielt“ bzw. „versoffen“.
Mia und Ötti kümmerten sich auch um das Grab ihrer Mutter auf dem Stadtfriedhof von Kleve, das Ende der 30er Jahre aufgelassen wurde.

Paula war die einzige, die nach dem Krieg Kontakte zu den Kusinen und Vettern in Keppeln, Obermörmter und Materborn pflegte, obwohl die Nachkommen von Heinrich und Theodora Banning als Kinder eines „bankrotten Bauern“ auch in der Familie stigmatisiert waren.


Paula Banning um 1920
Im Jahre 1920 begleitete Paula ihren Vater zur Beisetzung der Großmutter in Qualburg, die dort hoch betagt bei ihrem ältesten Sohn Hermann die letzten fünf Lebensjahre verbrachte.

„Und wir Jungen haben unten auf der Glasveranda gesessen. Und die Erwachsenen haben oben in der Kammer, in der Großmutter geschlafen hatte, Kaffee getrunken. Und wir Jungen waren doch nicht so traurig. Und da hat Tante Trautchen gesagt: ’Bei so’nem ernsten Anlass, da seid ihr so lustig!!!“ (Tonbandaufnahme Paula Barthel 09.04.1982)



Paula Barthel geb. Banning mit Irmgard 1932/1933
Weihnachten 1923 besuchte Paula ihre Schwester Käthe, die in einer Molkerei im thüringischen Gebstedt die Kontoristinnenstelle eingenommen hatte. Wenn beide in einem Café in Apolda, Buttstädt bzw. Weimar saßen und sich auf Clever Platt unterhielten, glaubte man, nach Tante Paula, dass sie Ausländerinnen seien. Später übernahm Paula die Patenschaft von Käthes Tochter Isa-Karla, und Käthe wurde Patin von Paulas jüngster Tochter Monika.

Paula hat sich größte Verdienste erworben, als es darum ging, die Familie nach dem Tod der Mutter einigermaßen zusammenzuhalten, aber das Verhältnis zu einigen ihrer Geschwister war über viele Jahrzehnte durch ein „Arme-Schwester-Syndrom“ geprägt. Insbesondere Käthe und Mia waren „gut“ verheiratet und lebten, wie später auch Hein, in finanziell gesicherten Verhältnissen. Paula, seit 1925 mit dem städtischen Angestellten Hermann Barthel aus Niederorschel im Eichsfeld verheiratet,

Familie Barthel um 1950
verließ Kleve und ihren Vater in der Gärtnergasse, nahm aber ihre beiden jüngeren Geschwister Hein und Karola mit nach Dinslaken.

Dort zog sie unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen sechs Kinder groß und konnte sich, wie Käthe, Mia und Hein, keine Urlaube am Rhein oder im Spreewald leisten. Darunter hat Paula offensichtlich mehr gelitten,

Familie Barthel um 1960
als es ihren Geschwistern bewusst war. Ihrem Vater hat sie ein Leben lang sehr nahe gestanden. Sie ist gewissermaßen „Vaters Jung“ geblieben. Käthe und Paula verband um 1950, dass innerhalb eines Jahres sowohl Käthes Ehemann Bruno als auch Paulas Ehemann Hermann in Dinslaken verstarben. Die Gräber der beiden Ehemänner lagen auf dem Dinslakener Kommunalfriedhof nicht weit voneinander.

In den 80er Jahren unterhielt ich mich mit Tante Paula intensiv über die Banning’sche Familiengeschichte, und sie äußerte kein einziges „schlechtes“ Wort über meine Großmutter, ihre nur knapp 2 Jahre ältere Schwester Käthe. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie ein wenig traurig darüber war, dass die beiden Schwestern sich im Alter nicht näher gestanden hatten,

Paula Barthel mit Tochter Monika
obwohl sie so nah beieinander gewohnt hatten. Aber Paulas Bild vom „vornehmen Fräulein Käthe“, das sich an den Jugendstreichen niemals beteiligte, blieb bestehen.

„Ich habe vieles bewusst miterlebt, ich war sehr neugierig, meine Mutter hat mich oft getadelt, Hermann und Käthe haben alles leichter genommen und waren ja auch nicht zu Hause.“ (Paula Barthel in einem Brief vom 24.01.1984)


Als ich Tante Paula Anfang der 80er Jahre meine familiengeschichtlichen Aufzeichnungen über den Verlust von Riswick zukommen ließ, antwortete sie recht melancholisch:

„Über Dein Angebinde habe ich mich nicht recht freuen können- es ist zu viel aufgewühlt worden-, und ich habe als Älteste zu Hause vieles erlebt, so dass ich heute noch daran trage.“ (Paula Barthel in einem Brief vom 29.12.1981)


Tante Paula sah ich im August 1987 anlässlich der Beisetzung meiner Mutter das letzte Mal.

Paula Barthel Anfang der 80er Jahre
Sie schien äußerlich im Vergleich zu den 70er Jahren, als wir uns in Dinslaken regelmäßiger sahen, kaum gealtert, obwohl zwei ihrer Söhne bereits verstorben waren. Zwei Jahre später ist sie in Dinslaken knapp 90jährig gestorben.

„Dann bist du der Einzige, der sich noch ein wenig um Tradition kümmert. Onkel Otto und Onkel Karl sind da doch anders- man spricht nicht so gerne davon- ich lebe immer noch viel in der Vergangenheit- bin ich wohl auch bald. Wollte immer noch gerne einmal nach Riswick, nun will ich es doch lieber im Gedächtnis behalten, wie es war.“ (Paula Barthel in einem Brief vom 21.12.1987)



Otto Banning
Carl und Otto hielten sich in den 30er Jahre in Bad Dürrenberg bei ihrer Schwester Käthe auf, die in einem Brief an Mia ein gutes Wort für Otto einlegte.

„Otto lässt fragen, ob er nicht in der Firma Merges unterkommen könnte, er möchte so gern ins Rheinland, er sollte in Haßenhausen am Montag anfangen, möchte aber erst Deine Antwort abwarten.“ (Brief von Käthe Neumann an Mia Merges vom 16.07.1930)



Otto Banning
Otto kehrte dann nach Kleve zurück und zählte nach dem Krieg bis in die 50er Jahre eigentlich auch zum Dinslakener Geschwisterzirkel. Erst 38jährig heiratete er die Dinslakenerin Marlene Schledorn und konnte mit ihr

„ein kleines Holzhaus beziehen. Das war damals wie ein 6er im Lotto“ (Else Merges 08.02.2008).


Später wurde Otto Zollbeamter an der deutsch-niederländischen Grenze in Isselburg und zog nach Niederkrüchten.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit war Mia, die inzwischen in Dinslaken lebte, Anlaufstelle für die Brüder Carl und Otto.

Marlene Banning geb. Schledorn
Beide hatten doch wesentlich jüngere Frauen gewählt: Marlene Schledorn (Jahrgang 1924) und Alwine Lindenberg (Jahrgang 1925).

„Die schwesterlichen Lästerungen von Ötti und Mia über die jungen Frauen ihrer Brüder waren recht unterhaltsam. Trotzdem wurden sie herzlich in die Familie aufgenommen.“ (Else Merges 08.02.2008)


Otto und Marlene Banning haben zwei Söhne: Ottmar und Reiner. Otto pflegte in den 50er und 60er Jahren auch Familienbeziehungen zu einigen Kusinen und Vettern am Niederrhein und stand im Kontakt mit Johannes Banning und Emma Hardering, bei deren Familie in Obermörmter er nach dem Tod der Mutter ab dem sechsten Lebensjahr gelebt hat. Otto kümmerte sich auch um das Grab seines Vaters auf dem Friedhof in Kleve, das meine Eltern und ich nach stundenlangem Suchen im Sommer 1971 gefunden haben.

Otto Banning mit Sohn Reiner
In späteren Lebensjahren waren vor allen Dingen seine Bindungen zu seinen Brüdern Hein und Carl sehr intensiv. Bei Paula und bei der Familie Barthel war er in den 70er und 80er Jahren ein gern gesehener Gast. Auf der Beerdigung meiner Mutter im August 1987 habe ich ihn das letzte Mal gesehen. Nach schwerer Krankheit starb Otto Banning 80jährig im Jahre 1990.
Marlene zog zu ihrem ältesten Sohn Ottmar, der im Schwarzwald lebt.

Thea und Hanni Banning
Eine besondere Familienbindung gab es zwischen Mia Merges und Theo Banning, dessen erste Frau Johanna im Jahre 1936 im Alter von 22 Jahren verstarb. Sie hinterließ ihm die damals vierjährigen Zwillinge Thea (nach Theodora) und Hanni (nach Johanna), die in den ersten Jahren von Mia in Kleve großgezogen worden sind.



Theo Banning

„Theo hat in Kleve das Kfz-Handwerk gelernt, kam als Monteur beim Vater von Emil Merges (unter), wo auch Karl und Otto das gleiche Handwerk erlernt haben. Er war dann Fahrer bei einem Textilhändler, hat später dessen Tochter geheiratet, daraus gingen Zwillingstöchter hervor. Seine Frau starb, als die Töchter vier Jahre alt waren. Die Töchter kamen zu Tante Mia Merges. Im Jahre 1938 hat er wieder geheiratet, aus der zweiten Ehe hat er noch zwei Mädchen und einen Jungen. Von den Kindern ist ein Mädchen jetzt in Australien, das andere Mädchen ist in Amerika verheiratet. Der Junge ist als Botschaftsangestellter bei einer deutschen Botschaft in einer der Golfstaaten, ich glaube in Oman. Onkel Theo war nach dem letzten Kriege als Kfz-Meister bei einer großen Spedition in Krefeld. Vorher hat er sich mit einer Tankstelle mit Garagen selbstständig gemacht, leider musste er das aufgeben, es brachte nicht genug ein. In den späteren Jahren hat er sich noch mal selbstständig gemacht mit einer Kfz-Werkstatt in Viersen und lebte getrennt von seiner Frau. Er wurde krank und starb 1973 an Leberkrebs.“ (Otto Banning in einem Brief vom 13.11.1985)


Theo und Karin Banning mit Wolfgang

Im Jahre 1938 heiratete Theo Katharina Hoppenkamps (1912-1995), die in der Familie Karin genannt wurde. Ute (1939), Karin (1940) und Wolfgang (1944) sind die Kinder aus dieser Ehe. Während des Krieges lebte Theo mit seiner Familie in Thüringen und ist nach Kriegsende nach Mönchengladbach zurückgekehrt. Dort ist Theo im Jahre 1973 gestorben, getrennt, aber nicht geschieden lebend von seiner zweiten Frau Karin.


Wolfgang, Ute und Karin Banning
Nach dem Ende des Krieges sammelte sich der Banning-Clan in Dinslaken um Hein Banning. Aus Kleve kamen Merges, und aus Solingen Kerstens. Neumanns zogen aus Halle an der Saale, inzwischen sowjetisch besetzt, an den Niederrhein. Nora lebte nach ihrer Vermählung mit Hans Hiermes im Jahre 1939 nicht mehr in Dinslaken, wo sie mehrere Jahre als Hausdame bei Dr. Fraune in der Friedrich-Ebert-Straße gearbeitet hatte.

Adolf Merges

„Hein hatte ja gute Kontakte zu den Engländern und so gelang es ihm, die Segelfliegerhalle in Eppinghofen als Auto-Werkstatt zu nutzen. Ein altes Haus auf dem Gelände diente Gerd und Ötti als Wohnstatt. Emil, gut im organisieren, zog eine Kriegsgefangenen-Baracke an Land. Die Hälfte wurde als Wohnraum ausgebaut und der Rest war Garage und Werkstatt. Ein Auto hatte er auch schon. Emil Merges war Geschäftsführer bei Hein Banning so lange, bis er seine Mietwagenlizenz hatte. Gerd war Mädchen für alles und passte nachts auf, dass nichts geklaut wurde.“ (Else Merges in einem Brief vom 08.02.2008)


Maria Merges geb. Banning

Später eröffnete Hein Banning ein großes Autohaus in der Bahnstraße in der Dinslakener Innenstadt, und Emil Merges betrieb eine Fahrschule in der Duisburger Straße.

Ötti habe ich als Knabe bei uns in Dinslaken-Lohberg erlebt, wenn es darum ging, in den frühen 60er Jahren eine Todesnachricht, noch bevor das Telefon in alle Haushalte einzog, zu überbringen. Besonders erschütternd war der Tag, als sie uns persönlich mitteilte, dass Onkel Hein auf der Überfahrt von Dover nach Ostende verstorben war und dass er noch hätte gerettet werden können, wenn an Bord ein Arzt gewesen wäre.

Ötti Kersten geb. Banning, Ulrike und Bärbel, Gerd Kersten (v.l.)

„Tante Ötti starb 1969 nach einem sehr qualvollen Leiden. Sie lag monatelang im Gippsbett. Als meine Mutter sie im Krankenhaus besuchen wollte, war Tante Ötti am Abend davor verstorben. Für meine Mutter war diese Nachricht ein Schock. Sie rief sofort meine Großmutter an, die in Berlin weilte, und berichtete ihr vom Tode Tante Öttis. (..) Onkel Gerd arbeitet in der Werkstatt seines Schwagers. Ich sehe ihn fast täglich. Wenn ich mit dem Bus zur Schule fahre, fahren wir bei Bannings vorbei, und Onkel Gerd sitzt meistens in dem kleinen Häuschen neben den Tanksäulen. (..) Auch treffen wir Onkel Gerd oft auf dem Friedhof, denn er pflegt Tante Öttis Grab mit großer Fürsorglichkeit.“ (Aufzeichnungen Henning Lauterbach-Böge 1971)


Ötti Kersten geb. Banning Mitte der 60er Jahre

Über die Lebensverhältnisse der Brüder Hermann, Theo, Carl und Otto in der Zwischenkriegszeit verfüge ich kaum über Informationen. Nach dem Tod der Mutter bleib Theo, der „Titz“ genannt wurde, im Haushalt des Vaters in der Gärtnergasse, Carl wuchs bei Hünnekes in Kleve-Materborn auf, und Otto fand Aufnahme in Obermörmter beim Müller Johann Hardering, dem Mann seiner Tante Cäcilia. Seine Jugendzeit verlebte Carl in Kleve und ging bei Emil Merges in die Kraftfahrzeuglehre.

“Ich spielte in der Regenzeit bei meinem Onkel, dem Lehrjungen Carl. Schon frühmorgens trieb ich mich in der Autowerkstatt herum, montierte Räder ab und an, polierte die Wagen und musste andauernd Schlüssel oder anderes Werkzeug holen. Ich fühlte mich bei dieser Arbeit sehr wohl, brauchte ich doch nicht aufzupassen, ob ich schmutzig wurde, sondern konnte mich beschmieren, so viel ich wollte.“ (Isa Neumann, Erinnerungen an meine Jugend, 1942)



Isa und Christa Neumann Weihnachten 1930 von Carl Banning aufgenommen
Carl verbrachte an Weihnachten 1930 einige Tage bei seiner Schwester Käthe in Bad Dürrenberg.

„Karl war bis zum 4ten hier. Es hat mir so leid getan, dass ich dem armen Bengel gar nichts bieten konnte.“ (Brief von Käthe Neumann an Mia Merges vom 16.01.936)


Dabei „schoss“ er ein nicht ganz geglücktes Foto seiner Nichten Isa und Christa, das er mir anlässlich des Familientags in Till-Moyland 1999 übergab. Wahrscheinlich ist er von Neumanns aus Bad Dürrenberg im Januar 1931 direkt nach Böhmen gegangen, denn Käthe teilte Mia Carls neue Adresse brieflich mit:


Carl Banning 1952

(Handschrift Käthe)


Später lebte Carl einige Jahre in Böhmen, Dresden und Prag. Im Jahre 1945 floh er mit seiner Familie in den Westen und „verlor“ dabei seinen zweijährigen Sohn Klaus-Dieter, der in einem Krankenhaus bei der überstürzten Flucht „vergessen“ worden ist und möglicherweise heute mit einer anderen Identität noch lebt.


Alwine mit Beatrix, Carl mit Georg und Doris Banning
Hermann, Theo, Carl und Otto lebten in der Nachkriegszeit im Großraum Köln und bildeten ein eigenes Familien-Netzwerk. Erstaunlicherweise haben sie sich offenbar nicht um ihren betagten Onkel Balthasar Banning (1871-1962), jüngerer Bruder ihres Vaters, der als wohlhabender Pensionär bis ins hohe Alter in Bonn lebte, und der nur knapp sechs Wochen nach seiner ebenfalls hoch betagten Ehefrau Gertrud Banning (1878-1962) im Jahre 1962 verstarb, gekümmert.

Es gab besonders zwischen Hermann und Carl engere Familienkontakte. Der eine wohnte in Frechen, der andere in Weiden. Hermanns einzige Tochter Christine (Jahrgang 1923) war Taufpatin von Doris (Jahrgang 1940), Carls ältester Tochter.

Carl, Otto und Hermann Banning


Carl heiratete in zweiter Ehe Alwine Lindenberg. Doris, die Tochter aus seiner ersten Ehe, bekam mit Georg und Beatrix Anfang der 50er Jahre zwei Geschwister.


Theo Banning (links) und Alwine Banning (rechts)
Als Ottos Sohn Ottmar Reinhild Ramerkers heiratete, zählte auch Theo zu den Hochzeitsgästen. Ansonsten hörte man von Theo nicht viel. Als meine Großmutter 1970 starb, versuchte mein Vater vergeblich seine Adresse heraus zu finden, so dass wir ihn nicht vom Tod seiner Schwester Käthe informieren konnten.

Die Goldene Hochzeit von Hermann und Maria Banning, gefeiert 1971 in Köln, war eines der wenigen größeren Zusammenkünfte des „Kölner Zirkels“. Hein, Mia, Ötto und Käthe waren bereits verstoben, aber weder Paula noch Nora nahmen an der Goldenen Hochzeit ihres Bruders teil.


Goldene Hochzeit Hermann und Maria Banning



Theo Banning und Thea Koenen geb. Banning (1934-2008)



Paula Barthel, Elke Wimmer, Karola Krauß und Willi Krauß in den 70er Jahren in Ballstedt/Harz
In den 60er und 70er Jahren führten die Wege einiger Geschwister auch nach Halle an der Saale zu Karola, die nach dem Bau der Mauer nicht mehr in den Westen reisen durfte.
Im Jahre 1960 waren Karola und Willi ein letztes Mal bei den Geschwistern am Niederrhein. Man plante die Flucht in den Westen, aber kurz vor dem Mauerbau im August 1961 wurden die Pläne, einen neuen Beginn zu wagen, kurzfristig fallengelassen. Käthe, Paula und Irmgard, Ötti und auch Hedi Banning versuchten die Familienbindungen nach „drüben“ aufrechtzuerhalten und besuchten Karola in Halle/ Saale und später in Ballenstedt im Harz bzw. trafen sich mit Karola und Willi in Ost-Berlin. Käthe war seit 1946 niemals mehr in Halle, obwohl sie sich seit 1960, als ihre Tochter Isa-Karla den Arzt Konrad Voigt heiratete, oft und längere Zeit in Berlin (West) aufhielt. Die schwere Krankheit ihrer Tochter, die schließlich dazu führte, dass Isa Voigt geb. Neumann mit nur 36 Jahren starb, konnte Käthe niemals überwinden. Käthe war ein sehr mütterlicher Typ. Sie liebte Kinder über alles, zog ihre zwei Töchter groß, nahm ihre jüngste Schwester Karola auf,

Hedi Banning und Karola Krauß in den 70er Jahren in Halle/Saale
musste sich mit dem Säuglingstod ihres 1930 geborenen Sohnes Ulrich abfinden, war für ihre Nichten Henrike Banning und Elke Krauß mehrere Jahre wie eine Mutter, hätte sich auch Ulla und Klaus Banning nach dem Tode von Tante Guste angenommen, war dann für ihre vier Enkelkinder eine ideale Großmutter und erlebte sogar noch ein Jahr vor ihrem Tod ihr erstes Urenkelkind, das sie als Säugling eben falls mit Hingabe versorgte.

Zwischen 1970 und 1986 war ich mehrmals in Halle bzw. Ballenstedt und stellte eine so große Ähnlichkeit zwischen meiner Großmutter Käthe und ihrer Schwester Karola fest, so dass ich in Karola eine Art „Ersatz-Großmutter“ sah.

Isa Karla Voigt geb. Neumann (1926-1962) mit Katrin
Diese Ähnlichkeit war nicht nur äußerlich, sondern zeigte sich auch im Wesen der beiden Schwestern. Für meine Mutter war Karola wie eine ältere Schwester, für mich war sie eine Ersatz-Großmutter, und wir haben um sie tief getrauert, als sie überraschend im Sommer 1986 in Ballenstedt verstarb und wir sie auf ihrem letzten Weg begleiteten.

Käthe lebte nach dem Tod von Isa zurückgezogen in Dinslaken. Politisch war sie konservativ ausgerichtet. Sie war kulturell, politisch und historisch sehr interessiert und engagiert und stritt z.B. mit ihren Enkelsöhnen, wenn sie z.B. eine These aus dem Geschichtsunterricht vertraten, Deutschland sei am Entstehen des I. Weltkriegs allein schuldig gewesen. Sie war christlich, aber nicht kirchlich eingestellt. Wir beteten am Mittagstisch und vor dem Einschlafen, aber ich kann mich nicht erinnern, sie einmal in einem evangelischen Gottesdienst gesehen zu haben, obwohl sie im Jahre 1925 vom Katholizismus

Käthe Neumann geb. Banning mit Karen Voigt 1964
zum Protestantismus übertrat. Zwischen den Geschwistern ging konfessionell gesehen ein „Riss“: Paula, Nora und Ötti waren katholisch geblieben und bekannten ihren Glauben auch durch regelmäßige Messebesuche. Käthe und Hein standen später der römisch-katholischen Kirche fern und schwammen im „Dritten Reich“ auf der gleichen politischen Wellenlänge.


im Uhrzeigersinn: Karola Krauß geb. Banning 1971, Käthe Neumann geb. Banning 1962, 1964 und in den 50er Jahren



Käthe Neumann mit Ur-Enkel Frank Böge 1969
Über die politischen und religiösen Einstellungen der anderen Geschwister habe ich keine gesicherten Erkenntnisse. In gesellschaftlicher Hinsicht waren die Bannings gut-bürgerlich. Ich erinnere mich noch an eine der wenigen Äußerungen meiner Großmutter über ihre Familie, dass sie stolz darauf war, dass trotz der familiengeschichtlichen Widrigkeiten alle Geschwister recht schaffende Menschen geworden waren. Der Satz vom Stolz auf das „Banning’schen Bauernblut“ in ihren Adern ist wohl auch gefallen.

Die Bindungen innerhalb der jeweiligen Zirkel vor und nach dem Krieg waren relativ eng, wenn man daran denkt, unter welchen dramatischen Umständen die Familie nach dem Verlust von Riswick und nach dem Tod der Mutter zerbrach. Die einzelnen Zirkel trafen sich nach dem Krieg auf verschiedenen Ebenen. Zunächst waren es die Zusammenkünfte auf den am Niederrhein nicht immer nur traurig verlaufenden Beerdigungs-„Nachfeiern“.

Paula Barthel und Hedi Banning, 1. Clantreffen 1967


Im Jahre 1953 kam es anlässlich der Beerdigung von Carl Banning (1875-1953), dem jüngsten Bruder von Heinrich Banning (1866-1946), zu einem großen Familientreffen in Keppeln, an dem die „Dinslakener Bannings“ (Käthe, Paula, Mia, Hein und Ötti) nach Jahrzehnten mit den Vettern und Kusinen aus Keppeln, Riswick, Obermörmter, Materborn und Kranenburg zusammentrafen. Es fehlten in Keppeln wohl die „Emmericher“ und die „Holländer“, denn

„die Familie von Tante Emma aus Emmerich ist durch die totale Vernichtung von Emmerich ums Leben gekommen“,


Hedi Banning, Ötti Kersten, Marlene Banning

und die Kinder der nach Holland verheirateten Anna Maria Mulder geb. Banning, der ältesten Schwester von Heinrich Banning „waren sehr feindlich gegen uns Duitsche gesinnt“ und kamen auch nicht zu diesem großen Familientreffen. (Karl Hünnekes in einem Brief vom 25.03.1982)


Otto Banning und Käthe Neumann
Die Bannings trafen sich in den frühen 60er Jahren meist aus traurigem Anlass, wenn einer der ihren zu Grabe getragen wurde. Aber die Zusammenkünfte nach den Beerdigungen verliefen oftmals mit Rückblicken in die Vergangenheit und nicht zuletzt in die Kindheit von Riswick. Insbesondere Paula und Ötti unterhielten in „Klever Platt“ die Teilnehmer der Familienzusammenkünfte. In den 50er Jahren verkehrten die Familie Neumann, Barthel, Merges, Heinrich Banning und Kersten miteinander.

Die Familien lebten in einem Umkreis von rund 3 Kilometern, sahen sich dann aber in den 6oer Jahren fast nur noch auf Trauerfeiern und Beerdigungen. Der Ausgangspunkt für alle späteren Familientage war das sog. Sippentreffen bei Paula im Jahre 1967 nach dem relativ frühen Tod von Hein, der im September 1963 auf der

Carl Banning im Kreise seiner Nichten Monika, Bärbel und Irmgard
Überfahrt von Dover nach Calais einem Herzversagen erlag, und Mia, die 1964 an den Folgen einer unheilbaren Krebserkrankung verstarb. Paula lud in ihre Wohnung in der Hünxerstraße alle Geschwister ein, und es kam zu einem Zusammentreffen von Käthe, Paula, Carl, Otto und Ötti. Hermann und Theo, die noch 1962 zur Beerdigung von Emil Merges bzw. 1963 zur Beerdigung von Hein nach Dinslaken kamen, fanden wie Nora den Weg zu Paula damals leider nicht.

„Meine Geschwister haben nicht viel Interesse an der Sippengeschichte, da sie alle von Riswick sowie so nichts wissen.“ (Paula Barthel in einem Brief vom 06.07.1986)


Adolf und Else Merges, Christa Böge

Trotzdem war dieses Familientreffen in Dinslaken, in der Hünxer Straße bei Barthels, sehr erfolgreich. Das nächste Familientreffen wollte Käthe organisieren. Noch bevor bei Käthe in Dinslaken das nächste Clantreffen stattfinden konnte, starb sie plötzlich und unerwartet im Januar 1970. Paula und Carl nahmen an der Beisetzung auf dem Dinslakener Kommunalfriedhof teil. Einige Monate davor nahm die Familie Abschied von Ötti, die nur 59jährig im September 1969 an den Folgen einer schweren Krebskrankheit starb.

Im Sommer 1977 wurden die Bannings von Carls Tochter Doris Monier nach Brüssel eingeladen, aber auch hier fehlten Hermann, Nora und Karola, die keine Ausreise aus der DDR erhalten hatte. Neben den Geschwistern Paula, Karl und Otto waren eine Reihe von Enkeln und Urenkelkindern von Heinrich und Theodora Banning anwesend: Christa, Irmgard, Ulla, Monika und Ulrike, Töchter von Käthe, Paula bzw. Ötti und Adolf und Wolfgang, die Söhne von Mia und Theo waren unter den Teilnehmern des Familientreffens.


Brüssel 1977: 1.R.v.l.: Beatrix Bleyl, Josefine Banning, Amir und Jannette, Doris, N.N., Wolfgang und Roswitha Banning
2.R.v.l.:N.N. Monier, Alwine, Jürgen Bleyl, Carl Banning


Wenige Wochen vor dem Familientreffen verschied aus nicht ganz geklärten Gründen Hedi Banning, die zweite Frau von Hein, die sich ebenfalls sehr engagiert an den Vorbereitungen zum Brüsseler Familientreffen beteiligte.


Hedi Banning 1969
Die drei Kinder von Heinrich Banning, Ulla, Klaus und Henrike, kamen nicht nach Brüssel. Ihr Tod, ob Freitod oder Mord, war natürlich Gesprächsthema auf dem Familientreffen. Tante Hedi hinterließ jedenfalls bei den „Dinslakener Bannings“ eine große Lücke. Aber auch in Köln, Niederkrüchten und Halle wurde ihr tragischer Tod sehr bedauert.

Die Beisetzung ihrer Urne in der Banning’schen Familiengruft, in der inzwischen, neben Auguste, Heinrich und Käthe Banning auch Jens Heikamp, Henrikes ältester Sohn, Henrike und Ulla Banning ihre letzte Ruhe gefunden haben, verlief in einer sehr angespannten Atmosphäre, da Hedis großer Freundeskreis mehr oder weniger offen ihren drei Stiefkindern wenn nicht Schuld, so doch Mitverantwortung an dem tragischen Ereignis gab. Es wurde hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, dass Hedi Banning einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war. Auffällig war seinerzeit, dass Klaus Banning, der 1986 in den USA verstarb,

Paula, Otto und Karola 1985
in Dinslaken war, als seine Stiefmutter starb. Die Einschätzung von Hedi Banning im Frühjahr 1977, dass sie sich bedroht fühle, nährten die Spekulationen über einen unnatürlichen Tod.

In den 70er und 80er Jahren trafen Carl und Otto jährlich zu Paulas Geburtstag am 6. September mit den Dinslakener Verwandten zusammen. Beide Brüder waren auch durch die Freundschaft der Ehefrauen Alwine und Marlene verbunden und unternahmen gemeinsame Reisen z.B. nach Süd-Tirol.

An einer dieser Reise nahm sogar einmal Nora Hiermes teil, die sich ansonsten aus den jeweiligen Netzwerken sehr heraushielt und sich in späteren Jahren mit Karola, der jüngsten Schwester, einmal jährlich traf. Paula war wohl auch einige Male bei Nora in Kirchwald. In den 80er Jahren, noch vor dem Fall der Mauer, reisten Karola und Willi

Carl Banning, Paula Barthel und Otto Banning am 6. September 1975
aus der DDR regelmäßig in den Westen. Beide genossen die Besuche bei den Geschwistern und hielten sich bei der Familie von Käthe in Dinslaken und bei Nora in der Eifel auf. Ein Höhepunkt dieser jährlichen Besuche war Paulas Geburtstag am 6.September, an dem es in der Regel zu einem Wiedersehen von vier Geschwistern und etlichen Neffen und Nichten kam.

Ulla Simpson geb. Banning 1999

Im Jahre 1998 begannen die Vorbereitungen auf ein Familientreffen in Till-Moyland und Riswick, zu dem ich aus Anlass des 100. Geburtstages von Käthe Neumann geb. Banning an den Niederrhein eingeladen hatte. Ein Höhepunkt des Familientreffens im Mai war eine hl. Messe, die am Abend in St. Martin in Qualburg zum Gedenken an die Familie Heinrich und Theodora Banning gefeiert wurde, und an der der einzige noch lebende Sohn Carl, ein Jahr vor seinem Tod, noch teilnehmen konnte.

Nora Hiermes geb. Banning Anfang der 90er Jahre
Das Verhältnis der Banning-Geschwister zur römisch- katholischen Kirche war insgesamt gespalten. Einzig Paula, Nora und Ötti blieben dem Katholizismus ein Leben lang verbunden. Käthe, Mia, Hein und Karola konvertierten am Tag ihrer Eheschließung und traten zur evangelisch-lutherischen Kirche über, worüber sich Paula in einem Gespräch mit mir einmal zurückhaltend kritisch geäußert hatte. Sie hatte ein „normales“ Verhältnis zur katholischen Religion und bemerkte einmal süffisant, dass man zu Nora in der Osterwoche nicht fahren dürfe, da sie dauernd zur Kirche gehen.

Am 29. Mai 1999 trafen sich die Bannings in einem Gasthof direkt am Schloss Moyland, das den Baronen van Steengracht gehört und in dem heute ein weltbekanntes Joseph-Beuys-Museum untergebracht ist. Den Steengrachts gehört noch heute das ehemalige „Banning’sche Haus“ in Till-Moyland, in dem die Familie vierzig Jahre bis 1902 gelebt hat. Das Abendessen wurde unweit von Riswick im „Erfken“ eingenommen. Dort in der alten Traditionsgaststätte am Rheindeich war bereits Heinrich Banning als stolzer und erfolgreicher Riswicker Landwirt und Molkereibetreiber Stammgast. Vom „Erfken“ fuhr er in den „guten, alten Zeiten“ mit seinem treuen Pferd Laura zu seinem Hof in Riswick,

Carl Banning, Henning Lauterbach, Mai 1990
der nur wenige Kilometer entfernt stand. Meistens nickte Hein auf dem Kutschbock ein wenig ein, aber seine gute Laura fand den Weg zum Hof auch allein.

Nun trafen sich seine Nachkommen dort zur fröhlichen Abschiedsrunde eines sehr emotionalen Familientreffens, das von der Anwesenheit des „Oberhaupts“ Carl Banning gekrönt wurde und auf dem wie immer viele alte Geschichten erzählt worden sind.


Ottmar, Valentin und Holger Banning
Eintrag von Carl Banning als "Familienoberhaupt" ins Gästebuch


Auf der Fahrt mit einem gemieteten Buss von Moyland nach Kleve zeigte uns der Pfarrer von St. Vinzenz in Till das Taufbecken, über dem alle Nachkommen von Hermann und Katharina Banning, und Heinrich, Käthe, Paula und Heinrich als Nachkommen von Heinrich und Theodora Banning getauft worden sind. Vor dem über 250 Jahre alten „Geburtshaus“ („Rode Heert“) trafen sich die Familientagteilnehmer mit Paul Hünnekes, einem entfernten Verwandten, dessen Familie seit 1902 den alten Pachthof der Bannings bewirtschaftet. In der katholischen Kirche von Qualburg fand am Abend im Beisein vieler Familienmitglieder eine feierliche Messe für die Familie Heinrich und Theodora Banning statt, bevor sich die Familie in die Traditionsgaststätte „Zum Erfken“

Ulrike Kersten und Irmgard Barthel
zwischen Till-Moyland und Riswick zurückzog, dort, wo zu Beginn des 20. Jahrhunderts der tüchtige Heinrich Banning verkehrte, dessen langes Leben durch viele tragische Ereignisse geprägt war. Die Nachkommen trafen sich nicht weit von dem Ort, an dem Anfang des letzten Jahrhunderts Heinrich und Theodora Banning auf dem eigenen Besitz glückliche Jahre im Kreis einer wachsenden Familie verlebte, bevor mit dem Umzug in die

„Villa Ohnesorgen“ (Dora Banning an Käthe am 28-10.1915)


in die Klever Gruftstraße der wirtschaftliche und soziale Abstieg der Familie Heinrich Banning begann. Die hl. Messe erinnerte an die katholischen Wurzeln der Familie. Dass Dora Banning im Bann der katholischen Kirche stand, steht außer Zweifel, aber auch für Heinrich Banning gilt folgende Einschätzung:

„Ich kann Onkel Hein nur ein gutes Zeugnis ausstellen, er war stets hilfsbereit, (hatte) ein gutes Gemüt und (war) sogar sehr gut katholisch erzogen.“ (Karl Hünnekes in einem Brief vom 12.06.1982)





Verlauf des 4. Familientages der Familie Banning

Protokoll von Henning Lauterbach 1999

1. Kurzes Grußwort des Familienoberhauptes Carl Banning

2. Begrüßung durch Henning Lauterbach
Ich begrüße euch zum 4. Familientag des Banning-Clans in Till-Moyland. Nach dem 1. Familientreffen bei Tante Paula 1967 in Dinslaken, an dem u.a. meine Großmutter, Onkel Carl, Tante Ötti und Onkel Otto teilnahmen, dem 2. Familientag bei Doris und Monier 1977 in Brüssel und dem 3. Familientag ebenfalls bei Doris und Monier 1989 im Westerwald freue ich mich sehr, euch in Till-Moyland, wo die Wurzeln des Banning-Clans liegen, zu begrüßen.
Der äußere Anlass dieses Familientages ist die Erinnerung an meine Großmutter Käthe Neumann geb. Banning, die im Dezember 1898, also vor rund 100 Jahren, in Till auf die Welt kam.
Meine Großmutter, die ein sehr gespaltenes Verhältnis zur Familie Banning hatte, war ein Stadtmensch und verließ schon mit 16 Jahren ihre niederrheinische Heimat. Den Verlust von Riswick, den plötzlichen Tod ihrer Mutter im März 1916, das Auseinanderbrechen der Familie fasste sie in dem Satz zusammen: "Mein Vater hat Riswick und damit alles verspielt." Mehr war aus ihr über ihre Familie nicht herauszubekommen.
Ihr unerwarteter Tod vor nahezu 25 Jahren führte mich - als eine Form der Trauerarbeit - zur intensiven Beschäftigung mit der Geschichte der Familie Banning.
Meine erste Anlaufstelle war Tante Paula in Dinslaken. Tante Karola aus Halle, die Jüngste, .. wurde mir in den 70er Jahren -auch wegen ihrer großen Ähnlichkeit mit meiner Großmutter- zu einer Art "Ersatzgroßmutter". Leider waren die Geschwister wie Onkel Hein und Tante Mia, die meiner Großmutter besonders nahe standen und die mir aufgrund ihres Alters sicherlich viel über die Geschichte der Bannings hatten erzählen können, bereits in den frühen 60er Jahren verstorben. Anfang der 70er Jahre knüpfte ich Kontakt zu Johannes Banning und Emma Hardering, Cousin und Cousine meiner Großmutter. Zehn Jahre später stand ich mit dem Cousin Karl Hünnekes in einem intensiven Briefwechsel und erfuhr die "wahre" Geschichte des Verlustes von Riswick.


1. Reihe v.l. Doris Monier mit Carl Banning im Rollstuhl, Ottmar Banning, Marlene Banning, Ulla Büttgen, Inge Lauterbach (mit Strohhut), Frau Mewes (Stadtführerin von Kleve), Alwine Banning, Gabriele Brinkkötter, Beatrix Bleyl, Friederike Kirsch
2. Reihe v.l. Henning Lauterbach, Fouad Monier, Monika Traub, Silke Banning
3. Reihe v.l. Peter Brinkkötter, Johannes Büttgen, Elke Wimmer, Jürgen Bleyl



Emma Banning geb. Hardening und Paula Barthel geb. Banning Anfang der 70er Jahre
Es würde den Rahmen sprengen, sie jetzt auszubreiten. Nur so viel: Das Bild von Heinrich Banning, dem Vater von Hermann, Kathe, Paula, Mia, Hein, Theo, Nora, Carl, Ötti und Otto und Karola, erschien in einem gänzlich anderen, nämlich positiven Licht.

Aber dies ist Geschichte!
Nun wollen wir auf den heutigen Familientag blicken. Nach einem kleinen Imbiss fährt uns ein Bus nach und durch Kleve, Riswick und Till, dorthin, wo noch heute der zwischen 1860 und 1902 von den Bannings bewirtschaftete Hof steht. In der Kirche von Till werden wir den Taufstein sehen, über den die ältesten vier Bannings zwischen 1897 und 1902 getauft wurden. Wir werden mit den entfernten Familienverwandten Hünnekes zusammentreffen, die seit 1902 den Hof in Till bewirtschaften. Kaffeetrinken und Abendbrot wird im "Erfken" angeboten und um 18.30 Uhr werden wir in der Kirche von Qualburg zu einer hl. Messe für Heinrich und Theodora Banning erwartet.

Till-Moyland November 2008, "Geburtshaus"
Lasst uns am Schluss besonders den Verstorbenen der Familie Heinrich und Theodora Banning gedenken: 1963 starb Onkel Hein, 1964 Tante Mia, 1969 Tante Ötti, 1970 meine Großmutter, 1973 Onkel Theo, 1980 Onkel Hermann, 1986 Tante Karola, 1989 Tante Paula, 1990 Onkel Otto und 1992 Tante Nora. In ihrem Sinne wollen wir einen fröhlichen Familientag begehen.

3. Stadtrundfahrt durch Kleve
Lindenallee, Gruftstraße, Tiergartenstraße, Schwanenburg, Blick auf die herrlichen Garten unterhalb des "Güldenen Knopfes", Stadtkirche.

4. Fahrt nach Till
Kirchenbesichtigung mit Pfarrer Ignaz Dom, Taufbecken in St. Vincentius, kurzer Vortrag von Herrn Hünnekes über das Haus Sommerlandstraße, ("Rode Heert"), das die Familie Banning von 1860 bis 1902 als Pächter des Barons von Steengracht bewirtschaftete.

5. Kaffeetrinken
In der Gaststätte "Zum Erfken" direkt am Rheindeich zwischen Till und Kleve 6. Hl. Messe in St. Martin in Qualburg
Riswick gehört zu Qualburg. In dieser Kirche sind Hein, Theo, Nora, Carl, Otto, Ötti und Karola getauft. Die ältesten Banningkinder gingen in dieser Kirche zur „Ersten Kommunion“. Bis auf die drei Jüngsten besuchten alle Kinder die der Kirche angegliederte Dorfschule, die wir nicht besichtigen konnten, da sie seit Jahren eine Schule für körperlich und geistig behinderte Kinder ist.

7. Abendessen
In der Gaststätte "Zum Erfken". Anekdoten und Gesang nach dem Abendbrot. Beschluss, am letzten Wochenende des Jahres 2000 den fünften Familientag unter der organisatorischen Leitung von Doris Monier und Henning Lauterbach zu veranstalten.
Mögliche Treffpunkte: im Westerwald bei Doris und Beatrix, in Holstein bei Adolf Merges (Vorschlag von Irmgard Barthel) oder in Berlin

Ausarbeitung von Vorträgen über die Stammmutter und -vater und deren Lebensverlauf in der Zwischen- und Nachkriegszeit. Jeder der 11 Stämme sollte nach Möglichkeit vertreten sein.
Diskussionspunkte: -Aufzeichnung der Anekdoten aus der Frühzeit von Till, Riswick und Kleve;
-Kontakte zu den 10 Nachkommen von Hermann und Katharina Banning geb. Paeßens


Ottmar Banning mit seinen Söhnen vor Schloss Moyland, Kleve, Till-Moyland und Riswick Mai 1999


Teilnehmer des Banning'schen Sippentreffens in Till-Moyland am 29. Mai 1999

Stamm 1 (Hermann Banning 1897)

Stamm 2 (Käthe Neumann geb. Banning 1898)
Peter Böge
Henning Lauterbach-Böge
Kristin Böge
Inge Lauterbach geb. Bachstein


Stamm 3 (Paula Barthel geb. Banning 1900)
Irmgard Barthel
Ulla Büttgen geb. Barthel
Johannes Büttgen
Annette Rossow geb. Büttgen
Michael Rossow
Hannah Rossow
Monika Traub geb. Barthel
Friederike Kirsch geb. Barthel
Gabriele Brinkkötter geb. Barthel
Peter Brinkkötter
Nico Brinkkötter

Stamm 4 (Mia Merges geb. Banning 1902)

Stamm 5 (Heinrich Banning 1904)
Ulla Simpson geb. Banning

Stamm 6 (Theo Banning 1905)

Stamm 7 (Nora Hiermes geb. Banning 1907)

Stamm 8 (Carl Banning 1908)
Carl Banning
Alwine Banning
Doris Monier geb. Banning
Dr. Fouad Monier
Beatrix Bley geb. Banning
Jürgen Bley
Georg Banning
Silke Banning

Stamm 9 (Otto Banning 1910)
Marlene Banning geb. Schledorn
Ottmar Banning
Reinhild Banning
Valentin Banning
Holger Banning

Stamm 10 (Ötti Kersten geb. Banning 1910)
Bärbel Hähr geb. Kersten
Ulrike Caspar-Kersten geb. Kersten
Manfred Hähr

Stamm 11 (Karola Krauß geb. Banning 1913)
Elke Wimmer geb. Krauß
Rolf Wimmer


Ein Jahr später traf sich ein relativ kleiner Familienkreis in Obererbach bei Doris und Monier. Es war ein Abschied von Carl Banning, der im gleichen Jahr im 92. Lebensjahr starb.


v.l. Ulla u. Johannes Büttgen, Jürgen Bley, Ulla Simpson, Ulrike Kersten, Carl Banning, Doris Monier, Alwine Banning, Reiner Banning, Beatrix Bley, Josefine Banning geb. Laufenberg (1911-2006) u. Irmgard Barthel



Ulla Büttgen u. Alwine Banning
Ende September 2007 traf sich wiederum ein nur kleiner Familienkreis anlässlich des 75. Geburtstages von Irmgard Barthel in Dinslaken. Bedauerlicherweise musste sich Irmgard in der Frühe des festlich geplanten Tages ins Universitätsklinikum nach Essen einweisen lassen, so dass ihre Schwester Ulla Büttgen ihre Funktion übernahm. In den darauf folgenden Wochen entwickelte sich zwischen Doris Monier

Marlene und Alwine Banning mit Henning Lauterbach
und Henning Lauterbach die Idee eines großen Familientags im Juli 2008 im Westerwald.

In den Wochen der Vorbereitungen gab es auch einige Rückschläge in Form von Absagen von Karola und Bertram Banning aus den USA, von Jackie Cordery aus Großbritannien und von Kerstin Heikamp aus Hamburg, allesamt Enkel- bzw. Schwiegerkinder von Heinrich Banning jun.
Auch Hermanns Tochter Christa konnte nicht am Familientreffen teilnehmen.


Ulla Büttgen und Klaus Hiermes 2008
Aber der Familientag am 26./27. Juli 2008 im Westerwald wurde trotzdem zu einem großen Erfolg, obwohl es bedauerlich war, dass die Stämme Hermann Banning und Heinrich Banning nicht vertreten waren.
Nachdem nunmehr alle Kinder von Heinrich und Theodora Banning verstorben sind, liegt es bei den Enkeln und Ur-Enkeln den Familienzusammenhalt zu pflegen und neu zu festigen.


Ottmar und Reiner Banning 2008
Und was liegt näher, als nach dem „großen“ und erfolgreichen Familientreffen 2008 im Westerwald einen weitere Familientag 2010/ 2012 zu planen? Wir könnten diesen Familientag erneut, wie im Jahre 1999, in Till-Moyland-Riswick abhalten, dort, wo die Bannings ihre Wurzeln haben, oder wir könnten ein weiteres Mal in den Westerwald zu Doris und Monier ziehen.

Es wäre besonders interessant, wenn bei künftigen Familientagen auch die „Stämme“ (Hermann und Heinrich) vertreten wären, die zum Westerwald-Treffen nicht kommen konnten. Darüber hinaus sollte die Geschichte der Geschwister-Generation von den 20er bis in die 6oer Jahre noch besser aufgearbeitet werden,

Klaus Hiermes und Henning Lauterbach 2008
wobei die Suche nach Bildmaterial im Vordergrund steht.

Das Familientreffen im Westerwald war das bisher größte Treffen der Nachkommen von Heinrich und Theodora Banning und wird einen wichtigen Platz in der Familiengeschichte der 11 Stämme erhalten.

Ein besonderer Dank geht an Doris und Monier, die sich um die Vorbereitung und Durchführung des Familientages so sehr bemüht haben, aber wie Monier es bei gemeinsamen Frühstück am 27. Juli 2008 in der Scheune seines Anwesens in Obererbach so treffend gesagt hat:

Klaus Hiermes: unübersehbare Ähnlichkeit mit dem Großvater Heinrich Banning
Alle jüngeren Familientreffen von 1977 bis zur Gegenwart gehen auf die Initiative von Carl und Alwine Banning zurück, wofür Carl posthum und Alwine seitens aller Bannings herzlich gedankt werden sollte.

Die Familientreffen 1967, 1977, 1989, 1999, 2000 und 2008 trugen dazu bei, dass sich auch die Nachkommen und Angehörigen späterer Generationen näher kamen und ein Gefühl der Familien-zusammengehörigkeit entwickelten.





Verena Quennet geb. Banning mit Else Merges, Alwine Banning, Marlene Banning



Doris Monier: unübersehbare Ähnlichkeit mit der Großmutter Theodora Banning; mit Katrin Voigt und Florian Traub





Dankesschreiben von Doris Monier geb. Banning und Monier an die Teilnehmer des Familientages

Kaffeetrinken in der "Scheune"

Liebe Bannings,

Nun ist unser schönes Fest der Banning-Sippe im Westerwald schon mehr als eine Woche vorbei. Für viele war es ein Wiedersehen nach langer Zeit, für andere aber war es die erste Gelegenheit, Nachkommen fast aller 11 Banning-Stämme kennen zu lernen.
Als wir 1977, also vor 31 Jahren, unseren ersten Familientag in Brüssel

Ulrike Kersten, Roswitha und Verena Banning
organisierten, lebten noch viele der 11 Geschwister, wenn auch nur wenige kommen konnten. 12 Jahre später gab es dann wieder ein kleineres Treffen bei uns im Westerwald. Danach dauerte es wieder 10 Jahre bis zum nächsten Sippentreffen in Till-Moyland, zu dem Henning Lauterbach eingeladen hatte.


Stamm Karola Banning: Elke und Rolf Wimmer
Mein Vater Carl war damals der letzte, der uns noch von seinen Erinnerungen erzählen konnte. Und nun, 9 Jahre später, haben wir es wieder geschafft, viele Nachkommen (insgesamt 44) der 11 Banning- Geschwister, nun auch leider ohne meinen Vater, zu einem erneuten Familientreffen in den Westerwald zu locken. Am späten Vormittag kamen die ersten an und beim gemeinsamen Mittagessen waren dann fast alle Teilnehmer dabei. Bei Kaffee und Kuchen gab es am Nachmittag einen sehr interessanten Bildvortrag von Henning Lauterbach über die Wurzeln der aus der Umgebung von Riswick stammenden Bannings und den Lebenslauf von Hermann, Käthe, Paula, Mia, Hein, Theo, Nora, Carl, Ötti, Otto und Karola, kommentiert von Simon Banning (ein Jahr),

Stamm Theo Banning: Wolfgang und Roswitha Banning mit Verena und Nadja
dem Jüngsten aus dem Carl Banning Clan. Besonders hat uns gefreut, dass auch viele jüngere Nachkommen mit dabei waren, die mit viel Enthusiasmus zum Gelingen des Festes beigetragen haben.

Viel Spass gab es als die obligatorischen Fotos unter unserem großen Walnussbaum geschossen wurden. Hoffentlich werden recht viele von Euch ihre Fotos an Henning schicken, um ein möglichst komplettes Album mit allen Teilnehmern zu erhalten. Am Abend wurde es dann richtig gemütlich mit Würstchen, Merges und Kufta vom Grill. Es war sehr schön, dass viele Teilnehmer die Nacht bei uns oder in nahe gelegenen Hotels verbringen konnten, so dass Zeit für den Austausch von Erinnerungen und das Betrachten alter Fotos blieb. Paul Barthel sorgte mit seinem Akkordeon für gute Stimmung, Musik und Gesang. Am nächsten Morgen hat sich dann Monier gefreut, gemeinsam mit 21 „Bannings“ in unserer großen Scheune zu frühstücken. Das schöne Wetter lud anschließend zu einem Spaziergang durch den Wald zum 4 km entfernten Wallfahrtsort Marienthal ein.


Stamm Carl Banning:
v.l. Margret Banning, Silke Banning, Alwine Banning, Doris Monier geb. Banning, Monier h. Margaux Monier, Georg Banning, N.N. Jürgen Bley, Beatrix Bley geb. Banning, Jannette Monier


Nach dem „Reste-Mittagessen“ war es dann zu Ende und die letzten „Bannings“ verabschiedeten sich in der Hoffnung, dass es irgendwo, irgendwann, aber möglichst bald ein Wiedersehen geben wird.

Zum Abschluss möchten wir uns bei allen „Bannings“ bedanken, die mit ihren Fotos und Unterlagen, ihrer Teilnahme und ihrer Hilfe, und nicht zuletzt ihrem Obolus zum Gelingen des Familientreffens beigetragen haben. Insbesondere gilt unser Dank Beatrix und Jürgen Bley, die uns mit viel Rat und Tat unterstützt haben, Henning Lauterbach, für seinen Einsatz, die Geschichte der Familie Banning zu erforschen, und Alwine Banning, die mit ihren vielen leckeren Kuchen für einen reichlich gedeckten Kaffeetisch gesorgt hat

Herzliche Grüsse aus dem Westerwald

Doris und Monier
Stamm Ötti Banning: Das Jahr des erfolgreichen Familientages der Bannings ging mit einer Gedenkmesse für die Familie zu Ende.
Am Samstag, dem 22. November 2008, wurde in der katholischen Kirchegemeinde St. Vincentius in Till-Moyland, die inzwischen mit den katholischen Kirchengemeinden St. Peter in Bedburg-Hau, St. Stephanus in Hasselt und St. Peter in Huisberden fusioniert ist, an die Familien Hermann Joseph und Katharina und Heinrich und Theodora Banning erinnert. Im Rahmen einer Messe gedachte man der Verstorbenen der Familie Banning, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Till-Moyland gelebt hat und deren damalige Wohn- und Wirtschaftsgebäude direkt der Kirche gegenüber stehen. Es war ein ergreifendes Gefühl für mich, einer Messe in der Kirche beizuwohnen, in der 14 Bannings zur hl. Taufe getragen worden sind und in der die Totenmesse für Hermann Joseph Banning im Jahre 1889 gefeiert worden ist.





IX. Sammlung von Familienbildern

Im Laufe von rund 100 Jahren haben sich viele Familienbilder unterschiedlicher Bildqualität angesammelt.
Bedauerlicherweise sind in dem mir verfügbaren Bilder-Archiv nicht alle Stämme gleichermaßen vertreten. In den Fotoalben und „Fotokartons“, die ich im „Stamm 2 Käthe Banning“ vorgefunden habe, gab es besonders viele Fotos aus den Familien der eng befreundeten Geschwister Mia, Hein und Karola. Interessanterweise haben sich im Nachlass von Käthe auch sehr viele Bilder aus der Familie ihrer Schwester Paula, zu der die schwesterlichen Bindungen bekanntlich nicht so eng waren, befunden, was wiederum doch auf eine Nähe beider Schwester schließen lässt, zumindest haben sich Käthe und Paula niemals aus den Augen verloren.

Dieser Abschnitt wird zur Zeit überarbeitet.

X. Eckpunkte der Banning’schen Familiengeschichte

Tod der Geschwister

Heinrich und Theodora Banning

XI. Geschichte der Familie Banning in Todesanzeigen

Die Anzeigen werden derzeit eingearbeitet.



XII. Eleonora Franziska Banning

Lesen Sie mehr unter www.khiermes.de.


Nora 1911, 4 Jahre alt
Meine Mutter Eleonora Franziska (Nora) wurde in Riswick als 7tes von 11 Kindern geboren. Mit 9 Jahren, nach dem Tod ihrer Mutter, wuchs sie bei ihrer Patentante Eleonore auf. Nora war für die Patentante lediglich lästig und ein Mund mehr der gestopft werden musste.

Ab dem 15. Lebensjahr lebte und arbeitete sie als „Stütze“ in der Bäckerei Busch in Kleve.



Karl Banning und Nora Banning 1920 (links) Ötti Banning Weihnachten 1930 (rechts):
Meiner lieben Schwester Nora zur Erinnerung an Deine kleine Ötti.



Vom 15. April 1927 – 29.Februar 1928 war Nora im Hotel Mayland beschäftigt. Dort hat es ihr sehr gut gefallen. Sie hatte jedoch großen Liebeskummer und hat daraufhin ihre ersten Zigaretten geraucht. Wo meine Mutter von 1925 – 1927 war, ist mir nicht bekannt.







Postkarte von Karola 1938
Postkarten an Nora Bannig Dinslaken.

Aus Fryburg, wo unsere Fahrt ins Blaue hinging, sendet Dir die herzlichsten Grüße Karola. Habe Dir sehr viel zu schreiben, mehr demnächst im Brief. Das nächste ist, dass ich nicht mehr in der Meckelstr. wohne.

Postkarte vom 2.8.1931
Liebe Nora! Bin hier auf der schönen Burg (Rudelsburg/Saale) und es ist ein Betrieb von Studenten hier zum totlachen. Habe Deine Karte aus Köln erhalten. Es war nett von Dir uns mal zu schreiben. Schreib bald mal wieder. Viele Grüße Carola


In den darauf folgenden Jahren, hat sie als Hausangestellte bei Fam. Dr. Fraune in Dinslaken gearbeitet. In ihrer Urlaubszeit konnte sie an mehreren „Kraft durch Freude“ Kreuzfahrten teilnehmen. Auf einer Norwegen Kreuzfahrt hat sie dann meinen Vater kennen gelernt.

(Von Dr. Fraune und Familie hat sie oft erzählt, dass es ihr dort sehr gut ging.)



Mit Hunden bei Dr. Fraune im Garten etwa 1937



Die „Herrschaft“ Dr. Fraune mit Angestellten auf Betriebsausflug. Bild links Nora Banning.



Kofferanhänger



Nora im Spreewald (hintere Reihe Mitte)



Im Spreewald (links) und vor Korfu 1938 (rechts)

Auf einer Norwegenfahrt im Juni 1937 lernte sie meinen Vater, Hans Hiermes, kennen. Zunächst wollte sie nichts von Hans wissen, weil er so aussah und sich benahm wie ein „Schulmeister“. Aber Hans ließ scheinbar nicht locker, denn am 11. April 1939 war standesamtliche Hochzeit.





Standesamtliche Hochzeit am 11. April 1939 mit Trauzeugen vor dem Rathaus in Mayen.



Die herzlichsten Glückwünsche zur Vermählung Dr. Fraune und Frau



Die kirchliche Trauung fand am 5. November 1939 in Boppard statt.


Brief von Josef Hiermes (Pfarrer in Boppard) an seinen Bruder Peter.

Boppard, den 12.11.1939

Lieber Peter!

Zunächst hoffe ich, dass Du von dem edlen Brautpaar beziehungsweise Ehepaar Hiermes-Banning für Deine Glückwünsche einen Dankesbrief bekommen hast. Da es mir aber noch nicht ganz sicher scheint - junge Leute, die eine Wohnung einrichten, haben wenig Zeit - will ich Dir etwas schreiben von dem, was sich hier zugetragen hat vor acht Tagen. Der Sonntag verlief in seinen ersten Stunden ganz normal. Um 9.30 Uhr begann ich das Hochamt und dachte: In 20 Minuten fahren sie in Koblenz ab, aber weit gefehlt. Schon in den ersten Sätzen der Predigt, als mein Blick über die andächtige in Christus dem Herrn versammelter Festgemeinde streifte, entdeckt ich - nicht hinten bei den Zöllnern, wo mein Blick etwas länger suchend verweilte, sondern vorne in den ersten Bänken - zwei Hiermesse: Hanni und Georg, beide in ehrbarem Zivil. Nach Banningen suchte ich weiter nicht, denn das waren mir unbekannte Größen.
Nach Beendigung des Hochamtes kam Georg in die Sakristei - Küster sind Fachleute - und berichtete, dass der Bräutigam sich eine Braut draußen suchte, was denn auch mit Erfolg geschah. Ich selber persönlich ging sie dann beide ins Mittelschiff holen und geleitete sie in die Sakristei. Nach begrüßenden Worten und Formalitäten schritten wir denn zum Altar, wo denn beide alles Gute versprachen für ihr Leben. Wieder Formalitäten in der Sakristei - diesmal bestanden sie im Verteilen der Trinkgelder - und dann schritten wir zum Kaffee ins herrliche Pfarrhaus. Erst verabreichte ich aber noch einen Likör. Dann fanden nach dem Kaffee die feierlichen Beglückwünschungen statt, unter anderem wurde auch dein Glückwunsch freudig entgegengenommen. Ohne Mittagessen kann man aber kein Fest feiern, und das stand nun bevor und war gut, was aber nicht verhindern konnte, dass es mir schon manches mal besser geschmeckt hat.
Es war schon nicht mehr früh und vor dem Kaffee konnte nichts mehr unternommen werden. Also auch noch Kaffee - Qualität sogar!!! Unternehmen konnten wir aber hinwiederum nachher auch rumesneses wieder nicht, weil die Heinen (Nachbarn von Hiermes/Dunkel in Bickendorf) schon bald wieder fortfahren mussten. An die Zeit, da es in Bickendorf noch lauter Heinen gab, erinnerst Du Dich wohl noch. Für 5:30 Uhr nachmittags war der schmerzliche Abschied angesetzt. Zunächst wurde aber noch in dem Hotel, in dem Nora Hiermes geborene Banning übernachtet zuruhen geruht hatte eine Molle getrunken - das riescht nach Berlin (mit s c h). Mit 20 Minuten Verspätung wanderten dann die Gäste rück nach Mayen. Von dort soll Georg am anderen Tage nach Hensland (Wiesengrundstücke und Felder zwischen Bickendorf und Rittersdorf) zurückgekehrt sein. Auf der Anreise war er auch in Dockweiler. Vom weiteren Verlauf kann ich nun nichts mehr erzählen. Georg hat den jungen Leuten auch etwas mitgeholt, das sie nicht in den ersten Tagen schon auf dem Trockenen sitzen......
......., hoffentlich sehen wir uns an Weihnachten im Bickendorf wieder.
Es grüßt Dich Dein Bruder Josef






Sohn Peter kam am 17.April 1941 zur Welt. Er verstarb durch Verletzungen am Köpfchen nach einer Zangengeburt am selben Tag.


Am 31.10.1942 wurde Klaus Hiermes in Mayen geboren.


Sommer 1943 Römerstr.8 (links), Paul Bartel mit Klaus (rechts)



Stolze Mutter und Vater. Hans war auf Heimaturlaub.


Am 14. Oktober 1944 wurde mein Vater in Dünkirchen gefangen genommen. Von dort kam er nach England in ein Gefangenlager.

Während es meinem Vater verhältnismäßig gut ging, begann für meine Mutter und mich eine schwierige Zeit. (siehe das Büchlein meine Kindheit in Mayen)


Auszüge aus Briefe meiner Mutter an meinen Vater.

Mayen, den 26.2.1946

Mein lieber Hans, lieber Papa!

Jetzt wissen wir endlich dass Du Nachricht von uns hast und sind glücklich mit Dir. Das war eine lange Wartezeit. Es ist sehr erfreulich dass es Dir gut geht. Meinen Vater haben wir am 10. Februar in Kleve begraben. Dein lieber Bruder Josef ist schon seit Oktober 1944 tot, durch einen Granatsplitter in Linz. Georg hat am 26. Januar geheiratet, ohne uns, ich kann mit dem Kind keine 35 Km laufen.

Mayen, den 19.3.1946

Du schreibst immer wieder, dass Du keine Post bekommst. Wo mag sie sich wohl herumtreiben? Wir schreiben Dir tapfer und auf alle Arten. Ich kann mir denken, dass du froh warst etwas von uns zu hören..... Ich bekomme Wohlfahrt, wer sollte mir noch Gehalt zahlen. Wir haben zum Glück Mayen nicht verlassen, waren während der bösen Zeit (Bombenangriffe) auf Adorfs Lei. (in den Basalt Steinbrüchen gab er Hütten und Unterschlupf bei Bombenangriffen)

Mayen, den 5.5.1946

..... Nun noch ein Wenig von Mayen. Die Stadt ist zu 90 Prozent zerstört. Die Innenstadt liegt ganz in Schutt. Keine Kirche außer die hier oben. (St. Veitkapelle) Der Schiefe Turm sank am 12.12.44 in Trümmer. Von Herz-Jesu steht nur noch der Glockenturm und läutet vielmehr die Glocken. Am Viadukt ist alles hin. Das frühere Amtsgebäude ist nur noch eine Holzbude. Hier gegenüber das Endres Haus ist halb weg, ebenso Colmie sein Gewächshaus. (Römerstr.) Es ist schon viel aufgeräumt. Das Mayen wie Du es kennst ist nicht mehr.....

Am 5. Januar 1947 wurde mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Er kam einige Tage später in Mayen, sehnsüchtig erwartet, aber doch plötzlich an.

(Eine Nachbarin rief: „Frau Hiermes da ist ein Mann der zu ihnen will. Ist das in Ordnung?“)


Sohn Georg wurde am 7. März 1949 geboren. Er starb am 8. März um 2 Uhr 30 an Unterkühlung.



Schöne Zeit im Garten in Mayen



Nora und Barbara Kersten in Mayen 1962 (links), Nora, Monika Barthel und Klaus, Weltausstellung 1958 in Brüssel (rechts).


1966 kauften meine Eltern ein altes Haus in Kirchwald. Nach Umbau und Renovierung lebten sie dort sehr zufrieden. Sie gingen viel in der schönen Eifel spazieren und hatten alle Hände voll im großen Garten zu tun.



Kirchwald bei Mayen



Hans und Nora mit Irmgard Barthel in Kirchwald (links), Hans und Nora (rechts).


Enkel Marcus wurde am 25. Mai 1967 und Enkel Elmar am 20. Mai 1970 in Mainz geboren. Im Juli 1976 erlitt mein Vater einen Gehirnschlag. Zunächst pflegte ihn meine Mutter. Dann besserte sich sein Zustand etwas. Als ich ihm sagte: „Dir geht es ja schon besser, “ meinte er nur, „ich bin noch nicht last Schmitz Backes“. (Ich habe es noch nicht überstanden) Er hatte leider Recht. Nach einem zweiten Gehirnschlag wurde er in das Krankenhaus nach Mayen verlegt, wo er am 19.Juli 1976 um 16 Uhr 30 starb.


Kirchwald



Nora mit Enkel Marcus und Elmar 1976



Großmutter Nora mit Enkel Marcus 1969 in Kirchwald.



Nora in Kirchwald (links), Willi Krauß, Nora, Karola Kraus geb. Banning (rechts).



Otto, Nora, Klaus, Lydia und Carina (links), Marlene, Alwine, Otto und Nora im Allgäu (rechts)



Alwine, Marlene, Karl und Nora im Allgäu


Mit 84 Jahren war sie bis zuletzt körperlich und geistig fit. Wenige Tage vor ihrem Tod im Krankenhaus Mayen sagte sie zu mir: „Ich will zu meinem Hans, aber die Seele will noch nicht raus“. Am 3. Oktober 1991 um 13 Uhr schlief sie ruhig ein. Enkel Marcus und ich hielten ihr die Hände.








XIII. Isa Karla Voigt, geborene Neumann
(2. April 1926 – 20. Juli 1962)



Bahnhof Kleve zur Kaiserzeit

„Am 19. Juni d.J. war die Taufe des am 2. April 1926 geborenen Töchterchens Isa Karla des Herrn Molkereiinspektors Hermann Bruno Neumann in Gebstedt und seiner Ehefrau Marie Katherine Henrika geb. Banning.

Eine größere Anzahl von Freunden der Familie, einschließlich der Paten, hatte sich zu diesem Feste eingefunden und der Tag verlief in ungetrübter Stimmung. Möchte der Name Isa, die Eiserne, andeuten, dass dem jungen Erdbürger eine‚ eiserne‚ Gesundheit, Kraft und Lebensmut allezeit innewohne. Auch sonst nahm der Ort freudigen Anteil an dem Ereignis in der Molkerei, welche ja den wirtschaftlichen Mittelpunkt unseres und der Nachbarorte bildet.“ (Heimatglocke für die Pfarrbezirke Pfiffelbach, Rudersdorf und Gebstedt, Juli 1926)



So wurde im Sommer 1926 die Taufe von Isa Neumann bekanntgegeben. Der Molkereiinspektor Bruno Neumann, seit Juni 1925 in dritter Ehe mit Käthe Banning aus Kleve am Niederrhein verheiratet, wurde stolzer Vater einer weiteren Tochter. Käthes Schwester Paula Banning, mit der sie Weihnachten 1923 bei Käthes bester Freundin Lilly Kruse in Buttstädt feierte, war Taufpatin von Isa-Karla Neumann.


Todesanzeige von Helene Neumann geborene Fritsche am 20.01.1924
Weihnachten 1923: Die Geburt von Isas Schwester Christa am 17. Dezember 1923 lag eine Woche zurück und wurde zu einem Familiendrama, denn Christas Mutter, Leni Neumann geb. Fritsche, starb vier Wochen nach der Geburt an Kindbettfieber. Christa kam sofort nach ihrer Geburt in die Obhut von Käthe Banning, die seit 1918 als Kontoristin in der Molkerei von Gebstedt tätig war. Die leibliche Mutter war zu krank und zu schwach, um sich um ihr neugeborenes Töchterchen zu kümmern. Am 20. Januar 1924 verstarb Helene Neumann geborene Fritsche. Drei Tage später am Mittwoch, den 23. Januar 1924, wurde Christa Emma Helene am offenen Sarg ihrer verstorbenen Mutter getauft, bevor sich der Trauerzug von der Molkerei zum Friedhof von Gebstedt in Gang setzte.

Die kleine Christa blieb in der Obhut von Käthe Banning. Der tieftrauernde Witwer führte in Begleitung seiner Schwiegereltern Maximilian und Emma Fritsche den Trauerzug durch das winterliche Dorf an. Die Ehe von Bruno und Leni Neumann dauert nur knapp ein Jahr. Der Molkereiinspektor und die Tochter eines thüringischen Gutsverwalters führten eine sehr glückliche Ehe. Im März 1923 wurden sie in der Bartholomäuskirche in Halle an der Saale kirchlich getraut. Der Gebstedter Bürgermeister Funkel gehörte zu den Hochzeitsgästen im Stadtschützenhaus in Halle/ Saale.


Leni Neumann (m) um 1920
Leni war auch mit Käthe Banning, die seit 1918 die Kontoristenstelle in der Molkerei ausfüllt, eng befreundet. Im Gegensatz zu dem konfliktreichen Verhältnis zwischen dem Molkereiinspektor und seiner Kontoristin verstanden sich Leni und Käthe sehr gut.








Christa Neumann mit ihrer Großmutter Emma Fritsche geb. Hoyer (1859-1929) im Jahre 1924 im Garten der Molkerei von Gebstedt
Nach dem tragischen Tod von Helene Neumann wuchs Käthe Banning in die Mutterrolle für Christa hinein, und so war es keine Überraschung, dass der Molkereiinspektor, gebürtiger Westpreuße aus Klastawe (Chlastawa) und seit 1908 im thüringischen Gebstedt ansässig, im Juni 1925 Käthe Banning, Tochter eines bankrottgegangenen Großbauern und Molkereibetreibers aus Kleve am Niederrhein, in Gebstedt zum Traualtar führte.






Käthe Banning 1920
Käthe Banning hatte mit 16 Jahren 1914 das Elternhaus verlassen, begann eine kaufmännische Ausbildung an der Molkereifachschule in Kleve, trat dann eine Kontoristenstelle in Zylpich bei Aachen an, war kurze Zeit an einer Molkerei in Gelsenkirchen-Buer tätig und wechselte 1918 an die Molkerei in Gebstedt im Weimarer Land, unweit von Apolda und Buttstädt.

Als Käthe Neumann geb. Banning in guter Hoffnung war, hatte Bruno Neumann nur die Sorge, dass Käthe nicht das Schicksal von Leni erleiden würde. Er sorgte sehr um seine schwangere Frau und entschied, dass die Geburt nicht im dörflichen Gebstedt, sondern in der Universitäts-Frauenklinik in Halle an der Saale stattfinden müsse. So kam die kleine Isa-Karla am Freitag, dem 2. April 1926, gesund und kräftig in Halle zur Welt. Mutter und Kind waren wohlauf, und der Molkereiinspektor war glücklich, dass sich das Trauma der ersten Geburt nicht wiederholt hat. Seinerzeit hat er den Arzt, der seine zweite Frau entbunden hat, für ihren Tod verantwortlich gemacht.


Isa Karla Neumann 1926
Auch Käthe musste das Trauma verarbeiten, dass ihre Mutter Dora Banning zehn Jahre früher bei der Geburt des 12. Kindes im Alter von 47 Jahren verstorben ist. Die Entscheidung, die Geburt von Isa in Halle abzuwarten, wurde demnach von Bruno und Käthe Neumann in beiderseitigem Einvernehmen getroffen.










Käthe Neumann mit Christa

„Am zweiten April 1926 erblickte ich das Licht der Welt. Ich wurde als zweite Tochter des Molkereidirektors Bruno Neumann und seiner Ehefrau Käthe geb. Banning in Halle an der Saale geboren. Meine Schwester ist um zwei Jahre älter als ich. Als sie mich zum ersten Male sah, lag neben mir eine große Zuckertüte. Christa sah zuerst nur die Tüte und musste sie bewundern, dann erst sah sie ihre kleine Schwester. Schwer ist zu sagen, ob sie mehr Freude an der kleinen Schwester hatte oder an der Zuckertüte. Ich glaube bald, die Tüte war ihr wichtiger.“(Isa Neumann, 1941/42)




Geburtsanzeige von Isa-Karla Neumann

Als der Molkereiinspektor und seine erstgeborene Tochter Christa die junge Mutter und Isa in der Universitäts-Frauenklinik besuchten, fesselte nicht nur die Zuckertüte Christas ganze Aufmerksamkeit, sondern sie schlug, nach Christas Erinnerung, sofort die Bettdecke hoch, um zu sehen, wo ihre Mutter vom Klapperstorch gebissen worden ist.
Bruno Neumann (1887-1949) Christa Böge geb. Neumann (1923-1987) Käthe Neumann geb. Banning (1898-1970) und Isa Voigt geb. Neumann (1926-1962) auf der weißen Bank im Molkereigarten in Gebstedt/ Thüringen.


Bruno Neumann (3.v.l)
Bruno und Christa wohnten in den Tagen der Geburt in der Meckelstraße 7 bei den Schwiegereltern Fritsche. Max und Emma Fritsche, die Eltern von Brunos zweiter Ehefrau und Christas Großeltern, bewohnten in ihren letzten Lebensjahren eine Wohnung in dem Mietshaus ihres Schwiegersohnes Bruno Neumann. Max Fritsche ist im Adressbuch der Stadt Halle als Verwalter des Hauses eingetragen. Der Großvater Max Fritsche liebte seine Enkeltochter abgöttisch, hatte aber ein sehr gespanntes Verhältnis zu Brunos dritter Ehefrau Käthe Neumann.

Käthe verurteilte den Lebenswandel des „alten Fritsches“, der noch im hohen Alter seine Ehefrau betrogen haben soll. Christa hatte auch eine gute Erinnerung an ihren Großvater, sah zudem später Wesensähnlichkeiten mit ihrem erstgeborenen Sohn. Max Fritsche starb, als sie neun Jahre alt war.


Bruno, Käthe und Christa Neumann 1925
Die vierköpfige Familie Neumann lebte bis zum Jahre 1928 in Gebstedt. Bruno Neumann legte die Molkereiführung nach über 20jähriger Tätigkeit in Thüringen nieder und kaufte eine Molkerei im nahegelegenen Naumburg an der Saale. In Naumburg lernten sich die Familien Neumann und Böge kennen.

Die Familie des Oberpostinspektors Willi Böge und seiner Frau Helene Böge geborene Guse lebten mit ihren beiden Kindern Christel (*1922) und Helmut (*1923) in der Nachbarschaft der Neumann’schen Molkerei. Es ist belegt, dass die Böge’schen Kinder in Naumburg oft mit den Neumann’schen Töchtern Christa (*1923) und Isa-Karla (*1926) zusammen spielten.




Molkerei in Naumburg an der Saale

„Erst im Dezember 1928 nahm die technisch modernisierte und umgebaute Molkerei in der Bahnhofstraße 25 ihren Betrieb auf. Die alte Guthsche Molkerei (Franz Guth) wurde vom Architekten Heinrich Jorin aus Hildesheim grundlegend umgestaltet. Damit verbessern sich die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter.


Isa-Karla Neumann 1928
Im Obergeschoss können einige sogar eine behagliche Dienstwohnung mit Zentralheizung nutzen. Täglich kann die Molkerei 35 000 Liter Milch zu Käse, Butter, Trinkmilch und anderen Spezialitäten verarbeiten. Allerdings ist sie erst zu einem Drittel ausgelastet. Doch immerhin, noch 1919 betrug die Gesamtanlieferungsmenge lediglich 60 000 Liter. 1926 waren es dann zirka 2 Millionen Liter. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Naumburger Molkereien taten sich vorrangig die Ritter- und Gutsbesitzer aus der Umgebung zusammen. Geschäftsführer sind Rittergutsbesitzer Voigt aus Tromsdorf, Rittergutspächter Immisch aus Kreipitzsch, Rittergutsbesitzer Leux aus Grossjena, Tierzuchtdirektor Meyerhoff und Molkereidirektor Neumann jeweils aus Naumburg.“



Bruno Neumann verließ jedoch die Naumburger Groß-Molkerei bereits 1929 und erwarb eine Molkerei im nahegelegenen Bad Kösen.

„Als ich zwei Jahre alt war, zogen wir nach Naumburg und 1929 nach Bad Kösen um. Es gefiel mir dort wunderbar. Aus Bad Kösen stammen auch meine ersten Erinnerungen. Hinter der Molkerei war ein großer Garten. Dieser war der rechte Tummelplatz für meine Schwester und mich. Unserem Haus gegenüber floß die Saale. Und das Wasser übte auf mich die größte Anziehungskraft aus. Sah ich eine Pfütze, wollte ich mich umziehen und sofort ‚bade, bade‘ machen.“(Isa Neumann, 1941/42)




Bad Kösen, ein wunderschöner Kurort im Weinanbaugebiet Saale-Unstrut, gefiel den Neumanns sehr gut. In den Jahren 1929/1930 intensivierte Käthe die Beziehungen zur ihrer Familie am Niederrhein. Sie lebte von allen Geschwistern in besten wirtschaftlichen Verhältnissen und unterstütze durch regelmäßige Geldzahlungen ihren alten Vater, mit dem sie allerdings nur auf Distanz lebte. Sie warf Heinrich Banning vor, am Tode der Mutter mitverantwortlich gewesen zu sein. Dass ihre Familie dadurch zerrissen worden ist, lastete sie ihrem Vater, den sie nur noch mit „Heinrich“ anredete, auch an.

Aber Käthe half, als es darum ging, ihre vierzehnjährige Schwester Karola aufzunehmen. Ostern 1927 fuhr Käthe in Begleitung ihrer dreijährigen Tochter Christa mit dem Zug nach Dinslaken, um Karola abzuholen. In Dinslaken bei ihrer Schwester Paula konnte Karola nicht mehr bleiben. Paula erwartete ihr erstes Kind und war wirtschaftlich nicht in der Lage,

Molkerei in Bad Kösen
neben ihrem Bruder Heinrich auch noch Karola zu unterhalten. So verständigten sich die beiden Schwester Käthe und Karola darauf, dass Karola nach Mitteldeutschland geholt werden sollte. Karola wurde das „dritte“ Kind im Hause. Für Christa und Isa war sie die große Schwester.

In Bad Kösen fand um 1930 auf Käthes Initiative auch das erste Treffen nach dem Auseinanderfall der Familie Banning 1916 mit ihrer Lieblingsschwester Maria Merges geb. Banning (1902-1964) statt. Mia lebte wirtschaftlich in ähnlich guten Verhältnissen wie Käthe. Sie war mit dem Fahrlehrer Emil Merges aus Kleve verheiratet. Beide Familien standen sich bis in die 6oer Jahre, als Mia und Emil innerhalb von zwei Jahren in Dinslaken starben, sehr nahe. Ihr einziger Sohn Adolf war fast gleichaltrig mit Isa, so dass zwischen Cousin und Kusine eine sehr enge Bindung entstand.

„Aber nicht nur ich war so eine Wasserratte, auch mein mir fast gleichaltriger Vetter Adolf, welcher öfters bei uns zu Besuch war, liebte das Wasser. Er brachte es einmal sogar fertig, sich aus dem Hause fortzuschleichen und sich in einer ziemlich großen Pfütze zu baden. Später wurde es dann mit mir noch schlimmer. Ich durfte keinen Augenblick alleine sein, sonst rannte ich in die Saale. Aber ich hatte ja immer Glück. Jedesmal wurde mein Fortlaufen noch rechtzeitig bemerkt, und ich wurde sofort wieder geholt. Am schönsten war es, wenn ich auf dem Rücken meiner Tante Karola durch die Saale schwimmen durfte. Am anderen Ufer standen nämlich Obstbäume, und wir konnten davon essen, soviel wir wollten, und taten es auch zur Genüge. Meiner Schwester, die zurückgeblieben war, weil sie sich nicht ins Wasser getraute, lief dann das Wasser im Munde zusammen.“ (Isa Neumann, 1941/42)




Maria Merges geb. Banning (1902-1964) mit Adolf (1926-2004)
Im Sommer 1930 hielten sich Mia und Adolf Merges ein Vierteljahr in Bad Kösen bei Neumanns auf. Im Herbst des gleichen Jahres fuhr Isa Neumann für einige Wochen nach Kleve am Niederrhein. Dort in der Familie Merges lernte sie ihren Großvater Heinrich Banning und die vielen Geschwister ihrer Mutter kennen. Käthe war die Zweitälteste unter 11 Kinder von Heinrich und Theodora Banning und bis auf ihren Bruder Hermann lebten alle anderen Geschwister zu dieser Zeit in Kleve bzw. in Dinslaken am Niederrhein. „Karlchen“, wie Isa auch genannt wurde, litt nicht, wie ihre Schwester Christa, unter Heimweh, sondern schon damals zog es sie in die Ferne.


Adolf Merges, Christa und Isa Neumann

Die beiden Schwestern Käthe und Mia waren sehr eng verbunden. Als sich die Ehe zwischen Emil und Mia Merges um 1930 in einer schweren Krise befand, kam Mia mit Adolf für drei Monate nach Bad Kösen. Käthe war eine sehr verständnisvolle Schwester und gewissermaßen eine „frühe“ Feministin, die in dem Leiden von Frauen die Schuld von Männern sah. Emil soll seiner Ehefrau nicht treu gewesen sein, worauf sich Mia in die Armen ihrer älteren Schwester geflüchtet haben soll.

„Mit vier Jahren unternahm ich dann schon eine große Reise. Mit meinen Verwandten, die bei uns auf Besuch weilten, fuhr ich nach Kleve. Leider habe ich nur wenige Erinnerungen daran.“(Isa Neumann, 1941/42)




Mia Merges mit Isa und Adolf und Bruno Neumann 1930
Mias Besuch in Bad Kösen führte zum Gegenbesuch von Käthe in ihre Heimatstadt Kleve. Ihre Gefühle waren sehr gespalten. Sie traf nach vielen Jahren ihren Vater, der bei Merges in der Lindenallee aus und ein ging, wieder, aber sie wird ihm den frühen Tod der geliebten Mutter nicht verziehen haben, zumal Käthe davon überzeugt war, dass der Vater seine hochschwangere Frau Theodora Banning im Affekt in den Unterleib getreten haben soll, was schließlich zu einer Frühgeburt des 12. Kindes und dadurch zu ihrem plötzlichen Tode am 5. März 1916 führte. Das Vater-Tochter-Verhältnis blieb schwierig, obwohl Christa und Isa den „gütigen“ Großvater verehrten, aber sie durften nicht in die ärmliche Wohnung von Hein Banning in Kleve gehen durften.




Die „Gärtnergasse“ in Kleve war ein „verbotenes“ Gebiet für Christa und Isa, so dass sie ihren Großvater nur in der hochherrschaftlichen Lindenallee bei Merges erleben durften. Dort war „Opa Banning“ oft, arbeitete im Garten und verlebte im Haushalt seiner drittjüngsten Tochter Mia nach einem Leben mit Höhen und Tiefen seinen Lebensabend. Im Jahre 1931 zogen Neumanns von Bad Kösen ins nahe gelegene Bad Dürrenberg und bezogen eine moderne Neubauwohnung. Im April 1932 wurde Isa-Karla Neumann in Bad Dürrenberg eingeschult.




Christa und Isa Neumann Weihnachten 1931 Bad Dürrenberg

„Ein Jahr später zogen wir nach Bad Dürrenberg. Dort gefiel es mir auch, aber an Bad Kösen reichte es noch lange nicht heran. Es fehlte uns der Garten sehr, zwar war vor dem Haus ein Rasenstück, aber das ‚Betreten war verboten‘. Das war für uns besonders bitter, weil wir ja an viel Freizeit draußen gewöhnt waren. Sehr gut habe ich die Dämmerstunden, in welchen unsere Mutter uns meist Märchen erzählte, in Erinnerung. Aber bald sollte ich Schulmädel sein. Im April 1932 wanderte ich stolz an der Hand meiner Mutter zum ersten Male in die Schule. Wir mussten in eine große Halle gehen, und wie überrascht war ich, als ein großer Baum am Ende des Saales mit vielen, vielen Zuckertüten stand. Viel Zeit zum Suchen hatte ich auch nicht, denn der Rektor der Schule hielt eine Ansprache, und danach wurde jeder ABC-Schütze aufgerufen und erhielt seine Zuckertüte.“(Isa Neumann, 1941/42)



Weihnachten 1931 hatten Neumanns Besuch von Käthes 10 Jahre jüngeren Bruder Carl Banning, der seine beiden Nichten vor dem Weihnachtsbaum fotografierte. Käthe hatte nunmehr zu allen Geschwistern wieder Kontakt,

Halle/Saale Meckelstraße 7 in den 80er Jahren
einzig das Verhältnis zu dem ein Jahr älteren Bruder Hermann blieb nach dem Tod der Mutter zeitlebens zerbrochen, obwohl die beiden ältesten Kinder von Heinrich und Theodora Banning, Hermann und Käthe, in ihrer Kindheit in Riswick und Kleve noch vor dem Bankrott des Vaters privilegiert und sorglos aufgewachsen sind.

Noch bevor Neumanns im April 1932 erneut umzogen, wurde die Familie von einem schweren Schicksalsschlag getroffen. Käthe war ein zweites Mal schwanger und schenkte einem Sohn das Leben. Ulrich Neumann lebte nur wenige Tage. Besonders Käthe litt unter diesem Verlust. Zur Erinnerung an diesen Sohn bekam Käthes erster Enkelsohn die Namen „Michael Ulrich“.


Grundriss Halle/Saale Meckelstraße 7
Die Molkerei in Bad Dürrenberg wurde verkauft, und die Familie des Molkereiinspektors zogen in ihr Mietshaus in der Meckelstraße 7 in die Großstadt Halle an der Saale. Der Molkereiinspektor kaufte das Mietshaus zwischen 1920 und 1926. Im Jahre 1940 übertrug er es seiner Ehefrau Käthe, die es nach dem Kriegsende verkaufte. In dem eigenen Haus, von deren Mieteinnahmen man gut leben konnte, nahm man eine freie Wohnung im 2. Stock. Die „Bel Etage“ war noch von Maximilian Fritsche,


Isa Karla Neumann 1936

Brunos Schwiegervater und Christas Großvater, bewohnt. Erst nach dem Tode des „Lebemanns“ Max Fritsche, zog man in die erste Etage, in der Neumanns bis 1946 und Käthes Schwester Karola Krauß geb. Banning (1913-1986) bis 1981 lebten. Die Meckelstraße im Bahnhofsviertel von Halle ist eigentlich bis heute keine schöne Straße. Dort findet man keinen Baum und keine Grünanlage.


Bruno mit Isa im Wagen, Käthe (l) und Christa (r) auf dem Wagen
Aber in den Erzählungen von Christa erstrahlt sie in den schönsten Farben. Die vielen kleinen Geschäfte, in denen man in den 30er und 40er Jahren den Grundbedarf beim Bäcker, Fleischer, Lebensmittelladen, Schreibwarengeschäft, Schuster usw. decken konnte, waren in den 70er Jahren, als ich erstmals die Straße kennenlernte, allesamt verschwunden. Es war eine triste Straße mit Häusern, die nach über 20 Jahren DDR heruntergewirtschaftet waren. Nach der Wende wurde das Haus Meckelstraße 7 allerdings grundlegend renoviert.

Christa hat immer von Halle bzw. von ihrer sonnigen Jugend dort gesprochen. Ihre Bindung zu Karola, die Neumanns nach ihrer Flucht in den Westen folgte, war sehr eng. Isa hing offensichtlich nicht so sehr an Halle bzw. an der Meckelstraße, denn sie hatte in der Zeit nach dem Kriege keinen Drang, die Stadt, in der sie ihre Jugend verlebte, wiederzusehen. Karola erwähnte einmal, dass sie nach 1946 mit Isa, die seit 1958 in West-Berlin lebte, nur noch einmal brieflichen Kontakt hatte, als sie anlässlich ihrer Vermählung mit Dr. Konrad Voigt, ihre Geburtsurkunde benötigte und Karola darum bat, ihr dabei behilflich zu sein. Christa dagegen nutzte im Jahre 1960 die Gelegenheit vor dem Bau der „Berliner Mauer“ noch einmal aus dem entfernten Dinslaken in ihre geliebte Heimatstadt zu reisen. In diesem Punkte waren die Schwestern sehr unterschiedlich. Christa, stets von Heimweh geplagt, suchte die Nähe zu ihren Eltern und zu der weit verzweigten Familie Banning. Sie pflegte die Beziehungen zu den Geschwistern und Neffen bzw. Nichten von Käthe. Isa dagegen zog es immer in die Ferne. Familienbeziehungen außer zu ihren Eltern und zu Christas Familie hatten bei ihr nicht so einen großen Stellenwert.

„Meinen Eltern und uns beiden fiel es sehr schwer, uns in Halle wieder einzuleben. Kein Stückchen Rasen oder Garten, überall, wohin man blickte, Häuser und nochmals Häuser. Aber auch daran mussten wir uns gewöhnen. Ein paar Jahre waren vergangen, und nun sollte ich auf die Mittelschule kommen. Aber wir mussten mehrere Prüfungen ablegen, und vor Prüfungen hatte ich schreckliche Angst. Bald hatte ich auch das überstanden, und nun ging ich jeden Morgen zur Luisenschule.“ (Isa Neumann, 1941/42)




Isa Karla Neumann am Klavier 1934
Neumanns standen ohne Einschränkungen der nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland sehr nahe. Der Molkereiinspektor war „Blockwart“, Käthe ging zur NS-Frauenschaft und war im II. Weltkrieg NS-Schutzwart, und die beiden Töchter Christa und Isa gehörten dem „Bund Deutscher Mädels“ an. Schließlich heiratete Christa Neumann am 10. April 1945 den SS-Leutnant Helmut Böge. Allerdings wird auch erwähnt, dass Bruno Neumann, obwohl er Mieter seines Hauses beim Hören des sog. Feindsenders BBC ertappte, es niemals an die „große Glocke“ hing, sondern es bei einer nachbarschaftlichen Ermahnung beließ. Aber das Ehepaar Neumann legte auch Werte auf eine „gutbürgerliche“ Erziehung ihrer beiden Töchter, die einen Realschule-Abschluss erreichten und Klavierunterricht nehmen mussten.

„Vierzehn Tage war ich nur auf dieser Schule (in Bad Dürrenberg), dann zogen wir nach Halle und ich kam in die hiesige Friesenschule. Einen Tag später, am 20. April 1932, sprach der Führer hier in Halle. Immer werde ich es bedauern, dass ich damals noch zu klein war und zu jung, um aus der Kampfzeit viele Erinnerungen zu haben. 1933 ging ich zum ersten Male zum BDM-Dienst. Aber nicht lange durfte ich dem „Bund Deutscher Mädel“ angehören, wieder war ich zu jung, kaum sieben Jahre alt. Stattdessen ging ich in die gerade eröffnete Kinderschar. Bei Tante Ilse, der Leiterin, erlebte ich sehr schöne Stunden.“ (Isa Neumann, 1941/42)




Christa und Isa 1936 im Spreewald
Ferienreisen waren in den 30er Jahren keinesfalls üblich, aber die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie Neumann waren so gut, dass Neumanns im Jahre 1936 eine Reise in den Spreewald unternahmen. Bruno Neumann besaß einen PKW, mit dem man übrigens bis 1939 jedes Jahr nach Gebstedt in Thüringen fuhr, um die Familienfreunde Funkels, Böhme und Rost zu besuchen und um einen Kranz auf das Grab von Leni Neumann zu legen.


Käthe mit Struppchen

„Im Sommer 1936, den ersten großen Ferien auf der neuen Schule, fuhren wir in den Spreewald. Schon die Wochen vorher wurden Reisepläne geschmiedet, und das Schönste war die Vorfreude. Endlich war der große Tag da. Ganz früh waren wir schon munter. Bald saßen wir gut verpackt im Auto. Wir fuhren nicht direkt in den Spreewald, mein Vater wollte uns erstmal die Märkischen Wälder zeigen, deshalb machten wir einen großen Umweg und rasteten an den schönsten Stellen am Waldesrand. Nach anderthalb Tagen hatten wir unser Zeil, Burg, erreicht, ein größeres Dorf an einem Seitenarm der Spree. Ein kleines Gasthaus mit allen Dingen, die nur ein Kinderherz begeistern können, hatten wir uns als Ferienaufenthalt ausgesucht. Eine große Wiese, gleich dahinter das kleine Flüßlein mit einem Kahn, auch viele Obstbäume gab es da. Das war für uns das Richtige. Frühmorgens gleich gebadet oder mit dem Kahn hinausgefahren. Christa ruderte, und ich spielte den Steuermann. Die Beine im Wasser, die Stange über den Knien und nun aufgepasst, dass der Kahn nicht an den Ufern landete. So konnten wir bald Stunden auf oder im Wasser zubringen.




Käthe, Bruno, Isa und Christa Neumann 1936

Unser Hund, Struppchen, war in dieser Zeit unser kleiner Kamerad. Einmal war er ganz frech. Wir fuhren gemütlich mit unserem Kahn und hatten Struppchen bei uns. Auf einmal tauchten vor uns einige Enten auf. Struppchen machte einen gewaltigen Satz ins Wasser und holte sich die Ente. Für uns ein schöner Sonntagsbraten, denn wir natürlich auch bezahlen mussten.“ (Isa Neumann, 1941/42)



Im Spreewald kam es auch zu einem unerwarteten Wiedersehen mit Käthes jüngerer Schwester Nora, die mit „Kraft durch Freude“ von Kleve aus eine Reise in den Spreewald unternommen hatte. Die beiden Schwestern trafen sich mehrmals in Burg im Spreewald und Käthe erfuhr alle Neuigkeiten über ihre in Dinslaken und Kleve wohnenden Geschwister. Es kristallisierte sich heraus, dass sie nicht nur zu ihrer Schwester Mia Merges in Kleve, sondern auch zu ihrem Bruder Hein Banning aus Dinslaken eine sehr enge Bindung entwickelte. Auch Hein Banning, der eine Autowerkstatt unterhielt, konnte wirtschaftlich mit Neumanns mithalten, was insbesondere bei gemeinsamen Urlaubsreisen und gegenseitigen Besuchen nicht ganz unerheblich war.

„1939 fuhren wir wieder in die Ferien und diesmal etwas weiter, nach Kleve, dem Heimatort meiner Mutter. Ich konnte noch gar nicht so recht daran glauben. Es erschien für mich etwas Unermessliches. Morgens um 11 Uhr ging es von hier ab. Immer dachte ich, es kommt bestimmt etwas dazwischen. Aber es kam nichts. Wunderbares Wetter hatten wir. Vom Fenster kam ich gar nicht mehr weg. Es gab doch immer etwas zu sehen. Porta Westfalica konnten wir gut, aber leider nur flüchtig vom Zuge aus sehen. Überall arbeiteten die Bauern auf dem Felde. Schade war es, dass vieles so schnell vorüberflog. Hannover hatten wir hinter uns. Je weiter wir fuhren, je mehr änderte sich die Kleidung der Bauersleute. Die Farben waren viel lebhafter und die Frauen trugen mächtig weite Röcke in meist grüner oder roter Farbe. Wir waren in der Umgebung von Bückeburg. Unermüdlich brachte uns der D-Zug unserem Ziele näher.



Kleve, Lindenallee

Das mächtige Industriegebiet Dortmund, Essen und Duisburg breitete sich vor uns aus. In Duisburg mussten wir umsteigen. Wir gingen gerade auf den Zug nach Kleve zu, als unser Onkel Hein uns entdeckte und uns mit seinem Wagen nach Dinslaken brachte. Am Abend dieses Tages machte ich noch eine wunderbare Autofahrt von Dinslaken nach Kleve über Kalkar, Seydlitz‘ Geburtsort, Wesel und Xanten. In Wesel sahen wir uns die Stätte an, wo die elf Schill’schen Offiziere erschossen wurden und ebenso in Xanten den bekannten Dom. Von der Umgebung war ich sehr begeistert. Und in der Dämmerung erschien mir die Landschaft besonders schön. Hier eine Baumgruppe, dort ein einsamer Bauernhof und ringsherum Felder, Wald und Wasser. Nach mehrstündiger Fahrt kamen wir dann in Kleve an. Leider durfte ich mir am Abend den schönen Garten nicht mehr ansehen, auf den ich mich schon so lange gefreut hatte.“ (Isa Neumann, 1941/42)



Käthe Neumann kehrte im Sommer 1939 für einige Wochen mit ihren beiden Töchtern in ihre Heimatstadt Kleve am Niederrhein zurück. Sie sah ihre Geschwister Mia, Theo, Carl, Otto und Ötti wieder. Zu ihrem Lieblingsbruder Hein, der in Dinslaken lebte, hatte sie ein besonderes Verhältnis. Aber das Wiedersehen mit ihrem 73jährigen Vater war von sehr unterschiedlichen Gefühlen geprägt. Über 20 Jahre hatte sie ihn nicht gesehen. Er war inzwischen ein alter und einsamer Mann geworden, der von der Schuld am Verlust von Riswick, am frühen Tode seiner Frau und am Zerfall seiner Familie geprägt war. Hermann und Käthe, seine ältesten Kinder, konnten ihm dies nie verziehen, mit allen anderen Kindern hat er im Laufe der Jahre seinen Frieden geschlossen. Nun kam es zum Wiedersehen mit seiner „Ältesten“, die in seine Fußstapfen getreten ist, obwohl sie ein „Stadtmensch“ war und sich für die Landwirtschaft nicht so sehr interessiert hatte, aber sie folgte ihrem Vater, der seinerzeit als einer der ersten Großbauern eine hygienische Molkerei im Klever Land betrieb.

Käthe Neumann geb. Banning (1898-1970), Mia Merges geb. Banning (1902-1964) mit Isa und Christa Neumann in Kleve 1939

Adolf Merges (1926-2004), Isas „Lieblingsvetter“ aus Kleve


„Am anderen Morgen war mein erster Gang in den Garten. Nur das Wetter wollte uns einen Strich durch die Rechnung machen und uns die Laune verderben, aber das brachte es nicht fertig. Wir füllten unsere Zeit auch so aus, auch wenn wir nicht draußen sein konnten. Ich spielte in dieser Regenzeit bei meinem Onkel Carl, dem „Lehrjungen“ Carl. Schon frühmorgens trieb ich mich in der Autowerkstatt herum, montierte Räder ab und an, polierte die Wagen und musste andauernd Schlüssel oder anderes Werkzeug holen. Ich fühlte mich bei dieser Arbeit sehr wohl. Brauchte ich doch auch nicht aufzupassen, ob ich schmutzig wurde, sondern konnte mich beschmieren, soviel ich wollte.“ (Isa Neumann, 1941/42)




Adolf Merges, Isa Neumann, Ottilie Kersten geb. Banning, Christa Neumann 1939

„Gern fuhr ich auf dem Hochrad meines Vetters. Jede freie Minute saß ich auf dem Hochrade. Eines Tages gondle ich auch gerade auf dem Hof herum, fahre ganz langsam und nichtsahnend. Plötzlich hör‘ ich etwas brechen und knacken unter mir, und ehe ich mich besinnen konnte, gibt es einen Knall, ich springe schnell ab und halte nur noch die Lenkstange mit dem Vorderrad in der Hand. Zuerst waren wir alle sehr erschrocken. Als wir aber nun sahen, wie das Hinterrad abtrudelte, war es mit unserer Fassung vorbei.“ (Isa Neumann, 1941/42)



Von Kleve aus unternahmen Neumanns Ausflüge in den bekannten Wallfahrtsort Kevelar, ins nahe gelegene Holland und nach Emmerich an den Rhein. Ob Käthe die Kraft hatte, ihren Töchtern ihren Geburtsort Till-Moyland und das Paradies ihrer Jugend, Riswick, zu zeigen, ist fraglich, da diese Orte sie zu sehr daran erinnerten, wie tief der wirtschaftliche und soziale Abstieg der Familie nach dem Bankrott ihres Vaters in den Jahren 1915/1916 war. Käthe verließ nicht unfreiwillig 1915 ihre Heimatstadt Kleve, um in Zylpich bei Aachen eine Kontoristenstelle in der dortigen Molkerei anzunehmen. Hörte sie nicht von ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Paula, dass sich nach dem Verlust von Riswick die Freunde und Bekannten von ihnen abwandten und mit den Töchtern eines „bankrotten Bauern“ nichts mehr zu tun haben wollten.

„Als das Wetter wieder besser wurde, sind wir an die holländische Grenze gefahren. Ich war ja etwas enttäuscht, dass Holland genauso aussah wie Deutschland. In meiner Phantasie hatte ich mir unter einem fremden Land etwas anderes vorgestellt. Auch die Sprache bereitete mir keine Überraschung, denn meine Verwandten sprachen fast nur das Platt, welches viel Ähnlichkeit mit der holländischen Sprache hat.“ (Isa Neumann, 1941/42)



„Besonders fiel mir (..) auf, dass es ja gar keine Dörfer gab, wie man sie in Mitteldeutschland kennt, sondern nur ganz langgestreckte Bauernhöfe. Auf der Rückfahrt haben wir auch im Reichswald nach Blaubeeren gesucht. Das Suchen und Herumtoben im Walde war herrlich, für uns ganz ungewohnt, denn in Halle kommen wir doch selten in den Wald, höchstens einmal in die Heide, aber die ist ja meistens so sehr bevölkert, dass man keine rechte Freude haben kann. Im Reichswald war das anders. Nur ab und zu sahen wir einige Wanderer, aber sonst waren wir ganz allein.


Isa und Christa 1939 am Rhein
Auch dem Rhein haben wir bei Emmerich einen Besuch abgestattet. Es war ziemlich stürmisches Wetter, und der Wind zauste ordentlich an unserer Kleidung. Der Rhein machte auf mich starken Eindruck, denn so mächtig hatte ich ihn mir nicht vorgestellt. Am anderen Ufer sah alles klein und winzig aus. Am liebsten wäre ich ja mit der Ponto über den Rhein gefahren; leider reichte unsere Zeit nicht (..).“(Isa Neumann, 1941/42)



Von Kleve fuhren Neumanns auch für einige Tage nach Dinslaken, wo Käthes Schwester Paula Barthel, inzwischen schon fünffache Mutter, und ihr Bruder Heinrich Banning lebten. Hein und Guste Banning fühlten sich Käthe und ihrer Familie sehr verbunden, so dass Hein auf die Idee kam, mit seinen Geschwistern eine Fahrt mit dem Wohnwagen und Zelten an den Mittelrhein und an die Mosel zu unternehmen. Zu der munteren Reisegruppe gehörten Mia Merges, Hein Banning, Ötti Kersten und natürlich Käthe Neumann mit ihren Töchtern. Vier Geschwister verlebten mit ihren Kindern herrliche Tage in der freien Natur in diesem letzten „Friedenssommer“ 1939 vor dem Ausbruch des II. Weltkrieges.

„Nach all diesen schönen Tagen hatte unser Onkel sich noch etwas besonders Schönes ausgedacht, nämlich mit dem Wohnwagen eine Fahrt am Rhein entlang bis Koblenz, dann die Mosel abwärts bis zur Eifel zum Nürburgring.




Auguste Banning, Mia Merges geb. Banning, Ötti Kersten geb. Banning, Adolf Merges, Ulla Banning N.N. Gerd Kersten, N.N. mit Klaus Banning, Christa Neumann, Käthe Neumann geb. Banning Isa Neumann und Heinrich Banning

Nun wurde wieder feste gepackt. Nur das Nötigste wurde mitgenommen, natürlich durfte es auch nicht unbequem sein. Und so starteten wir am 16. Juli. Nach einer sehr langen und sehr schönen Tagesfahrt erreichten wir unser erstes Ziel, welches kurz vor Koblenz lag. Direkt am Rhein, gegenüber Schloss Rheineck, wurde unser Wohnwagen aufgebockt. Essen fertig gemacht und dann ging es noch einmal den Rhein entlang. An diesem Tage hatte ich so viel Schönes erlebt und gesehen: Duisburg, Düsseldorf, den Kölner Dom, das Siebengebirge, den Drachenfels, auch den Rolandsbogen. Ich konnte gar nicht sagen, was mir am besten gefallen hat. Aber die Fahrt am nächsten Tage machte noch einen größeren Eindruck auf mich. Wir standen am Deutschen Eck und haben das gewaltige Bild angesehen, wo Rhein und Mosel zusammenfließen.

Die Mosel ist das ganze Gegenstück zum Rhein. Der Rhein gewaltig und ruhig, die Landschaft weit und herb. Die Mosel quicklebendig und reißend und überall Gebirge. Dem Ufer schwingen sich langgestreckte Dörfer an. An einem sonnigen Tage wollten wir auch baden, und so hielten wir Rast hinter Kochem und gingen unter viel Freudengeschrei in die Mosel. Und sofort fasste uns die Strömung und wollte uns weiterschleifen, nur mit großer Anstrengung retteten wir uns wieder heraus. Aber ungeheuren Spaß machte es, nachdem wir mutiger geworden waren, uns mit der Strömung treiben zu lassen und dann wieder gegen die Strömung aufzukommen. Aber auch das Spiel fand ein Ende und unsere kleinen Pflichten traten an die erste Stelle. Meines Vetters und meine Aufgabe war es nämlich für frisches Wasser zu sorgen. Als wir in der Eifel waren, war das sehr schwer, denn das Wasser ist dort knapp.



v.l. Hein Banning, Isa u. Käthe Neumann, Klaus Banning mit Christa Neumann, vorne: Ulla Banning Sommer 1939

Am dritten Tag hatten wir uns ein ganz wunderbares Fleckchen in der Eifel ausgesucht. Vor uns eine große Wiese mit einem Bach, hinter uns Wald. Dort blieben wir zwei Tage. Unser Tagesablauf bestand nur aus Spazierengehen und Umhertrollen. Diese zwei Tage waren die schönsten der ganzen Fahrt.“ (..).“(Isa Neumann, 1941/42)



Käthe fuhr mit ihren Töchtern zurück nach Halle. Das Wiedersehen mit ihren Geschwistern und mit ihrem Vater verlangte von ihr eine große Disziplin, die ihr stets eigen war. Käthe machte zwischen Christa, ihrer angenommenen Tochter, und Isa, ihrer leiblichen Tochter, niemals einen Unterschied. Es war auch innerhalb der Familie kein Geheimnis, aber besonders Christa fühlte sich, viel mehr als Isa, zu den Bannings sehr hingezogen. Käthe gefiel dies, auch, dass Christa zu ihrem Vater, zu „Opa Banning“, ein liebevolles Großvater-Verhältnis entwickelte. Für den „alten Herrn“ war es rührend, neben Adolf, dem Sohn von Mia, noch zwei Enkelinnen von Käthe zu haben, die ihn als Opa liebten.


Käthe ließ dies zu, obwohl sie ihrem Vater sein Fehlverhalten niemals verziehen hat. Gleichwohl unterstütze sie ihn jahrelang mit Geldzahlungen. Aber den Verlust von Riswick, ihren Abschied von Kleve, ihrer Vaterstadt, und vor allen Dingen den Tod ihrer geliebten Mutter- dies konnte sie ihm niemals vergeben. Sie besuchte im Sommer 1939 auch das Grab ihrer Mutter auf dem Klever Friedhof und dachte an das Elend, das ihre jüngeren Geschwister nach dem Verlust ihrer Mutter im März 1916 erleiden mussten.

Isa-Carla, sportlich, wagemutig und anders als Christa nicht zu stark am Bande der Familie hängend, legte nach der Rückkehr vom Sommerurlaub am Niederrhein das „Reichsjugendsportabzeichen“ in Halle an der Saale ab. Isa war wie ihre Eltern und ihre Schwester vorbehaltlos eine überzeugte Anhängerin der Politik Adolf Hitlers.


„Während ich so fröhliche Ferien am Rhein verlebte, trieben die Spannungen in der Politik immer mehr dem Höhepunkt zu. Am 1. September lösten sich diese Spannungen. Der Krieg gegen Polen begann. Ein achtzehntägiger Siegeszug folgte nun.“ (..).“(Isa Neumann, 1941/42



Obwohl Neumanns der NS-Ideologie nahe standen, spielte die religiöse Tradition auch eine Rolle. Käthe wurde streng römisch-katholisch erzogen, erkannte aber durch eigene Erfahrungen in den Jahren 1906-1910, als sie die Dorfschule in Qualburg besuchte, die Doppelmoral der katholischen Kirche. Der Übertritt zu lutherisch-evangelischen Kirche im Zusammenhang mit der Vermählung mit Bruno Neumann im Jahre 1925 fiel ihr ausgesprochen leicht. Christa feierte 1938, Isa am 3. März 1940 die Konfirmation in der Marktkirche in Halle an der Saale. Beide wurden von Pfarrer Hasse, der seine letzte Ruhe ausgerechnet auf dem Kommunalfriedhof in Dinslaken am Niederrhein fand, eingesegnet.


Käthe Neumann im Garten 1940
Wenn wir in den 70er Jahren das Grab von Käthe auf dem Dinslakener Friedhof besuchten, blieb meine Mutter stets in tiefen Gedanken vor dem Grab ihres Pfarrers stehen. Christa empfand die Bindung zur evangelischen Kirche stärker als Isa. Obwohl beide sich der NS-Ideologie verbunden fühlten, betonte Christa stets die Tatsache, dass sie das Kindergärtnerinnen-Seminar nicht bei der „NSV“, sondern bei der „Evangelisch-lutherischen Kirche“ absolviert hat.


Käthe Neumann im Garten 1940
Um 1940 pachteten Neumanns einen Garten in Halle. Dort verlebten sie im Sommer ihre Stunden, bauten ein wenig Gemüse und Obst an und fühlten sich der Natur verbunden, denn in der Meckelstraße lebten sie nur von Steinen und Beton umgeben.

„Zu meiner besonderen Freude bekam ich im Januar 1940 eine Jung-Mädchen-Schaft. Jetzt musste ich zum ersten Mal erkennen, was es heißt, seine Pflicht zu tun, dass man seinen Titel erarbeiten muss und immer mehr, um auch weiter zu kommen. Die Kameradschaft unter uns war wirklich echt und jede Neue, so auch ich, wurde davon mitgerissen. In Mai nahm ich an einer Schulung auf der Neuenburg in Freyburg an der Unstrut teil.“(Isa Neumann, 1941/42)

Isa war ohne Einschränkungen dem nationalsozialistischen System zugetan. Ihr „Fernweh“ kam den Anforderungen der NS-Ideologie entgegen.

„Millionen deutscher Männer waren eingezogen, und es fehlte überall an Arbeitskräften. Da wurde die deutsche Jugend aufgerufen, in den Ferien 1940, so gut es ging, einige Arbeitsplätze auszufüllen. Ich meldete mich zum Ernteeinsatz; denn vom Dorfleben wussten wir Stadtkinder wenig. Mit drei Klassenkameradinnen fuhr ich nun nach (Thüringen). Auf der Fahrt machten wir uns so viele Pläne, hätte das ein Bauer gehört, er hätte bestimmt gelacht, wie wir jetzt.




Isa Neumann 1. Reihe ganz links

Als wir ankamen, meldeten wir uns beim Ortsbauernführer, der brachte uns dann zu unserem Bauern. Zuletzt kamen wir bei einem Gärtner an. Das Haus gefiel mir sehr gut. Es war viel kleiner als die anderen Bauernhäuser. Zuerst kamen wir durch einen Hof, rechts ein Schuppen, links die Viehställe. Einige Stufen höher lag dann das Haus. Ringsherum Blumen. Durch unser Getrapse lockten wir eine alte Frau heraus, die gleich darauf losredete, dass mir Himmelangst wurde. Ich verstand kein Wort. Der Ortsbauernführer erklärte mir dann, dass die Gärtnerfamilie auf dem Felde sei, und dass die alte Frau die Großmutter wäre (sic!).Jetzt gingen wir auf das Feld und trafen auch die Gärtnerfamilie an, die gerade beim Erdbeerlesen war.

Ich blieb gleich da und fing sofort mit dieser schönen Arbeit an. Ich freundete mich bald an und nach kurzer Zeit verstanden wir uns schon gut. Ein sehr nettes Zimmer mit weiter Aussicht wurde nun mein kleines Reich. Von nun an musste ich ordentlich ran. Immer gab es etwas zu tun. Für die Frauen sogar noch mehr. Es herrschte eine fröhliche Stimmung. Die Gärtnersleute waren zwar nicht mehr jung, aber jeden Spaß machten sie mit. Ich wäre ja gerne in eine Familie gekommen, wo es kleine Kinder gab.“ (Isa Neumann, 1941/42)




Isa-Karla Neumann um 1949/1941
Während Isa bevorzugt das Weite suchte und den Sommer in der Nähe von Buttstädt in Thüringen verbrachte, blieb Christa auch bei den Reichsarbeitsdienst-Einsätzen vorzugsweise im Gebiet um Halle an der Saale. Sie litt unter starkem Heimweh.


Henrike Banning mit Struppchen in Halle
Im Jahre 1941 bewies sich einmal mehr der Zusammenhalt innerhalb der Familie Banning. Heins Ehefrau, Auguste, verstarb bei der Geburt ihres vierten Kindes in Dinslaken und Käthe erklärte sich sofort bereit, die drei Kinder ihres Lieblingsbruders in Halle in ihre Obhut zu nehmen.

„Nach fünf Wochen musste ich leider nach Hause fahren. Wir hatten Besuch bekommen, meine zehnjährige Base Ursula und mein sechsjähriger Vetter Klaus. Beide wollten einmal ausschlafen und sich erholen vom Fliegeralarm. Zwei Monate war ein Leben bei uns wie noch nie. Von allen Dingen unser Klaus stellte alles auf den Kopf, bis Tante Käthe energisch wurde.“ (Isa Neumann, 1941/42)




Emil Merges mit Christa und Isa 1942
Als August Banning in Dinslaken verstarb, wollten eigentlich alle Kinder von Hein bei Neumanns in Halle bleiben. Käthe war auch bereit, die damals 11,- 7- und zweijährigen Kinder ihres Bruders aufzunehmen und aufzuziehen, aber diese Belastung wollte Hein Banning seiner Schwester nicht aufbürden, so dass nur seine jüngste Tochter Henrike Banning (1939-1989) bis nach Kriegsende bei Neumanns aufwuchs, während Ulla und Klaus bei ihm in Dinslaken blieben.

„Nun waren bald zwei Kriegsjahre vergangen. Das deutsche Volk konnte mit ungeheurem Stolz auf diese Jahre zurückblicken. Am 22. Juni trat auch Russland mit uns in den Krieg. In der Heimat spürten wir nicht allzu viel davon. Sogar in die Ferien konnten wir noch fahren. Nachdem ich die Herbstferien und Osterferien in Thüringen verbracht hatte, fuhr ich wieder nach Kleve, das war mein einziger Wunsch: er war zwar ziemlich groß, aber trotzdem ermöglichten es meine Eltern.


NSV-Kindergarten Bad Kösen
Diesmal sah ich mir Kleve recht ordentlich an, und ich kannte es bald besser als Halle. An besonders schönen Tagen wanderte ich auch weit hinaus. Und öfters radelte ich mit meinem Vetter durch die Umgebung. Sehr schön ist der Tiergarten von Kleve. Vom „goldenen Knopf“, einem Denkmal von 1870/71, hatte man einen herrlichen Blick in die Landschaft. Immer wieder konnte ich dort stehen. Keine Stadt hat mir bisher besser gefallen.“ (Isa Neumann, 1941/42)




Isa-Carla Neumann um 1945
Wie Christa entschloss sich Isa Neumann den Beruf der Kindergärtnerin zu wählen. Am 1. April 1942 trat sie in das Seminar der „N.S.V.-Bad Kösen“ ein.

Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) betrieb in Konkurrenz zu den christlichen Kirchen Kindergärten. Im Gegensatz zu ihrer Schwester, die ihre Ausbildung in einem evangelischen Kindergarten-Seminar absolvierte und bis Kriegsende zur Leiterin des Kindergartens Halle-Nietleben aufstieg, wählte Isa Neumann den staatlich-nationalsozialistischen Weg, abseits von Halle, im 50 Kilometer entfernten Bad Kösen.


Karola Krauß geb. Banning mit Karin
Als Isas Schwester Christa im Jahre 1945 den SS-Hauptmann Helmut Böge heiraten wollte und auf Grund der nicht lückenlos geklärten arischen Abstammung von Christa Neumann lange Zeit auf die Heiratserlaubnis der Reichsstelle für Sippenforschung (RfS), Ende 1940 in Reichssippenamt umbenannt, warten musste, kam die Vermutung auf, dass Christas und Isas Vater, der am 11. August 1887 in Klastawe unehelich geboren wurde, Sohn eines jüdischen Vaters sein könnte. Isa galt in den Augen ihres späteren Schwagers Helmut Böge als „typische jüdische Schönheit“. Kurz vor Kriegsende wurde jedoch der Vater von Bruno Neumann als der katholische, polnischstämmige Landarbeiter Adalbert Gawel benannt, so dass Helmut Böge die offizielle Erlaubnis erhielt, Christa Neumann zu ehelichen.

Isa Neumann nahm an der Hochzeit ihrer Schwester am 10. April 1945 in Halle/ Saale teil. Käthe organisierte wenige Tage vor Kriegsende eine Hochzeitstafel in der Meckelstraße 7.

Bruno Neumann war zu dieser Zeit kriegsbedingt als Molkereidirektor in Luckenwalde tätig und konnte an der Feier nicht teilnehmen, lieferte aber durch einen Boten Milch, Butter und Sahne, was in diesen Notzeiten sehr wichtig war. Zu der Hochzeitsgesellschaft in Halle zählte auch Käthes jüngste Schwester Karola Krauß geb. Banning (1913-1986), der mit Mann und ihren beiden Töchter Karin und Elke die Flucht aus Danzig geglückt war, da sie am 30. Januar 1945 in Danzig nicht die „Wilhelm Gustloff“ bestiegen hatte.


Kapitulation in Halle/ Saale
Eine persönliche Tragik für Käthe Neumann an Kriegsende entstand dadurch, dass sie in Begleitung von Christa Ende 1944/ Anfang 1945 den Molkereidirektor in Luckenwalde unangekündigt besucht hat und ihn in einer Wohnung mit der Witwe des dortigen Molkereidirektors antraf. Käthe und Christa verließen Luckenwalde und fuhren wortlos nach Halle zurück. Bruno lebte offenbar seinerzeit in einem eheähnlichen Verhältnis mit der Witwe des Molkereidirektors von Luckenwalde. Isa erzählte man davon nichts, was auf das sehr gute Verhältnis zwischen Käthe Neumann und ihrer Tochter Christa schließen lässt.

Am Donnerstag, den 19.April 1945, schwiegen in Halle an der Saale die Waffen. Käthe erlebte die Kapitulation mit ihren Töchtern Christa und Isa, mit ihrer Schwester Karola und ihren Nichten Karin und Elke und ihrer Nichte Henrike in ihrem Haus in der Meckelstraße 7. Käthe ließ, als Hauseigentümerin, weiße Bettlaken zum Zeichen der Kapitulation aus den Fenstern hängen. Noch wenige Tage vor Kriegsende wäre es fast zu einer Katastrophe gekommen. Als Bombenalarm gegeben wurde und Christa die sechsjährige Henrike aus ihrem Bett hob, schlug ein Granatsplitter durch das Fenster in die Wand dort ein, wo die kleine Henrike gelegen hatte.

Neumanns waren erleichtert, dass die US-Armee und nicht die Sowjets Halle eingenommen hatten und dachten noch nicht an Flucht. Erst als die Nachrichten durchsickerten, dass die USA abziehen und die UdSSR nachrücken würden, erwogen Neumanns die Flucht in den Westen. Im Juli 1945 war es dann soweit. Die 8. Gardearmee der Roten Armee, die als 62. Armee Stalingrad erfolgreich verteidigt hatte, rückte in der Stadt ein. Zeitzeugen erinnern sich an Soldaten auf Panjewagen und Pferden. Der Einzug der „Russen“ war für Neumanns das Signal, die Stadt gen Westen zu verlassen. Käthe hatte mit ihrem Bruder Heinrich dieses Szenario bereits vorher abgesprochen. In Dinslaken wurde alles für die Aufnahme der Familie Neumann vorbereitet, zu der auch Käthes Schwiegersohn, der SS- Hauptmann Helmut Böge, gehörte, der kurz vor dem offiziellen Kriegsende in Böhmen in US-amerikanische Gefangenschaft geriet und im November 1947 nach Dinslaken entlassen worden ist.


Käthe Neumann geb. Banning 1945
Der Zusammenhalt innerhalb der Familie Banning zeigte sich erneut, als es darum ging, Käthes Familie in Dinslaken, das zur englischen Zone gehörte, zu integrieren. Obwohl ihr Bruder Heinrich im Dritten Reich für die Dinslakener Bevölkerung sichtbar als Anhänger der NSDAP fungierte, schaffte er es, in der unmittelbaren Nachkriegszeit durch seine guten Kontakte zur englischen Besatzungsmacht der Familie seiner Schwester eine Einquartierung in einer „guten“ und sozial den Neumanns entsprechenden Familie zu verschaffen. Normalerweise ging es seinerzeit eher darum, dass der Leiter des Wohnungsamtes, ein KPD-Parteigänger, für die „besseren“ Familien Einquartierungen festlegte, die darauf hinausliefen, dass sozial „untere Schichten“ dort unterkamen, wo sie auf Ablehnung stießen bzw. wo sie mit Familien in einem Haus untergebracht wurden, die zur „Ausbeuterklasse“ zählten. Durch Hein Bannings Kontakte wurden Neumanns bei der Familie des Holzgroßhändlers Hubert Maus in Dinslaken-Oberlohberg in der Dickerstraße 10 einquartiert. In der am Waldrand gelegenen Villa der Holzhändlerfamilie nahmen Neumanns im Jahre 1946 Quartier, und es entstand zwischen den Familien Maus und Neumann eine langjährige Freundschaft. Insbesondere Isa freundete sich mit Cläre Maus an, die mit einem Arzt verheiratet war, der nach Kriegsende als SS-Arzt Dr. Klier in Essen zum Tode verurteilt worden ist.


Isa-Carla Neumann 1946
Christa und Isa begleiteten Cläre zu den Prozessen in Essen und hielten an dem Standpunkt der Familie Maus fest, dass das Todesurteil gegen Dr. Klier zu Unrecht gefällt worden ist. Dies zeigt doch eine gewisse Uneinsichtigkeit der Familie Neumann nach Kriegsende, was die Verbrechen der Nationalsozialisten in den Jahren 1935-1945 betrifft. Isa war nicht anders als Christa oder Käthe, die stets behaupteten, von alledem nichts gewusst zu haben.

In diesem Punkte sind Neumanns uneinsichtig gewesen. Sie haben über 1945 hinaus der nationalsozialistischen Ideologie nicht abgeschworen. Isa war wie ihre ältere Schwester keine Rebellin, sondern beide Schwestern verhielten sich im Einklang mit ihrem nationalsozialistischen Elternhaus. Wenn der „Führer“ in Halle sprach, gingen die Schwestern hochmotiviert zum Hallmarkt, wo er auftrat. Fuhr der „Führer“ mit dem „Duce“ durch Halle, gingen beide zum Bahnhof, um dem durchfahrenden „Führerzug“ zuzujubeln.

Beide Schwestern fanden sich im Einklang mit ihren Eltern, denn auch Bruno und Käthe Neumann hielten bis zuletzt am NS-Regime fest. Noch am 20. Juli 1944 hörte man in der Meckelstraße 7 entsetzt die Nachrichten über das Attentat auf den „Führer“ und man war erleichtert, dass es misslang. Kurz vor Kriegsende hoffte man auf die sog. Wunderwaffe und glaubte, dass der Tod des US-Präsidenten Roosevelt für Deutschland doch noch den Sieg bringen würde. Aber dann wurde der Abschied von Halle an der Saale unausweichlich. Der Verkauf des Hauses in der Meckelstraße und der Umzug an den Niederrhein fielen Neumanns offensichtlich nicht schwer, denn der Gedanke, in einer Stadt unter sowjetischer Besatzung leben zu müssen, war ihnen unerträglich, zumal die Gefahr bestand, dass der Schwiegersohn Helmut Böge, wenn er aus der US-amerikanischen Gefangenschaft in die sog. SBZ hätte entlassen werden müssen, als SS- Hauptmann erneut strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wäre.


Isa nach 1946
In Dinslaken-Oberlohberg trat Isa Neumann der „Kaiserswerther Schwestenschaft“ bei. „Die Kaiserswerther Schwesternschaft ist eine Gemeinschaft von Frauen, die in Beruf oder Ehrenamt diakonisch engagiert sind. Das gemeinsame geistliche Leben ermutigt, unterstützt und bereichert sie. In der Schwesternschaft suchen diese Frauen zeitgemäße Antworten auf ihre religiösen Fragen und auf persönliche wie gesellschaftliche Herausforderungen.“ (www.kaiserswerther-diakonie.de)

Isa wohnte zwar bei ihren Eltern und ihrer Schwester in Dinslaken, hielt sich aber in den Jahren 1947 bis Anfang der 50er Jahre beruflich in Düsseldorf-Kaiserwerth auf. Drei Familienereignisse veränderten das Leben der Familie Neumann nach dem Kriegsende und der erfolgreichen Übersiedlung an den Niederrhein:


Hermann Bruno Neumann 1887-1949.Auf der Rückseite ist die Widmung vermerkt: „Meiner lieben Mutti von ihrem dankbaren Vati“.